Ein Meister der Panik-Schlagzeile
Journalisten mit und ohne Migrationshintergrund gründeten vor zehn Jahren den Verein "Neue Deutsche Medienmacher". Zum Jubiläum wurde ein Medienpreis vergeben, der es in sich hat: "Die goldene Kartoffel". Erster Preisträger ist "Bild"-Chef Julian Reichelt.
Erstmals vergibt der Verein Neue Deutsche Medienmacher den Medienpreis "Die Goldene Kartoffel" für besonders einseitige oder missratene Berichterstattung über Aspekte der Einwanderungsgesellschaft. Preisträger dieser Negativauszeichnung ist Bild-Chefredakteur Julian Reichelt.
Unter Julian Reichelts Führung habe die Bild-Zeitung nochmal einen "besonderen Drall" bekommen und dafür werde er mit der Goldenen Kartoffel ausgezeichnet, sagt Konstantina Vassilou-Enz im Gespräch mit Deutschlandfunk Kultur.
"Weil er alles macht, wogegen wir uns vor zehn Jahren gegründet haben", erläutert Vassilou-Enz, Geschäftsführerin des Vereins Neue Deutsche Medienmacher. Dazu gehöre einseitige Berichterstattung, vor allem über verschiedenste Aspekte, die unsere Einwanderungsgesellschaft angingen:
"Weil Vorurteile und Stereotype transportiert werden und weil oft Panik gemacht wird und doppelte Standards angelegt werden."
Billige Panikmache
Beispielsweise mit der Bildserie zum Thema "So unsicher ist Deutschland":
"Und das zu einer Zeit, in der die Kriminalitätsstatistiken so weit unten sind, wie selten zuvor."
Auch Schlagzeilen wie "Nur noch Islamkunde statt evangelischer Religion" gehörten zur Panikmache, auch wenn sich der Artikel selbst dann als harmloser entpuppt habe, als die Schlagzeile vermuten ließ.
"Wir sind an Julian Reichelt mit der ersten goldenen Kartoffel einfach nicht vorbeigekommen."
Guter Boulevardjournalismus
Natürlich zeichne Boulevardjournalismus auch das Zuspitzen und Vereinfachen aus. Dieser sollte im Ideal auf unterhaltende Weise und für alle verständlich über vielfältige Themen berichten, so Vassilou-Enz.
"Aber unter Julian Reichelt sind die Themen wie 'Asyl' und 'Migration' und 'Flucht' ganz besonders hervorgehoben worden."
Themen, die die Gesellschaft bewegten, sollten aufgegriffen werden und dann – und das zeichne Journalismus aus – analysiert und eingeordnet werden. Anstatt, wie es die Bild-Zeitung unter Reichelts Führung mache, Ansichten populistisch wiederzugeben.
"Dafür ist ja Journalismus da: die Dinge einzuordnen, zu erzählen, woher sie kommen, die Geschichte dahinter zu zeigen."
Ursprünglich sei gar nicht geplant gewesen, eine Einzelperson mit dem Preis auszuzeichnen, sondern Themenkomplexe die nach Ansicht des Vereins in verschiedenen Medien "schief" dargestellt wurden. Doch genügend Kollegen aus dem Vereinsvorstand hätten befunden: "An Julian Reichelt kommen wir nicht vorbei."
Ausschlaggebend sei auch nicht das, was Reichelt als Journalist geleistet habe, etwa als Kriegsreporter in Afghanistan, sondern was er als Chef der Bild-Zeitung zu verantworten habe.
Stärken der Bild-Zeitung
An der Bild-Zeitung sei auch nicht alles schlecht: "Wir fanden schon immer, die Bild-Zeitung ist beispielhaft, um unsere vielfältige Gesellschaft abzubilden. Wenn es zum Beispiel um Umfragen geht, dann sind die ganz vorne und zwar schon sehr, sehr lange mit dabei, wenn es darum geht Menschen mit Migrationshintergrund zu ganz normalen Alltagsthemen zu befragen und zu Wort kommen zu lassen."
Eingewanderte Kartoffel
Bei der Suche nach einem passenden Namen habe man die Kartoffel besonders passend für die Auszeichnung gefunden:
"Sie ist für besonders unterirdische Berichterstattung, weshalb die Kartoffel passt. Zum anderen ist es auch so, dass die Kartoffel selbst eine Einwanderungsgeschichte hat, obwohl sie heute stellvertretend für die deutsche Küche steht. Die Kartoffel stammt ja aus Südamerika."