Wallraff-Preis für WikiLeaks-Gründer
Gegen die Auslieferung, für die Pressefreiheit: Am 17. Mai 2022 haben vor dem britischen Innenministerium Julian Assanges Unterstützer und Unterstützerinnen protestiert. © picture alliance / Xinhua News Agency
"Wir müssen Assange dankbar sein"
10:35 Minuten
Der Journalist Julian Assange sitzt seit 2019 in britischer Haft. Demnächst soll entschieden werden, ob er an die USA ausgeliefert wird. Das wäre fatal, sagt Christian Mihr von "Reporter ohne Grenzen". Assange erhält nun den Günter-Wallraff-Preis.
WikiLeaks-Gründer Julian Assange hat schon einige Preise erhalten, doch in den letzten Jahren konnte er sie nicht persönlich entgegennehmen. Zuerst saß er in der ecuadorianischen Botschaft in London fest, seit drei Jahren ist er in Großbritannien inhaftiert. Demnächst könnte er an die USA ausgeliefert werden, wo er wegen Hochverrats zu 175 Jahren Haft verurteilt werden könnte.
Nun wird Assange am Donnerstag der Günter-Wallraff-Preis verliehen. Menschenrechtsaktivistin und Juristin Stella Moris nimmt die Auszeichnung stellvertretend für ihren Ehemann Julian Assange vor Ort entgegen. DLF-Chefredakteurin Birgit Wentzien wird die Laudatio halten.
"Auslieferung wäre fatal"
"Mit der Enthüllung von geheimem Bild- und Textmaterial zu möglichen Kriegsverbrechen der USA hat Julian Assange einen bedeutenden investigativen Beitrag zur Nachrichtenaufklärung geleistet", heißt es in der Begründung der Jury. "Bei seiner Arbeit mit der Internetplattform WikiLeaks hat Assange stets immense Repressalien zugunsten der Berichterstattung in Kauf genommen. Die unerbittliche Verfolgung des Investigativjournalisten Assange durch die USA mit der nun drohenden Auslieferung stellt eine Gefahr für die freie Berichterstattung im Allgemeinen dar.“
Diese Auffassung teilt auch Christian Mihr, Geschäftsführer von "Reporter ohne Grenzen". Der Verein setzt sich für Assanges Freilassung ein, zuletzt mit einer Petition. "Die Auslieferung wäre fatal: Das würde heißen, dass jeder, der mit geheimen Dokumenten arbeitet, mit dem Risiko bedroht sein könnte, strafrechtlich verfolgt zu werden."
Mihr betont, dass Assange und WikiLeaks die Dokumente zu den Kriegsverbrechen nicht selbst beschafft und auch nicht allein veröffentlicht haben, auch Journalisten des "Spiegel", des "Guardian" und der "New York Times" haben das getan, allerdings ohne vor Gericht gestellt zu werden. "Deswegen ist das so fatal, wenn wir künftig ein Interesse an Investigativjournalismus haben."
Kritik an Bundesregierung
Mihr ist der Auffassung, dass damit auch andere Investigativjournalisten abgeschreckt werden sollen. "Das dürfen wir nicht hinnehmen." Er fordert, den "Espionage Act" von 1917 abzuschaffen, ein US-Gesetz, das verbietet, Informationen weiterzugeben, die die Landesverteidigung gefährden. "Das ist ein altertümliches Gesetz, was gegen Journalistinnen und Journalisten missbräuchlich eingesetzt wird."
Es gebe eine immer größere Überwachung von Journalisten und digitalen Quellen. Assange sei ein Vorreiter im Umgang mit großen Datenmengen und habe mit WikiLeaks Kriegsverbrechen im Irak aufgedeckt. "Wir müssen Julian Assange und WikiLeaks dankbar sein für ihre publizistische Tätigkeit."
Von der Bundesregierung zeigt sich Mihr enttäuscht. Annalena Baerbock (Grüne) habe sich vor der Wahl für Assanges Freilassung eingesetzt, als Außenministerin hält sie sich damit zurück und betont lediglich ihr Vertrauen in den britischen Rechtsstaat. Mihr aber sei empört über das Verfahren, das von Anfang an ein politisches sei.
Die Aussichten für Assange sind laut Mihr entmutigend: "Assange geht es leider psychisch und körperlich sehr schlecht." Gutachter sprechen von einer "ernsthaften Suizidgefahr".
Assange sitzt in Einzelhaft. Hinzu kommt: Großbritannien könnte möglicherweise aus dem Europarat austreten, und dann könnte man nicht mehr vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ziehen. Der Europarat hat sich im Februar 2020 gegen Assanges Auslieferung an die USA ausgesprochen.
(leg)