Trainer sind die neuen Stars
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Riesige Summen legt der FC Bayern für den Wechsel von Trainer Julian Nagelsmann von Leipzig nach München auf den Tisch. Das zeige einen Kulturwechsel im Profifußball, so Sportjournalist Thomas Kistner: Die Bedeutung der Übungsleiter nehme zu.
Bis zu 20 Millionen Euro beträgt die Ablösesumme für Julian Nagelsmann. Der ist zurzeit noch bei RB Leipzig – und zwar als Trainer. Ab der nächsten Saison übernimmt er den Posten von Hansi Flick.
In dieser Ablöse zeige sich ein "Kulturwechsel" im Profifußball, erklärt Thomas Kistner, Sportredakteur bei der Süddeutschen Zeitung. Denn: "Die spielerische Qualität der Profis kann sich kaum mehr weiterentwickeln."
Kein neuer Messi, kein neuer Ronaldo in Sicht
Außerdem werde der Fußball durch "die lähmenden Coronajahre einen Einbruch im Nachwuchsbereich erleiden", erläutert Kistner. "Es steht vorläufig gar nicht zu erwarten, dass so schnell neue Messis und Ronaldos nachwachsen."
Wenn es auf dem Platz nur noch um Nuancen gehe, rückten "andere Stellschrauben in den Blickpunkt". Das seien die Trainer, die nun das effektivste Spielsystem entwickeln müssten.
Nagelsmann, ausgestattet mit einem großen Selbstbewusstsein, habe sich schon mit jungen Jahren in das Haifischbecken Bundesliga begeben, und "sich dort branchenunüblich stets auf der Sonnenseite der Tabellenlandschaft aufgehalten", so Kistner. Zuerst beim TSV 1899 Hoffenheim und anschließend in Leipzig. Dort habe er jeweils noch unter Welpenschutz gestanden, erklärt der Journalist. Die Klubmäzene hätten die Hand über den Übungsleiter gehalten.
Zudem sei Nagelsmann noch zugute gekommen, dass er immer mit hochkarätigen Spielern zusammenarbeiten konnte. Der Verdienst des Trainers sei gewesen, "dass er dieses kostbare Gefährt sehr geschickt gesteuert und nicht einfach gegen die Wand gefahren hat", stellt Kistner die Leistung des 33-Jährigen heraus.
Vertragsbruch gehört zum Geschäft
Das Erfolgsrezept von Nagelsmann: "Dass er mit Stars und großen Namen klar kommt." Immer wieder habe der Trainer auch "altgediente Recken" in seinem Kader gehabt, die älter waren als er selbst.
Einen Umgang mit diesen zu finden und diese für sein Spielsystem eines anspruchsvollen Offensivfußball zu begeistern, sei "ein Talent, über das bekanntlich auch viele Kollegen niemals verfügt haben", so der SZ-Redakteur. "Deshalb ist er auch für die Bayern so interessant."
Die hohe Ablösesumme sei nicht verwunderlich, erklärt Kistner. Im Fußball gehe es nur ums Geld. Deswegen würden Verträge gemacht, um gebrochen zu werden. "Denn dann lassen sich für möglichst viele beteiligte Seiten noch mal zusätzliche Abstandssummen rausschlagen. Das gehört zum Spiel."
(rzr)