Julia Ebner: "Radikalisierungsmaschinen"

Unterwegs in den Maschinenräumen der Extremisten

07:21 Minuten
Das Buchcover des Sachbuchs "Radikalisierungsmaschinen" vor einem grafischen Hintergrund
Für "Radikalisierungsmaschinen" ging Julia Ebner dorthin, wo die Motoren extremistischer Bewegungen laufen. © Suhrkamp Verlag
Von Marcus Pindur |
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Für ihre Recherche ist Julia Ebner einem Dutzend technikaffiner, radikaler Gruppen beigetreten: In ihrem Buch beschreibt die Sozialwissenschaftlerin nun aus erster Hand, wie Extremisten Hass und Rassismus verbreiten – mithilfe moderner Technologie.
Wir sind derzeit Zeugen einer toxischen Paarung des Extremismus: rückwärtsgewandte Gesellschaftsentwürfe kombiniert mit technologischem Fortschritt. Julia Ebner ist Sozialwissenschaftlerin am Londoner Institute for Strategic Dialogue und beobachtet extremistische Gruppen in Europa und Nordamerika. Sie berät Regierungen, Sicherheitsdienste und Tech-Unternehmen.
Ihre Einblicke empfand sie irgendwann als einseitig. Sie lieferten ihr nur die Katzenperspektive auf das Katz-und-Maus-Spiel zwischen denjenigen, die unsere Demokratien zerstören wollen, und denjenigen, die sie zu schützen suchen.

Ins Innere extremistischer Gruppen vorgedrungen

Um zu verstehen, was die derzeitigen Turbulenzen in vielen Gesellschaften anrichtet, ist die Autorin ins Innere extremistischer Gruppen vorgedrungen, in die Maschinenräume, dorthin, wo die Motoren extremistischer Bewegungen laufen. Dort kann man gut beobachten, wie extremistische Gruppen funktionieren. Wie mobilisieren sie ihre Unterstützer? Wie werben sie um neue Mitglieder? Wer ist anfällig für extreme Ideologie? Welche Vorstellungen haben die Extremisten von der Zukunft?
Um darauf Antworten zu erhalten, war Julia Ebner zwei Jahre "under cover" unterwegs. Sie ist einem Dutzend technikaffiner, extremer Gruppen quer durch das ideologische Spektrum beigetreten – Dschihadisten, christliche Fundamentalisten, weißen Nationalisten, Verschwörungstheoretikern, radikalen Frauenfeinden und Hackern.

Gefährliche Recherche quer durch das ideologische Spektrum

Bei dieser gefährlichen Recherche hat sie beobachtet, wie Extremisten Terroranschläge planen, Desinformationskampagnen starten und Einschüchterungsfeldzüge verabreden. Auf den ersten Blick haben alle diese Gruppen wenig gemeinsam, doch bei näherem Hinsehen ist ihre interne Funktionsweise sehr ähnlich: Ihre Anführer generieren abgekapselte soziale Blasen, in denen sie zu antisozialem Verhalten gegenüber der restlichen Welt aufrufen.
Die Anhänger werden durch ein gezieltes soziales Belohnungssystem bei der Stange gehalten, meist durch Anerkennung und eine fast familiäre Struktur. Und die Mitglieder verbreiten weltweit antiglobalistische Botschaften und nutzen hochmoderne Technologie und die weiten Räume der sozialen Netzwerke - sowie eigener Internetplattformen und Apps.
In ihrem Buch beschreibt Julia Ebner aus erster Hand und sehr anschaulich, wie Extremisten Hass, Verschwörungstheorien und Rassismus verbreiten.

Julia Ebner: "Radikalisierungsmaschinen. Wie Extremisten die neuen Technologien nutzen und uns manipulieren"
Suhrkamp Verlag, Berlin 2019
336 Seiten, 18 Euro

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