Jugendprojekte in Bad Dürkheim

Mit Trampolinen gegen Politikverdrossenheit

07:59 Minuten
Ein Mädchen springt in einem Garten auf einem Trampolin.
Freizeit für alle: In Bad Dürkheim können Jung und Alt sich gemeinsam fit halten. © dpa Themendienst
Von Anke Petermann |
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Im rheinland-pfälzischen Bad Dürkheim wurde auf Betreiben von Jugendlichen ein Freiluftfitnessstudio eröffnet. Mit Erfolg. Denn das Projekt zeigt, dass sich junge Leute in ihren Kommunen engagieren, wenn das gewünscht ist.
Dicke Regenwolken hängen am Abendhimmel von Bad Dürkheim. Bei besserem Wetter müsste man vor dem Trampolin im Kurpark vermutlich Schlange stehen.
"Macht schon richtig Laune, wie früher!"
"Und es ist auch noch sportlich."

Ein Sportpark für alle

Der sogenannten Calisthenics Park mit Trampolin, Balancegeräten, Kletter- und Hangelgerüst – ein beliebtes Freiluftfitnessstudio fürs Trainieren mit dem eigenen Gewicht. Kinder, Jugendliche, erwachsene Reha-Patienten und Spaziergänger probieren sich hier aus. Philipp Schreiner und Sophia Faißt, beide um die 20, freuen sich über das, was das Jugendkomitee von Bad Dürkheim in den vergangenen drei Jahren erreicht hat.
"Hier sind Jüngere, hier sind Ältere, und alle trainieren zusammen und verbringen hier Zeit."
"Es ist ein gesunder Sport, es ist eine Möglichkeit, hier vor allem umsonst – es gibt keine Schwelle, man muss nichts bezahlen, sich körperlich zu betätigen. Sport verbindet. Einfach gemeinsam hier zusammen unser schönes Bad Dürkheim genießen zu können, das war der Anspruch."
Sophia Faißt und Philipp Schreiner vom Jugendkomitee hangeln sich auf einem Gerüst im "Calisthenics Park" in Bad Dürkheim entlang.
Sophia Faißt und Philipp Schreiner vom Jugendkomitee in Bad Dürkheim am Gerüst im „Calisthenics Park“.© Deutschlandradio / Anke Petermann
Dieser ist aufgegangen, bilanziert Sophia Faißt, hängt sich ans Metallgerüst und hangelt sich geschickt von einer Sprosse zur nächsten.
"Rutschig. Dass wir hier noch einen so tollen Platz bekommen haben, dass der wirklich so schön zentral und an der Saline im Grünen ist, das ist wirklich perfekt geworden, genauso wie wir uns das gewünscht haben."

20.000-Einwohner-Stadt am Pfälzerwald

Ein Jugendprojekt nicht am Rand, sondern mitten im grünen Herzen einer Kommune – das gehört immer noch zu den positiven Ausnahmen, weiß Nadya Konrad, Bildungsreferentin beim Landesjugendring. Im Rahmen des Modellprojekts "Gute Jugendpolitik" coacht der gemeinnützige Verein parteiübergreifende Jugendvertretungen, unterstützt vom Land Rheinland-Pfalz. Wenn es gut geht, so erfolgreich wie in der 20.000-Einwohner-Stadt am Pfälzerwald.
"In Bad Dürkheim hängt es mit der Verwaltungsspitze, dem Bürgermeister, aber auch mit dem Stadtrat zusammen. Die sich wirklich für die Belange der Jugendlichen interessieren und ihnen den gleichen Wert einräumen wie allen anderen Belangen und sie dann umsetzen, wenn es möglich ist. Vielversprechend."
2017 votierte die Stadtratsmehrheit für den Eigengewichtstrainingspark, den sich junge Dürkheimer auf dem ersten Jugendkongress im Jahr zuvor ausgedacht hatten. Im Haushalt 2018 stellte die Stadt 50.000 Euro dafür bereit, 13.000 schoss die örtliche Volks- und Raiffeisenbank zu.

"Wo hakt es gerade"

Selbstläufer sind Jugendkomiteeprojekte nicht. Ein harter Kern von zwei Dutzend 14- bis 27-Jährigen bringt viel Zeit auf für monatliche Vollversammlungen und spezielle Arbeitsgruppen für Einzelprojekte. Derzeit plant das Gremium einen Grillplatz, beschäftigt sich dafür mit Brand- und Naturschutz, stimmt sich mit Anwohnern ab. Der Landesjugendring und einheimische Kommunalpolitiker fungieren als Ansprechpartner, erläutert Nadya Konrad:
"Also, gerade für so komplexe politisch Prozesse braucht man auch Erklärungen: Was passiert, mit wem muss gesprochen werden, wie sind die Verwaltungsabläufe, wo hakt es gerade – das ist ein sehr langer Prozess, den wir unter politische Bildung fassen, der die Jugendlichen dann mit zum Ziel nimmt."
Und weil manche im Zuge der Teilhabe parteipolitische Vorlieben entwickeln, bringt dieser Prozess auch Nachwuchs für die Parteien und Kandidaten für die rheinland-pfälzische Kommunalwahl hervor. In Bad Dürkheim profitieren Christ-, Frei- und Sozialdemokraten davon. Philipp Schreiner geht am Sonntag für die SPD ins Rennen. Er will sich noch breiter engagieren. Fürs Jugendkomitee saß er bislang im Sozialausschuss der Stadt.
"Aber ich möchte das Ganze auch in die politischen Gremien bringen, damit ich mich weiterhin einsetzen kann – nicht nur im Sozialausschuss, sondern auch in die anderen Gremien."

Von Freizeit- zu Nachhaltigkeitsthemen

Auch Sophia Faißt will nach dem Ausscheiden aus dem Jugendkomitee kommunalpolitisch aktiv bleiben. Derzeit verschiebt sich der Fokus von dessen Aktivitäten: Von Freizeitprojekten, die bisher dominierten, hin zu Nachhaltigkeitsthemen.
Das Gremium will einen fairen Verteiler, Kurzform "Fairteiler", einrichten, wo überschüssige Lebensmittel von Einzelverbrauchern abgeholt werden können, eventuell koordiniert über eine App.
"Also einfach weniger verschwenden", resümiert die 20-jährige Dürkheimerin. Die Jugendvertretungen in Rheinland-Pfalz vernetzen sich landesweit in einem Dachverband. Mindestens einmal im Jahr kommen sie zusammen, um sich auszutauschen, erzählt der Softwareentwickler Philipp Schreiner.
Dass das Jugendkomitee im kleinen Bad Dürkheim mit eher informellen Strukturen nach Luxemburger Modell gut läuft, hat sich herumgesprochen. "Wir funktionieren", witzelt die angehende Tischlerin Sophia Faißt, "deshalb werden wir auch dorthin eingeladen, wo Jugendvertretungen gegründet werden sollen."

Jede Stadt ihr eigenes System

"Das letzte Mal war in Bingen, die haben angefragt, ob nicht jemand von seinen Erfahrungen berichten kann. Es wurden auch von anderen Städten, die etwas formellere Jugendparlamente haben, Mitglieder eingeladen, um auch verschieden Systeme beleuchten zu können: Eben dieses Parlamentssystem und unser 'Luxemburger Einschreibesystem', weil jede Stadt ihr eigenes System finden muss, was passt. Da wir eine kleine Stadt sind, die relativ nah beieinander sitzt, ist das relativ einfach, auch so ein sehr unverbindliches System zu haben."
Der harte Kern von 20 Aktivisten bleibt dennoch am Ball, beobachtet Faißt. Kommunen profitieren davon, wenn sie Jugendliche beteiligen und zum Engagement ermutigen, glaubt Nadya Konrad als Bildungsreferentin des Landesjugendrings.
"Gerade auch langfristig, weil die Bindung der jungen Menschen an eine Stadt, in der sie mitgestalten dürfen, natürlich viel höher ist. Und gerade in Rheinland-Pfalz haben wir häufig das Thema Landflucht. Und wenn Jugendliche bei sich verankert sind vor Ort, dann kommen sie nach dem Studium auch wieder, wenn sie Familie gründen."

Jugendliche mehr in Politik einbinden

14- bis 27-Jährige politisch einzubinden, habe für die Kommunen allerdings einen Preis, nämlich die Abkehr von alten Gewohnheiten:
"Man muss sich natürlich auf was Neues einlassen, und man muss sich auf einen Prozess einlassen, wo man nicht weiß, was rauskommt – ob einem das jetzt passt oder nicht."
Denn den Nachwuchs nur anzuhören und dann im Stadt- oder Gemeinderat weiterzumachen wie bisher, schüre Politikverdrossenheit. Nur wer sich ernst genommen fühle, bleibe bei der Stange, bestätigt Philipp Schreiner. Den wirksamsten Schritt Richtung kommunalpolitischer Teilhabe müsse das Land aber noch gehen – da ist sich Nadya Konrad mit den jungen Dürkheimern einig: Auch Rheinland-Pfalz sollte das Wahlalter endlich auf 16 Jahre herabsetzen, wie in sieben anderen Bundesländern schon geschehen.
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