WikiLeaks-Gründer Assange
Gegen die Auslieferung, für die Pressefreiheit: Protest vor dem britischen Innenministerium. © picture alliance / Xinhua News Agency
Er verdient Anerkennung statt Gefängnis
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Die britische Regierung hat der Auslieferung von Julian Assange in die USA zugestimmt. Das ist keine gute Nachricht: Dem WikiLeaks-Gründer drohen dort 175 Jahre Gefängnis. Whistleblower dürfen nicht bestraft, sondern müssen vielmehr geschützt werden.
Seit heute lautet die Frage wohl wann und nicht mehr, ob Julian Assange überhaupt in die USA ausgeliefert wird. Das ist die ernüchternde Erkenntnis. Priti Patel hat ihre Entscheidung getroffen. Die britische Innenministerin hatte offensichtlich keine andere Wahl, als das Urteil des High Courts zu bestätigen. Trotz Suizidgefahr und angeschlagener Gesundheit sahen die Richter keine Veranlassung, den USA das Auslieferungsgesuch zu verweigern.
Geheimnisverrat und Spionage in 17 Fällen
Assange drohe nicht die Todesstrafe, er würde seinem angeschlagenen Gesundheitszustand entsprechend behandelt und bekäme ein faires Verfahren: Diesen Versicherungen der USA schenkten die Richter am High Court Glauben. Nur wenn Assange bereits nach Großbritannien ausgeliefert worden wäre, bei drohender Todesstrafe oder wenn nachträglich die Anklage erweitert werden könnte, hätte die Innenministerin die Auslieferung stoppen können. Keines dieser Kriterien traf offenkundig zu.
Weshalb hat Priti Patel aber so lange gewartet mit ihrer Entscheidung? Gab es doch einen Ermessensspielraum? Sind 175 Jahre Gefängnis, die Assange wegen Geheimnisverrates und Spionage in 17 Fällen in den USA drohen, nicht schlimmer als die Todesstrafe? Wird er wirklich ein faires Verfahren vor US-Gerichten bekommen? Amnesty International und andere Menschenrechtsgruppen hegen Zweifel.
Die Anwälte wollen weiterkämpfen
Assanges Frau Stella und seine Anwälte wollen kämpfen. Sie werden in Berufung gehen, im Zweifel bis vor den Europäischen Menschenrechtsgerichtshof. Der hat in ähnlich gelagerten Fällen bisher allerdings meist zugunsten des Auslieferungsgesuches entschieden. Sind damit die Würfel im Fall Assange gefallen? Es bleibt zu hoffen, dass die Richter am High Court ein Einsehen haben – nicht nur wegen Assanges angeschlagener Gesundheit – nein, vor allem zum Schutz der Presse- und Meinungsfreiheit.
Journalisten, Publizisten und Whistleblower müssen geschützt werden. Sie erweisen der Gesellschaft einen immens wichtigen Dienst. Hätten wir ohne Assange jemals verlässliche Beweise für die Hunderten getöteten Zivilisten in Afghanistan, die Folter im Irak und die 66.000 zivilen Opfer dort bekommen?
Assange hat auch Fehler gemacht
Zugegeben: Assange hat das Material ungefiltert veröffentlicht und somit auch Informanten bloßgestellt. Das war ein Fehler. Für viele ist er deshalb kein echter Journalist, der Quellen und Leben möglichst schützt. Dennoch verdient Assange Anerkennung und Respekt dafür, dass er gravierende Menschenrechtsverletzungen angeprangert hat.
Gerade jetzt, wo wir täglich mit Kriegsverbrechen und Gräueltaten im Ukrainekrieg konfrontiert werden, sollte uns zu denken geben, dass diejenigen, die anklagen und Beweise liefern, später womöglich hinter Gittern sitzen und ausgeliefert werden sollen. Denn wer russische Kriegsverbrechen öffentlich macht, ist für Russlands Präsident Putin sicher ein Verbrecher. Wollen wir uns solche Maßstäbe zu eigen machen?