„Blade Runner" trifft Mittelalter
Hier verschmelzen Vergangenheit und Zukunft: Zu ihrem neuen Album inspirierten die US-amerikanische Musikerin Julia Holter nicht nur ein Film-Klassiker und allegorische Tierbücher, sondern auch libanesische Kurzgeschichten. Ein Hörerlebnis.
Es beginnt mit Chaos und es bleibt erst mal chaotisch, kakophonisch, anstrengend. Julia Holters 5. Studioalbum ist ein herausforderndes Hörerlebnis. Die 33-jährige Musikerin aus Kalifornien kann sich zwar nicht genau erklären, warum dieses Album so klingt wie es klingt, aber sie fühlt sich manchmal wie in einer Voliere mit kreischenden Vögeln: "In dieser Voliere sind Tauben, vielleicht eine Eule, Sittiche. Irgendwann während der Arbeit am Album hab ich mir dieses Bestiarium angeschaut, mit einer Liste, wofür die Tiere im Mittelalter standen. Ich glaube, Tauben sind mit der Erinnerung verknüpft."
"Angst und Beklemmung"
Nicht nur ein mittelalterliches allegorisches Tierbuch diente Julia Holter zur Inspiration, sondern auch die Kurzgeschichten der libanesischen Künstlerin Etel Adnan. Die 93-Jährige schreibt über Kriege, und was sie mit Menschen machen. In Adnans Geschichte "Der Herr der Finsternis", die Holter fasziniert, geht es um einen irakischen Dichter, der vor dem Krieg ein lebensfroher, junger Mann war und danach in eine Wolke aus Düsternis gehüllt ist. Diese Wesensveränderung war spannend für die 33-Jährige: "Ich war an diesem Zustand des Seins interessiert. Dieses Gefühl von der Welt überfordert und überwältigt zu sein, ist etwas sehr Alltägliches heutzutage. Diese Angst und Beklemmung überall."
Der Sound des neuen Albums "Aviary" von Julia Holter spiegelt diese Stimmung anfangs wider. Im Verlauf der 15 Songs wird die Kakophonie jedoch mehr und mehr aufgelöst:
"Ich habe – ohne Konzept – mit einer Art Klangraum angefangen. Das Album sollte eine dreidimensionale Klangerfahrung werden, mit einem Sound, der das Publikum einhüllt und kathartisch wirkt."
Der Soundtrack von Vangelis zum ersten "Blade Runner"-Film spielt dabei eine entscheidende Rolle. Besonders "Rachel's Song" hat sie soundtechnisch inspiriert. Die Musik des Mittelalters und der Klang von Vangelis' Soundtrack zum 1982er "Blade Runner"-Film waren ihr wichtig.
Romantik und Dystopie sind zwei Seiten derselben Medaille auf Julia Holters neuem Album. Vergangenheit und Zukunft sollen auf "Aviary" zu einer Art mittelalterlichen "Blade Runner"-Musik verschmelzen. Deshalb hat die 33-jährige Holter dem Yamaha-CS-80-Keyboardsound auch Streicher, Trompeten und einen Dudelsack hinzugefügt.
Warum sich Julia Holter sowohl vom Mittelalter als auch der Zukunft von "Blade Runner" so angezogen fühlt, hat sie selber noch nicht herausgefunden. Es mag an der Freiheit mittelalterlicher Musik liegen, die noch nicht zu sehr in harmonischen Hierarchien feststeckte und sich für Holter roh und ungeschliffen anfühlt.
"Erinnerungen stalken uns"
Dieses Gefühl hat sie auch bei Vangelis' Musik zum "Blade Runner"-Film. Ihr Album "Aviary" ist für Holter eine Art romantisch-dystopischer Soundtrack für eine neue, eine andere Zukunft geworden. Erinnerungen aus der Vergangenheit wird man darauf nicht los, wie Holter mit Hilfe einer Geschichte der libanesischen Schriftstellerin Etel Adnan beschreibt.
"Erinnerungen stalken uns. Sie schleichen sich heran, belästigen uns. Sie sind immer da und fliegen im Kopf herum wie Vögel. Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft passieren dabei gleichzeitig, koexistieren."
Dieses Chaos aus Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft macht Julia Holters neues Album aus. Das Chaos klingt gut. Die 15 Songs auf "Aviary" sind die Beschreibung einer Welt wie unserer im Jahr 2018 und die wenig überraschende Botschaft lautet: Keine Ahnung, wie es weitergehen soll.
"Erinnerungen stalken uns. Sie schleichen sich heran, belästigen uns. Sie sind immer da und fliegen im Kopf herum wie Vögel. Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft passieren dabei gleichzeitig, koexistieren."
Dieses Chaos aus Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft macht Julia Holters neues Album aus. Das Chaos klingt gut. Die 15 Songs auf "Aviary" sind die Beschreibung einer Welt wie unserer im Jahr 2018 und die wenig überraschende Botschaft lautet: Keine Ahnung, wie es weitergehen soll.