Wie Extremisten das Netz nutzen, um die Öffentlichkeit zu manipulieren
25:26 Minuten
Extremistische Gruppen rekrutieren Anhänger häufig über Kanäle im Internet. Gezielt richten sie sich an Netz-Communities wie zum Beispiel die Gamer-Szene, sagt Julia Ebner. Für ihr Buch "Radikalisierungsmaschinen" war sie undercover in solchen Gruppen unterwegs.
Eine breite kulturelle Offensive von extremistischen Gruppen droht unser "Informationsökosystem" zu stabilisieren. Zu diesem Schluss kommt die 28-jährige Extremismusforscherin Julia Ebner. Für ihr Buch "Radikalisierungsmaschinen" hat sich Ebner in 12 extremistische Gruppen im Netz eingeschleust, um deren Strategien zu analysieren, neue Anhänger zu gewinnen und politische Propaganda zu machen.
Das tun diese Gruppen offenbar sehr geschickt: Bei der Verwendung neuer Technologien seien Extremisten den anderen einen Schritt voraus, warnt Ebner. Beispielsweise nutzten sie für ihre Social-Media-Kampagnen die Struktur der Algorithmen perfekt für ihre Zwecke aus, "um zu einer kompletten Wahrnehmungsverzerrung im Online-Raum zu führen".
Sind Gamer besonders anfällig für Extremismus?
Gezielt richteten sich Extremisten auch an bestimmte Communities, zum Beispiel die Gamer-Szene - der etwa der Attentäter von Halle angehörte, der am 9. Oktober zwei Menschen tötete.
"Extremistische Bewegungen haben es geschafft, ihre Recruiting-Methoden zu gamifizieren und verwenden definitiv sehr viel vom Vokabular, den Referenzen und von diesen kulturellen Elementen der Gaming-Kultur und richten sich auch teilweise an diese Gamer-Szene, um neue Mitglieder zu rekrutieren", so Ebner.
Sie sieht zwar bei Gamern eine "höhere Tendenz", auch tatsächlich in extreme Kanäle rekrutiert zu werden - genauso wie es bei "den deutschen Behörden oder beim Militär es tendenzielle höhere Raten gibt von Rekrutierung in rechtsextreme Kanäle und Netzwerke".
Dennoch dürfe man nicht die gesamte Gaming-Community dämonisieren: "Es ist eher so, dass es extremistische Gruppen ganz gezielt darauf ausgelegt haben, in diese Gaming-Plattformen zu gehen und auf diesen Gaming-Foren ihre Propaganda zu posten und die anzupassen an diese Gamer-Szene und auch diese Begriffe zu kapern und die Elemente in der Rekrutierung auch wieder hier zu gamifizieren." Das habe sich nicht nur beim jüngsten Anschlag in Halle gezeigt, sondern auch schon bei Christchurch in Neuseeland und in den USA.
Drohungen und Hasskampagnen
Im Umgang mit Medien verfolgten Extremisten drei Strategien, sagt Ebner: Zum einen versuchten sie, durch provokante Aktionen die Aufmerksamkeit einer breiteren Öffentlichkeit zu bekommen.
Zum anderen würden gezielt "Establishment-Journalisten" bedroht und diskreditiert: "Nicht nur in Deutschland, sondern auch in GB und den USA. Es ist wirklich ein weltweites Phänomen", betont die in England lebende Extremismusforscherin, die diese Strategie am eigenen Leib erlebt hat: Nachdem sie einen Kommentar in der Zeitung "The Guardian" veröffentlicht habe, sei eines Tages plötzlich Tommy Robinson, der Gründer der nationalistischen, rechtsextremen "English Defense League" mit der Kamera in der Hand in ihrem Büro aufgetaucht und habe sie konfrontiert, sagt Ebner. "Ich hätte nie damit gerechnet, dass das überhaupt möglich ist, dass so ein für mich harmloser Artikel dazu führen kann, dass es so eine riesige Hasskampagne geben kann mit Morddrohungen und einer direkten Konfrontation in der realen Welt."
Als dritte Strategie gehe es den Extremisten darum, Falschmeldungen zu verbreiten und Desinformationskampagnen zu machen. Insgesamt führe das zu einer "Destabilisierung des gesamten Informationsökosystems", warnt Julia Ebner.
(uko)