Jugend in Athen

"Griechenland zerschneidet dir deine Träume"

Studentinnen warten in einem Gebäude der Pantion Universität in Athen
Studentinnen warten in einem Gebäude der Pantion Universität in Athen © dpa / picture alliance / Socrates Baltagiannis
Von Panajotis Gavrilis |
Sie jobben für vier Euro pro Stunde und wohnen noch bei ihren Eltern. Von eigenen Kindern reden sie nicht, es geht jetzt nur ums Überleben. Viele junge Griechen erwarten nichts mehr von der Regierung.
"Hier ist dein Kaffee, auf dein Wohl!" – Panagiota Papadimitriou serviert einen eisgekühlten aufgeschäumten Espresso im Glas. Vier Mal die Woche arbeitet sie im Café "Karagiozis" in Exarchia, dem alternativen Stadtteil Athens. Mit gerade einmal vier Euro die Stunde kommt sie am Monatsende auf 300 Euro. Immerhin, findet sie. Ihren Freundinnen geht's viel schlechter:
"Weil sie keinen richtigen Job finden, müssen sie ihre Ansprüche so herunterschrauben, um mit einem Stundenlohn von 2,50 Euro klarzukommen."
Fast jeder zweite zwischen 15 und 24 Jahren hat in Griechenland keinen Job. Viele halten sich wie die 22-jährige Panagiota mit kellnern über Wasser. Die studierte Logopädin traut sich nicht, in ihrem Beruf zu arbeiten, es ist ihr zu unsicher. Niemand gebe jetzt für teure Logopädie-Stunden Geld aus. Wegen der schwierigen Situation ist sie umso glücklicher, dass sie noch zuhause wohnt:
"Ich teile mir die Kosten mit meinen Eltern. Sonst wäre es sehr schwierig. Ich könnte nicht alleine leben. Meine Eltern helfen mir, sie kochen einfach etwas mehr Essen. Ihnen wurde auch der Lohn gekürzt, aber sie haben zum Glück noch Arbeit. Meine Schwester und ich sind erwachsen und gehen arbeiten. Wenn wir jetzt noch kleine Kinder wären, das wäre viel schwieriger."
Der familiäre Zusammenhalt ist für Panagiota wie für viele Menschen in Griechenland die einzige Überlebenschance. Für die 22-Jährige aus Athen ist klar: Die junge Generation in Griechenland ist so oder so verloren:
"Wenn wir alle weggehen, das wäre katastrophal. Was mich hier noch hält? Meine Leidenschaft: Die Schauspielerei, das Theater. Eigentlich denke ich, dass ich wegen meiner Träume hier bleibe, aber es ist eher so: Griechenland zerschneidet dir deine Träume."
Die 27-jährige Nansy hat schon lang keine Träume mehr. Die ausgebildete Kosmetikerin zupft Augenbrauen und lackiert Fingernägel − zehn Stunden am Tag, drei Mal die Woche. Nur zwei Tage davon ist sie über den Arbeitgeber versichert. Den dritten Tag arbeitet sie ohne Sozialversicherung, illegal. Das ist die Regel, nicht die Ausnahme:
"Ich arbeite hart, um zu überleben. Ich werde es wohl nicht erleben, aber sollte ich mal Kinder, Enkel kriegen, dann sollen sie eine bessere Zukunft haben. Das, was auch meine Eltern für mich wollten. Jetzt ist es für mich schlimmer als früher für sie. Heute überlegst du dir: Was mache ich mit fünf Euro in der Woche? Kaufe ich mir was zu essen? Das ist kein einfaches Leben."
Nansy kann sich ihre Kosten nicht mit den Eltern teilen, die wohnen weit weg. Wenn die Miete und Nebenkosten bezahlt sind, bleiben der 27-Jährigen noch 120 Euro für einen ganzen Monat. Trotzdem hat sie sich jetzt ein Busticket in ihre Heimatstadt geleistet, denn nur dort kann sie am Referendum teilnehmen. Sie wird für NEIN stimmen, doch für sie geht es nicht um ein Kreuzchen. Sie will am liebsten, dass sich grundlegende Dinge ändern:
"Die Gesellschaft muss ihr Schicksal in die Hand nehmen. Sie muss sich selbst organisieren. Und wir sollten aufhören, auf irgendeine Regierung hier zu hoffen, die uns retten kommt. Jede Regierung interessiert sich nur für sich selbst."
Die Kellnerin Panagiota wäre schon froh, wenn Arbeitsplätze gerechter verteilt würden. Egal, wie gut junge Menschen ausgebildet sind – aus ihrer Erfahrung zählen für Jobs in Griechenland am Ende immer noch Beziehungen:
"Wenn du versuchst, es nicht zu tun, ist es sehr schwer. Du bist immer in der Minderheit und wenn du es ein, zwei, drei oder vier Mal versuchst ohne Kontakte, und du siehst, dass andere vorankommen, weil sie jemanden kennen, dann reißt dir das die Flügel ab. Dann machst du es auch wie alle anderen auch. Das ist das Schlimme mit Griechenland."
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