Julia Friedrichs: "Crazy Rich"

Raus aus dem Reichtum

06:31 Minuten
Buchcover von "Crazy Rich"
© Berlin Verlag

Julia Friedrichs

Crazy Rich. Die geheime Welt der SuperreichenBerlin Verlag, Berlin 2024

384 Seiten

24,00 Euro

Von Susanne Billig |
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2,6 Millionen Euro Miete nimmt die deutsche Werft Lürssen für eine Luxusjacht pro Woche – und hat keine Probleme, Kunden zu finden. Julia Friedrichs schreibt in "Crazy Rich" über Superreiche und wie Vermögen Psyche, Gesellschaft und Demokratie formt.
In „Crazy Rich“ taucht Julia Friedrichs in die Welt der Superreichen ein und macht gleich zu Beginn klar: Das Sprechen über Reichtum ist hierzulande gravierend unterentwickelt. Vermögensverhältnisse gelten als Tabuthemen, weshalb die meisten Menschen von „Reichtum“ nur eine schwammige Vorstellung haben. Dabei liegen zwischen einem Angestellten, einer Spitzenbeamtin und Leuten, die hunderte Millionen oder gar 200 Milliarden Euro ihr Eigen nennen, Welten.

Abwechslungsreiche Recherchereise

Um zu erkunden, wie immense Vermögen die Psyche der Besitzenden, aber auch Gesellschaft und Demokratie formen und welche Wissenslücken es beim Thema Superreichtum gibt, macht sich die Autorin in ihrem Buch auf eine abwechslungsreiche Recherchereise.
So konsultiert sie die ökonomische und soziologische Reichtumsforschung, die mit einem eklatanten Mangel an Daten ringt. Der deutsche Staat tut nicht viel für Transparenz; von Amts wegen wird keine offizielle Vermögensstatistik erhoben. Deshalb lassen sich, bemängelt Julia Friedrichs, selbst banale Fragen nicht sicher beantworten. So weiß niemand, wie viele Milliardäre und Multimilliardäre es in Deutschland genau gibt, wer zum Kreis der Superreichen zählt, wie viele Billionen sie genau besitzen, welchen Anteil am deutschen Gesamtvermögen das ausmacht und ob ihr Reichtum aus Firmen, Aktien oder Immobilien besteht.

Ringen um Normalität

Julia Friedrichs gelingt es auch, erhellende Gespräche mit Superreichen und ihren privaten Vermögensverwaltern zu führen, viele davon unter dem Siegel der Anonymität. Spannend erzählt sie davon, wie schwierig sich die Gesprächsanbahnungen und wie sperrig, arrogant oder entgegenkommend sich die Unterhaltungen gestalten.
„Sebastian“ läuft durch das gesamte Buch mit, dessen Milliardenerbe so tief im Familienbesitz verwoben ist, dass er es nicht abstoßen kann. Wie Sebastian in stundenlangen Gesprächen mit der Autorin über Reichtum und elitäres Denken sinniert, Fragen der Gerechtigkeit erwägt und sein persönliches Bemühen um Normalität und unbelastete Freundschaften schildert, gehört zu den Höhepunkten des Buches.
Am anderen Ende des Sympathiespektrums bewegt sich Theo Müller, rund drei Milliarden Euro reich geworden mit der Idee, aus austauschbarer Milch die teure Markenware „Müllermilch“ zu machen. Er sagt ein Interview zu, bedingt sich aber aus, dass Julia Friedrichs zuvor das uralte Werk eines ultraliberalen Ökonomen zu lesen hat – und sagt, nachdem sie sich durch das menschenverachtende, misogyne Buch gequält hat, das Interview wieder ab.

Geld zurückfließen lassen

Den emotionalen Passagen des Buches fügt die Autorin viele informative hinzu. Es geht um Steuermoral und Parteispenden, Reichtum als Klimakiller und Wohltätigkeit nach Gutdünken – aber auch das Bemühen um demokratiepolitisch verantwortungsvolle Möglichkeiten, den eigenen Geldüberhang an die Breite der Gesellschaft zurückfließen zu lassen.
Wenn Julia Friedrichs am Ende ihres Buches Vorschläge auffächert, wie sich Überreichtum begrenzen ließe, hat sie eines ihrer Ziele schon erreicht: Über exorbitanten Reichtum muss offener gesprochen werden, von denen, die ihn mit mulmigem Gefühl besitzen, denn die gibt es – und von allen anderen auch.


 

 


 

 
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