Sport als Motor der Persönlichkeitsentwicklung
22:16 Minuten
Der Sport bietet viele Möglichkeiten, junge Menschen auf das Leben vorzubereiten. Oftmals fehlt es allerdings bei den Übungsleitern noch an Wissen, wie sie ihre Schützlinge fördern können. Doch das ändert sich.
Dienstagnachmittag, 17 Uhr, Basketballtraining in einer Bayreuther Sporthalle. 18 Jungen zwischen 12 und 14 Jahren machen Tempo.
Ein Trainer: "Jungs, let's go. Lass dich nicht hängen! Kopf hoch! … Gut so … Sascha, trau dich, zu passen, trau dich!"
Die beiden Trainer stehen am Spielfeldrand. Sie unterhalten sich kurz, lassen das Spiel laufen und unterbrechen dann, um sie mit den Jungen zu besprechen.
"Genau da wollen wir hin, dass die von alleine kommunizieren, also dass die sagen: Was können wir besser machen, was ist ein kleiner Tipp für dich?", sagt Johannes Ködel, Basketballtrainer der U12-Jungenmannschaft Bayreuth.
Kommunikation mit jungen Menschen
Kilian, Max, Johannes, Paul, Liam und die Teams legen wieder los. Das Trainerduo scheint kaum zuzusehen. Doch das wirkt nur so. Ludwig und Ködel wissen, was sie tun. Sie haben in letzter Zeit hier einiges im Training verändert.
"Früher hat man immer alles genau vorgegeben. Jetzt lässt man sie eher frei arbeiten. Vielleicht fällt ihnen selber was auf, was nicht so gut war", sagt Ködel. Ein großer und zugewandter Mann mit gestyltem Kinnbart, 27 Jahre alt. Im Hauptberuf ist er Finanzkaufmann und daneben ehrenamtlicher Trainer beim Sportverein Basketball Club Bayreuth.
Das bedeutet: Viermal die Woche für Jungen im Teenageralter da sein, die in der Bayern- und Landesliga spielen. Künftig soll es aber hier noch um einiges mehr gehen als um den Spaß, den Wettkampf und den sportlichen Erfolg. Denn Ködel ist seit Kurzem auch ein "Gamechanger".
Silke Mayer geht in ihr Büro der Dirk-Nowitzki-Stiftung in Würzburg. Vor ihr hängt ein großes Plakat an der Wand, auf ihm steht der Schriftzug mit dem Stiftungsmotto:
"'Empower young people in sports'. Also diesen Menschen wollen wir eigentlich stärken, der diese unglaublich verantwortungsvolle Aufgabe im Alltag durchführt", sagt die Vorstandsvorsitzende der Stiftung.
"Gamechanger" auszubilden, diese Idee hat Mayer mit ihrem Bruder Dirk Nowitzki entwickelt. Die ausgebildete Lehrerin ist selbst Basketballtrainerin und erzählt, sie hätten die vielen jungen Engagierten gesehen – auf dem Platz, in der Halle und auf dem Lauffeld – junge Frauen und Männer, die Kindern und Jugendlichen Sportarten beibringen, sie auffangen, anspornen, unterstützen, schützen und begleiten.
"Was wir auch gesehen haben, ist das Potenzial des Sports. Also es wird halt natürlich im Vereinssport viel Fokus darauf gelegt auf: höher, weiter, schneller, gewinnen, Leistung. Aber da ist noch ganz viel unentdecktes Potenzial, was der Sport auch hat. Was er für die Gesellschaft leisten kann."
Das Potenzial im Sport: Man lernt, sich zu bewegen und Bewegungen gezielt einzusetzen. Aber man eignet sich auch Regeln an und übt, sie einzuhalten. Man erlebt, dass man gewinnt und verliert. Man trägt Konflikte aus, achtet auf das Miteinander im Team und respektiert die Verschiedenheit der Mitspielerinnen und Mitspieler. Enttäuschungen hält man aus und gibt nicht auf. Und man merkt, wie das eigene Verhalten auf die anderen wirkt und wie man sich auch selbst verändern und sich weiterentwickeln kann.
"Das passiert nicht einfach, wenn man den Ball in die Mitte schmeißt. Da muss man schon wissen, was man tut. Was will ich mit den Kids, was will ich denen vermitteln. Da wird man einfach auf sich alleine gestellt, es fehlen oft die Verbündeten. Dass man da schon oft dran denkt, aber nicht weiß, wie man es umsetzt mit konkreten Übungen oder sich da so ein bisschen allein auf weiter Flur fühlt."
Seit 2019 kommen nun also jedes Jahr 20 junge Frauen und Männer zwischen 18 und 27 Jahren aus den Sportarten Handball, Fußball, Leichtathletik, Hockey und auch aus Sportprojekten aus ganz Deutschland auf den "41Campus" der Dirk-Nowitzki-Stiftung. Sie denken dort zuerst darüber nach, wo ihre eigenen Stärken liegen und was für ein Trainer oder eine Trainerin sie sein möchten.
Dann geben ihnen Experten und Profis pädagogisches Fachwissen und praktische Tipps mit auf den Weg: Wie man Werte vermitteln kann, oder wie Empathiefähigkeit übt und wie man wertschätzend miteinander spricht. Basketballtrainer Ködel hat das motiviert:
"Ich bin am selben Tag noch auf Training gefahren und hab direkt die Jungs zusammen geholt. So. Jetzt reden wir erst mal miteinander."
Als er nachfragte, stellte der Trainer prompt fest: Die 12- und 13-jährigen Spieler wussten ziemlich schnell, was ihnen in der Mannschaft wichtig ist.
"Sich mal gegenseitig loben und mal sagen: Hey, gut gemacht. Da achten wir jetzt schon sehr drauf. Miteinander! Jeder soll den Ball haben. Und pusht euch gegenseitig. Egal, wo wir auftreten, dass es da kein Gegeneinander gibt. Es ist trotzdem ein Konkurrenzkampf auch bei uns, aber das darf man nicht spüren. Die können volle Leistung geben, auch ehrgeizig sein, da kann auch mal die Fetzen fliegen, aber immer mit einem positiven Miteinander."
Potenzial des Sports entwickeln
"Die Bildungspotenziale des Sports werden ganz oft als so implizit vermittelt. Wenn wir mit Kindern und Jugendlichen Sport treiben, dann lernen die das sowieso im Sport", sagt Karen Petry. Sport mit jungen Menschen bedient eine pädagogische Erwartungshaltung, unterstreicht die Sportsoziologin an der Deutschen Sporthochschule in Köln.
"Das geht automatisch, das kommt dann als Prozess, als Lernerfolg, als Ergebnis hinten raus. Wir wissen aber von vielen Studien, dass das nicht so passiert. Das heißt, wir müssen das eigentlich inszenieren. Das heißt, es muss ein klares Lernziel sein. Diejenigen, die das anleiten, seien es jetzt die zukünftigen Sportlehrer und Sportlehrerinnen, die wir hier an der Hochschule ausbilden, seien es die Übungsleiter, die in den Vereinen unterwegs sind, oder eben die Jugendsozialarbeiter, die in sozialen Brennpunkten arbeiten, müssen für sich sehr genau wissen, wie man dieses Potenzial entwickelt."
Petry fügt jedoch auch gleich hinzu, es werde ihnen kaum beigebracht. An der Hochschule in Köln gebe es nur wenige Module dazu, etwa "'Managing Diversity' – also wie gehe ich mit Vielfalt um, die ich womöglich in meinen Schulklassen oder in meinen Gruppen im Verein finde? Wie schaffe ich es, sozial-integrativ meinen Unterricht anzuleiten?"
Schicken Eltern ihre Kinder in einen Sportverein, erwarten sie, dass ihnen dort die technischen Fertigkeiten beigebracht werden: im Tennis, Volleyball oder Eishockey. Die bessere Technik im Sozialverhalten ihres Kindes haben sie meist nicht im Blick.
"Es muss auch deutlich sein, dass das auch ein Ziel des jeweiligen Sporttreibens ist."
"Das habe ich beim Sport gelernt" – mit diesem Slogan griff der Deutsche Olympische Sportbund 2013 das Thema auf. 2015 startete der Landessportbund Nordrhein-Westfalen eine groß angelegte Kampagne mit Fotos, Videos und Plakaten für die Vereine.
"Respekt erweisen" in den Kampfsportarten, "Haltung zeigen" beim Bodenturnen, "Entscheidungen treffen" beim Fechten, "Durchhalten" an den Ringen, "Zusammenwachsen", "Freude teilen", "Selbstbewusst leben", "Niederlagen aushalten".
Rückhalt vom Verein
Doch wie man all die Dinge lehrt, die Antwort auf diese Frage bleibt zum großen Teil den Trainern, Übungsleitern und den Vereinen überlassen.
Nicole Greßner vom 1. VfL Fortuna Marzahn schloss sich der Kampagne an. Sie leitet bei dem Berliner Verein seit 1995 die Abteilung Rhythmische Sportgymnastik. Mehrere Dutzend Mädchen von vier bis elf Jahren teilen sich hier an jedem Trainingsnachmittag in drei Gruppen eine Halle. Wenn es keine Einschränkungen wie zurzeit gibt.
Eine Etage höher im Aufenthaltsraum erzählt Greßner, die ganze Abteilung unterstütze die jungen Frauen, die unten mit den Mädchen arbeiten. Die jüngste Übungsleiterin im Team ist 15 Jahre alt.
"Wir bilden immer ein Tandem, das heißt, ein erfahrener Übungsleiter, ein junger Übungsleiter. Wir lassen nie die jungen Übungsleiter alleine."
Und wie lernt man in so jungen Jahren, die noch jüngeren Mädchen zu stärken?
"Indem man ihnen diese Verantwortung schon übergibt, aber sie auch wertschätzt. Dass wir sie gut einbetten. Dass wir ihnen freien Weg geben. Aber du bist trotzdem nicht alleine gelassen, wir fangen dich hier auf und wir führen dich."
In der Halle schart Ksenia Volodko gerade ihre Trainingsgruppe um sich. Eine Handvoll quirliger Fünf-, Sechs- und Siebenjähriger. Die Übungsleiterin mit dem dunklen Pferdeschwanz ist 17, ihre Tandempartnerin Susanna Nikolenko, 53, überlässt ihr die Regie.
"Mit Kleinen umzugehen ist schon 'ne Kunst", sagt Volodko. "Dass die einem zuhören und das machen, was man auch möchte. Wir sprechen mit denen auch ganz viel, nicht, dass sie einfach nur denken: Heute ist Training, sondern bewusst einfach, dass sie dabei sind, was sie machen. Sie müssen wissen, was sie machen!"
Training mit Struktur
Es beginnt mit dem Begrüßen. Volodko demonstriert einmal kurz, wie es abläuft.
"Mädels, so Trainingsbeginn. Erst mal … Hallo wie gehts euch?" – "Gut!" – "Allen gehts gut, einfach zur Kontrolle. Dann kleiner Ablauf. Wir machen heute Erwärmung, dann machen wir ein bisschen was mit dem Seil, Überspagat, ganz normal. Am Ende, wenn ihr fleißig seid, spielen wir." – "Ja!" – "Dann kommt wahrscheinlich ein Ja und dann fängt's an, je nachdem, ob wir mit dem Seil beginnen oder mit dem Laufen."
Zuerst aber wollen die Mädchen noch selbst zu Wort kommen:
- "Wir lernen hier Spagate, Überspagat, noch Hampelmann."
- "Wir machen auch eine Kür, ganz verschiedene, das macht ganz doll Spaß."
- "Na, weil man Bewegung braucht."
- "Hier kann man viele Freundinnen kennenlernen."
Trainingsalltag. Er ist straff und kompakt organisiert – und sehr viele stemmen ihn ehrenamtlich in ihrer Freizeit. Die jungen Leute im Verein übernehmen meist die Nachwuchsarbeit und gerade ihnen fehlt dann oft der Rückhalt.
Handwerkszeug für "Gamechanger"
Das treibt auch den Basketballer Johannes Ködel um: "Wie kann man den Kindersport weiterbringen? Was können wir gemeinsam für eine Aktion machen? Jeder sagt: Ja gut, mach's halt irgendwie."
Diese Aufgabe soll für die "Gamechanger" jetzt einfacher werden, weil sie konsequent an den Themen dranbleiben: die eigene Rolle als Bezugsperson, Mentorin oder Mentor sein. Die Unterschiede in der Gruppe wahrnehmen. Alle mitnehmen und teilhaben lassen.
Die jungen Frauen und Männer sollen sich immer wieder ein Ziel setzen, damit ins Training gehen und sich untereinander darüber austauschen, wie es klappt. Silke Mayer ist überzeugt, dass sich die "Gamechanger" so mit der Zeit ein gutes Handwerkszeug erarbeiten.
"Viele treibt das Thema Kommunikation um. Nicht urteilen: Das hast du gut oder schlechtgemacht, sondern so: Ja, wir sind grad selber dran, da Worte zu finden, also vielleicht: wie gehts denn noch kraftvoller oder wirksamer? Ein Kind soll sich nicht gut oder schlecht fühlen, sondern sehen: Es geht auch um einen Prozess und nicht um ein Urteil."
Die Sportsoziologin Petry sagt: Kinder und Jugendliche sollten bei jedem kleinen Lernelement die Chance bekommen, dass sie selbst verstehen und begreifen, was gerade mit ihnen geschieht. Kleine Gesprächsrunden helfen, aber auch sogenannte Feedback-Spiele, wie zum Beispiel eines zum Thema Vielfalt und Toleranz:
"Wenn ich jetzt Jungs hab: 'Ich spiele gerne mit Mädchen Fußball' und dann gibts eine 'Ja'- und 'Nein'- und eine 'Vielleicht'- und 'Manchmal'-Ecke und dann sieht man ein bisschen übers Sich-Positionieren im Raum, wie eben Kinder sich selber einschätzen und reflektieren."
Gezielte Ausbildung von Bewegungscoachs
Auch "Football3" gilt als gute Anregung, eine Idee der weltweiten Streetfootball-Organisation Kickfair. "Fußball mit drei Halbzeiten" – in der ersten Halbzeit handeln die Mannschaften die Regeln aus, die zweite Halbzeit wird gespielt, und im dritten Teil geht es um die Frage, wer die Regeln besser eingehalten hat. Das gibt Fair-Play-Punkte und auch mit ihnen kann man siegen. Oder das beliebte "Drei gegen drei" im Streetbasketball – ohne Regeln, ohne Schiedsrichter. Da müssen jedes Foul und jeder Streitpunkt einzeln verhandelt werden.
"Das kann dann schon ein bisschen dauern, das kann auch ein bisschen lautstarker werden, aber das wesentliche Merkmal ist, dass die Kinder und Jugendlichen gemeinsam das Spiel dann weiter fortsetzen und auch ein Stück weit lösungsorientiert arbeiten. Diese Form der Reflexion ist aber auch so wichtig, weil wir wollen ja eigentlich nicht beim Sport stehen bleiben! Sondern das Ziel ist es ja, dass wir den Transfer in das Alltagserleben der Kinder schaffen!", sagt Jochen Zinner. "Man darf den Sport nicht versportlichen!"
Zinner ist Professor an der privaten Deutschen Hochschule für Gesundheit und Sport in Berlin. Hier leitet der Sportwissenschaftler ein Institut für Leistungssport und Trainerbildung, von wo aus er seit 2011 auch das Projekt "Berlin hat Talent" betreut, eine Zusammenarbeit von Landessportbund und Senat in Berlin.
Es begann damit, mit einem Motoriktest die Fitness der Berliner Drittklässler zu untersuchen, um die Talentierten herauszufiltern und zu fördern, aber auch um diejenigen in Bewegung zu bringen, die Schwächen zeigen. Schnell war klar: "Natürlich haben die zu wenig Bewegung. Aber es gibt Potenzial. 90 Prozent der Kinder freuen sich auf die Sportstunde. 70 Prozent wollen mehr Sport treiben. Das lockt doch. Mit denen muss man was machen. Das muss man bloß richtig tun."
Das Hochschulteam entschied also, gezielt Talent- und Bewegungscoachs auszubilden.
"Wer redet zehn Minuten mit denen über Fairness? Über Ernährung? Über Medien? Wer kann denn das? Wir brauchen hier Sozialakteure im Sport. Sozialentwickler."
Zinner hat auch eine genaue Vorstellung davon, was die neuen Coachs verinnerlichen sollen:
"Ich muss Aufgaben stellen, die unerwartet Erfolg bringen. Du kannst dem Kind nicht sagen: 'Mach das jetzt mal', sondern du musst einladen, ermutigen, inspirieren. Nicht 'Klettere mal hoch', sondern 'Hättest du nicht Lust, guck mal, du kommst jetzt bis hierher, hättest du nicht Lust, bis hochzuklettern? Du schaffst das!' Ein Coach, der muss möglichst Aufgaben stellen, von denen derjenige, der die kriegt, nicht so richtig glaubt, dass er das schafft. Das macht Lust. Es ist auch klar, dass man das nicht hineinreden kann, sondern das müssen die sich selber aneignen."
Selbstvertrauen, Disziplin, Ausdauer
Ein paar Tage später in Berlin-Reinickendorf. 20 junge Männer sind zum Ringertraining in die Halle einer Grundschule gekommen.
Ein Angebot der Brüder Sinan und Semsi Hanli. Der Ringer Sinan Hanli, 46 Jahre alt, in Berlin geboren, war mit 15 Jahren Jugendweltmeister, drei Jahre später gewann er nach der Gold- noch eine Bronzemedaille. 2015 gründete Sinan Hanli mit seinem Bruder Semsi, auch er ein erfolgreicher Sportler, den Verein KSV-Reinickendorf-Ringen.
Während sein Bruder schon die Aufwärmrunden gestartet hat, sitzt Sinan Hanli noch kurz an einem kleinen Tisch vorn im Geräteraum. Heute war hier bereits einiges los, wie er berichtet:
"Heute war schon eine Mädchengruppe da, eine Einsteigergruppe, die sind zwischen acht und elf; dann haben wir die fortgeschrittenen Kinder, das nennen wir schon eine Wettkampfgruppe; und jetzt sind die großen Jugendlichen dran. Das sind meistens Jugendliche mit Migrationshintergrund."
Sie alle versucht er, möglichst unterschiedlich und optimal zu fördern, sagt der ehemalige Weltmeister. Der sehr freundliche, kleine und kräftige Mann ist deshalb neuerdings auch zertifizierter Talent- und Bewegungscoach.
"Ich habe sehr viel gelernt", sagt Hanli. "Pädagogik und Trainingsmethodik und vieles mehr. Dass alle Kinder und Jugendlichen unterschiedlich sind, man muss sie unterschiedlich behandeln. Das hat mir sehr, sehr viel gebracht. Ich kann den Jugendlichen und Kindern beim Technikerklären besser helfen, zum Beispiel indem ich mich in deren Augenhöhe begebe und mit einer gedämpften Stimme alles erkläre."
Denn Sinan Hanli möchte vor allem eines: Respekt vermitteln.
"Gegenüber dem Gegner, gegenüber Menschen, Frauen vor allem. Indem man erstens das vorlebt, indem man selbst als Trainer zum Beispiel nicht ausrastet, fast in jeder Situation Herr der Lage ist, dass man versucht, alle Fragen zu beantworten."
Auf den Matten ringen die jungen Männer inzwischen in Zweier- und Dreierteams miteinander. Man trainiert hier Selbstvertrauen, Disziplin und Ausdauer, sagen die beiden Brüder Ali und Fatih. Milenko ist 15:
"Man lernt halt auch, dass man nur Gewalt anwendet, wenn man auch muss. Und nicht, weil man einfach mal Bock draufhat. Man muss natürlich auch wissen, wann man das benutzen darf. Wenn zum Beispiel so ein Typ, der zwei Köpfe kleiner ist als du, dich anmachen will oder mit dir kämpfen will, dann gehst du einfach weg. Aber wenn jetzt jemand, der schon so groß ist wie du, dich anmachen will, dann kannst du diese Techniken benutzen. Wenn ein Kleinerer oder Schwächerer dich angreift, machst du halt mehr mit Wörtern. Auch, weil er dir ja nicht wirklich weh tun kann, wenn er viel kleiner ist und schwächer ist."
"Kommunikation ist ganz wichtig heutzutage", sagt Hanli. "Da muss man sehr viel drauf eingehen. Dass man seine Wünsche äußern muss, und zwar auf eine nette Art und Weise. Wenn man dann mit etwas nicht einverstanden ist, dann muss man das auch sagen und nicht anstauen lassen und dann irgendwann auf eine aggressive Art und Weise explodieren."
In Schulen bietet Sinan Hanli immer wieder Antigewalttrainings an. Sein breites Engagement macht deutlich, wie sich der Sport mit vielen Sozialprojekten überschneidet. Darauf reagieren die Akteure: Der Sportwissenschaftler Jochen Zinner etwa gründete 2019 in Berlin den neuen Bachelorstudiengang "Soziale Arbeit und Sport". In Wien gibt es bereits einen Nachfolger.
Auch die Sportsoziologin Karen Petry meint, dass man beides gut miteinander kombinieren kann:
"Es gibt zum Beispiel hier im Kölner Raum eine Organisation, die heißt 'Rheinflanke'. Die machen eine fantastische pädagogische Arbeit mit genau diesen Ansätzen, die genau diese Bildungspotenziale freisetzt in sogenannten sozialen Brennpunkten. Ich glaube, dass wir von diesen Trägern, die in dem Thema wirklich auch schon große Expertise haben, im normalen Verein sehr viel profitieren könnten. Wenn also Methoden auch aus der Jugendsozialarbeit in diese Vereinsarbeit stärker integriert werden würden."
Silke Mayer sagt im Büro der Dirk-Nowitzki-Stiftung dazu:
"Die Kombination aus Sport, sozialer Arbeit und Bildung ist eigentlich genau mein Feld, wo ich mich richtig wohlfühle, und das ist eigentlich die Mischung, die von uns selber auch als sehr wertvoll angesehen wird, sonst bewegt man sich doch immer in seinem Töpfchen. Da mal übern Tellerrand raus zu schauen und auch Sport und soziale Arbeit zusammenzubringen, das ist einfach so unser Steckenpferd, und das klappt da auch sehr gut in der Ausbildung."
Gute Kommunikation und Partizipation
Da wünscht sich die Stiftungsleiterin, dass noch viel mehr junge Menschen aus Sozialprojekten "Gamechanger" und "Gamechangerinnen" werden. Denn noch kommen überwiegend Frauen und Männer aus den Vereinen in das Programm.
Dort im Vereinssport fordert der Basketballtrainer Johannes Ködel aber auch mehr Anerkennung und feste Stellen:
"Dass es wirklich nachhaltig mal ein Konzept gibt, dass man sagt: Pass auf, hier zusammen, keine Ahnung, mit der Stadt, mit Sponsoren, dass man hier was aufbaut."
Einstweilen achtet er jetzt mit vielen neuen Impulsen auf Teambildung, gute Kommunikation und Partizipation. Und vor allem darauf, dass er den jungen Basketballern zuhört.
Maximilian, Liam und Johannes sollen das Schlusswort haben: "Was habt ihr für euch gelernt beim Basketball?"
Maximilian: "Mein Selbstwertgefühl zu steigern, und dann habe ich gelernt, mich selbst mehr zu schätzen."
Liam: "Sachen, die ich noch nicht konnte, auszuprobieren."
Johannes: "Dass man nicht immer selber den Ball hat. Dann macht's eigentlich auch immer mehr Spaß. Oder wenn man selber merkt, dass man jetzt wirklich sich gesteigert und was gelernt hat. Du brauchst schon Lust und Spaß, aber das hast du eigentlich am Basketball."