Jürgen Sarnowsky: Die Erkundung der Welt. Die großen Entdeckungsreisen von Marco Polo bis Humboldt
C.H. Beck Verlag, München 2015
240 Seiten, 19,95 Euro
Entdecken, erobern, erforschen
Marco Polo, Vasco da Gama oder Alexander von Humboldt: Die Kraft der Neugier und Sehnsucht trieben sie voran. Der Historiker Jürgen Sarnowsky legt mit "Die Erkundung der Welt" eine Geschichte der europäischen Entdeckungsreisen vor – sehr kurzgefasst aber dennoch detailliert.
Immer wieder zieht es Menschen in die Ferne. Ihre Motive sind seit jeher vielfältig: Neugier und Handel, Eroberungen und wissenschaftliche Forschung. Jürgen Sarnowsky, Professor für mittelalterliche Geschichte in Hamburg, ist den Wegen der Reisenden und Entdecker gefolgt und legt eine sehr kurzgefasste, aber dennoch detaillierte Geschichte der europäischen Entdeckungsreisen vor - von Marco Polo bis Alexander von Humboldt.
Jürgen Sarnowsky interessiert dabei eines besonders: Wie sahen die europäischen Entdecker die fremden Welten, wie wandelte sich ihr Bild der Erde? Dabei darf man den Reiseberichten nicht alles glauben – einer der berühmtesten des späten Mittelalters, der des Jean de Mandeville, entpuppte sich als weitgehend erfunden. Er spiegelte aber getreulich die Vorstellungen seiner Zeit. Denn kein Reisender berichte nur, was er wirklich sah und erlebte, alle pflegten ihre eigenen Vorurteile und ließen Wunschbilder einfließen. So wimmeln gerade die frühen Berichte von wunderliche Wesen – Kopffüßern, Menschenartigen mit Gesichtern auf der Brust – oder mythologischen Gestalten wie Amazonen, die frühe Entdecker im Urwald am Randes des dann nach ihnen benannten Flusses ausmachten. Weitaus weniger interessieren den Autor die technischen Aspekte des Reisens wie die Finanzierung der Expeditionen.
Mit Marco Polo nach China und Vasco da Gama nach Indien
Sarnowskys Leser wandern mit Marco Polo nach China, reisen mit Vasco da Gama nach Indien, verfolgen wie die Portugiesen dort ihre Interessen auch mit Gewalt durchsetzen, umrunden mit Magellan und dessen Bordbuchschreiber Pigafetta erstmal die Erdkugel und treffen dabei Riesen in Patagonien. Manche Expedition wird nur sehr kursorisch erwähnt, manches ist zu knapp. Der Autor setzt, wo er wählen muss, meist auf Vollständigkeit der Namen und Expeditionen statt einzelne exemplarisch ausführlich zu würdigen. So erläutert er nicht die fehlerhaften Überlegungen von Kolumbus, die ihn zu seinen Reisen führten, gut hingegen beschreibt er die Rivalität Spaniens und Portugals um die Gewürzinseln, einen Wettstreit, an dem später auch die Niederlande und England, teilnahmen. Die Geschichte der Jesuiten in China wird zwar kurz aber erhellend dargestellt, welche Rolle der Orden aber in Südamerika hatte, hingegen gar nicht erwähnt. Manches bleibt aufgrund des schmalen Umfang des Buches nur Stückwerk.
Dennoch vermittelt der Autor die Kraft der Neugier und die Sehnsucht, die die Reisenden vorwärtstrieb, und es wird klar, wie sich im Laufe der Jahrhunderte ein Wandel in ihren Motiven und Berichten vollzieht: Waren die frühen überwiegend Pilgerberichte, in denen es um die Christianisierung anderer Länder ging, oder solche, die von Absurditäten der Schöpfung handelten (oft nur aus Hörensagen) folgten dann Expeditionen, die eher wirtschaftlich, kolonialistisch ausgelegt waren. Ab dem 18. Jahrhundert warfen Reisende einen mehr wissenschaftlichen Blick auf die Länder und bemühten sich um eine intensive Wahrnehmung der fremden Kulturen. Entdecken, erobern, erforschen lautet der Dreiklang, in dem die europäische Expansion erfolgte.