Religionsunterricht für muslimische Häftlinge
Seit einem Jahr gibt es in der Haftanstalt in Hameln für Muslime eine geregelte Betreuung durch einen Seelsorger. Das Landesjustizministerium hat seinen Segen gegeben: Ahmed Erdal soll verhindern, dass sich die jungen Männer nach ihrer Entlassung radikalisieren.
Ahmed Erdal wirkt dort, wo die Not am größten ist. An diesem Morgen im schmucklosen Schulungsraum der Jugendanstalt Hameln. Hier spricht der Imam von den fünf Säulen des Islam und fünf junge Männer lauschen ergriffen. Sie tragen Trainingsanzüge, Turnschuhe.
"Das Erste: Glaubensbekenntnis, das heißt Schahāda. Was bedeutet das?"
"Das bedeutet: Es gibt keinen Gott außer Allah und ich glaube an seinen Abgesandten Mohammed."
"Das bedeutet: Glaube an Allah, Glaube an Bestimmung und Führung, das sowohl das Gute als auch Böse von Allah ist, Glaube an den jüngsten Tag. Wir machen zusammen!"
Der Imam ist ein Meister der leisen Töne. Und eine elegante Erscheinung. Das schwarze Haar akkurat gescheitelt, die Brille modern, der Bart gepflegt. Zweimal im Monat trifft Erdal seine Schützlinge. Dann rückt die kleine Gemeinde hinter Gittern Tische und Stühle zur Seite, rollt Teppiche aus, um zu beten. Doch Erdal, Vater von vier Söhnen, geht mitunter auch ganz weltlich ans Werk: Er spielt Tischtennis mit den Glaubensbrüdern, spendiert ihnen Datteln oder Baklava, vermittelt mitunter auch psychologische Hilfe.
"Durch Liebe, mit Respekt und durch meine menschliche Beziehung haben wir das Vertrauen gebaut und gewonnen, Gottseidank! Ich biete religiöse Themen wie zum Beispiel Ehrlichkeit, Glaubwürdigkeit, Moral, Hilfsbereitschaft. Normalerweise wir reden nicht über die Salafisten. Aber über die Gefährdung des IS für jugendliche Muslime. Und ich erkläre manchmal, wenn die Frage haben, das ist kein Islam. Wir müssen mit einander akzeptieren, egal welche Religion. Wir sind Menschen, wir sollen Respekt haben!"
Jeder dritte Häftling ist ausländischer Herkunft
464 Häftlinge sitzen in Hameln ein, verbüßen Freiheitsstrafen von 6 Monaten bis 10 Jahren. Fast jeder dritte Häftling ist ausländischer Herkunft.
"Die meisten von ihnen sind neu in Deutschland. Aber wenn sie aus dem Gefängnis entlassen werden, Deutschland wird ihre Heimat sein. Ich biete eine Beratung, damit sie außerhalb des Gefängnisses eine gute Rolle in der Gesellschaft spielen können. Der authentische Islam bedeutet Frieden, Hilfsbereitschaft und liebe den Nächsten."
Seit einem Jahr gibt es für Häftlinge muslimischen Glaubens eine geregelte Betreuung durch Seelsorger. Ausgewählt und ausgebildet werden sie von den muslimischen Verbänden, das Landesjustizministerium gibt seinen Segen dazu. Ahmed Erdal stammt aus der Türkei, hat den Islam im syrischen Damaskus studiert. Er klagt: Wie so viele Muslime in der Diaspora wüssten seine Schützlinge herzhaft wenig über ihre Religion.
"Früher, als ich noch draußen war, in Freiheit, da war mir das nicht so wichtig, da hatte ich andere Sachen zu tun. Aber jetzt, hier drinnen, ist das natürlich sehr wichtig, weil das hilft einem, mit der Situation hier klar zu kommen", ...
...bekennt Chokri, der eigentlich anders heißt.
"Sünde ist hier ein Thema"
"Wir sprechen natürlich jedes Mal über andere Themen, die uns auch interessieren. Zum Beispiel letztes Mal haben wir über Gewalt und Wutausbrüche und so etwas gesprochen. Wenn ich an meine Zukunft denke, dann möchte ich auf jeden Fall nie mehr ins Gefängnis kommen - und die Religion wird mir da sehr helfen bei!"
Funkspruch: "Herr Müller, bitte melden!"
"Ich erlebe teilweise die Veranstaltungen mit und nehme eben war, wie sehr die jungen Leute hier religiöse Fragen bewegen. Sünde ist natürlich hier bei den jungen Leuten ein Thema. Und ich erlebe dann hier die Imame als Männer, die auch gut vorbereitet sind, genau auf diese Dinge auch einzugehen", ...
...lobt Dietmar Müller die vertrauensvolle Zusammenarbeit. Der erfahrene Vollzugsbeamte koordiniert den Einsatz der Imame. Vom gesellschaftlichen Nutzen ist Müller überzeugt.
"Die Stunde mit Herrn Erdal heute war im Grunde klassischer Religionsunterricht. Und das wirkt in jedem Fall präventiv, wenn die jungen Leute über den Koran, über den Islam Bescheid wissen. Das ist ein ganz wichtiger Aspekt, dass sie sich auskennen, um eben auch Parolen, die selektiv da irgendwo rausgesucht werden, begegnen zu können. Und das erschwert es dann auch schon, Feindbilder zu entwickeln."
Natürlich sei der Islam ein Teil von Deutschland, sagt Ahmed Erdal während Dietmar Müller eine schwere Eisentür nach der anderen öffnet und den Imam nach gut zwei Stunden wieder in die Freiheit entlässt.