Schweinewirtschaft

Geldsorgen einer Jungbäuerin

06:05 Minuten
Schweine in einem Freigehege.
Der Preis für Schweinefleisch ist so niedrig, dass einige Bauern ihren Betrieb gefährdet sehen. © picture alliance /dpa / Sina Schuldt
Von Nantke Garrelts |
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Die Schweinebäuerin Svenja Menssen hat lange Arbeitszeiten, muss aber um ihre Existenz in Ostfriesland bangen. Die Preise für Schweinefleisch sind im Keller und machen es ihrer Familie schwer, über die Runden zu kommen.
Als Glücksbringer hat man sie gerade wieder auf Grußkarten und Werbeprospekten gesehen: dicke, zufriedene Schweine, die uns Erfolg im neuen Jahr bringen sollen. Als Nutztier aber bringen sie ihren Besitzern gerade eher Sorgen und Löcher im Budget. Denn die Schweinepreise sind aktuell niedrig, Schweinebauern fahren hohe Verluste ein.

Die Jungbäuerin Svenja Menssen verspätet sich. Erst muss sie sich um die neuen „Ladies“ kümmern, wie sie ihre Sauen nennt. Zehn Jungtiere ziehen heute auf ihrem Hof ein. Menssen steht vor dem Stall, um den Hof herum glitzern die raureifbedeckten Wiesen in der Morgensonne. Doch dafür hat sie gar keine Zeit. Vor ihr steht ein Lastwagen mit offener Ladeklappe. Der Fahrer fährt zehn Sauen auf einem Fahrstuhl nach unten. Die Bäuerin treibt sie in ihr neues Zuhause.

Familienbetrieb mit 1.500 Zuchtsauen

Der Hof der Menssens ist ein echter Familienbetrieb: Auf der einen Seite der Pflasterstraße im ostfriesischen Speekendorf kümmert sich die Bäuerin um rund 1.500 Zuchtsauen, Ferkel und Jungtiere. Die verkauft sie dann an ihren Vater, der sie im Maststall gegenüber schlachtreif mästet.

Bei einem Rundgang durch den Stall schaut sie besonders liebevoll auf die trächtigen Tiere. Sie ruhen in Boxen, eine Sau trabt mit wippenden Ohren durch den Freilaufbereich, eine andere stupst ein vierarmiges Plastikspielzeug an, das von der Decke baumelt.

Sorge um die Zukunft


Schon mit zwölf Jahren hat Menssen begonnen, ihrem Vater auf dem Hof zu helfen. Das versprochene Pony gegen einen Traktorführerschein eingetauscht. Heute hat die 27-Jährige zwei Kinder und arbeitet 60 Stunden pro Woche auf dem Hof. Sie ist für die Tiere zuständig, ihr Mann kümmert sich um die Felder. So viel Arbeit – und trotzdem weiß Menssen nicht, ob sie in einem Jahr noch Grunzen und Scharren in ihrem Stall hören wird. Denn die Ferkel sind nicht so viel wert, wie sie kosten.

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"Wir haben Kosten von 40 Euro für ein Ferkel", sagt sie und im Verkauf liege der Preis derzeit bei 23 Euro. Futter, Tierarztkosten, Pacht für den Hof, Strom, Wasser, Besamungskosten oder zusätzliche Jungsauen, wie sie eben geliefert wurden – all das kostet viel Geld. Dem gegenüber steht ein miserabler Schlachtpreis: Zwei Euro bekam ihr Vater noch vor zwei Jahren für ein Kilo Schweinefleisch, heute ist es 1,20 Euro. Deshalb erhält auch ihr Ferkelbetrieb weniger Geld, wenn sie die Ferkel an ihren Vater verkauft.  Menssen spricht von einem „Schweinestau“ und erläutert: "10.000 Euro bezahle ich ungefähr jeden Monat dafür, dass ich die Schweine halten darf." Sie mache jeden Monat 10.000 Euro Verlust.

Auf und Ab beim Schweinepreis

Jeden Mittwoch schaut die Familie auf den neuen Schweinepreis. Ist er gestiegen, sagt man schnell allen Bescheid. Klar: Gute Zeiten und schlechte Zeiten – das sind Schweinebauern gewohnt, Menssen kennt es selbst nicht anders. Aber so viel Druck wie gerade – das geht an die Substanz.

Menssens Tage beginnen um 6.30 Uhr im Stall und enden um 21.30 Uhr nach der Hausarbeit. 500 Euro hat die vierköpfige Familie jeden Monat als Haushaltsgeld zur Verfügung, dazu bekommt sie noch Kindergeld. Zwar fällt keine Miete an, aber für einen Wochenendausflug in den Harz oder eine Waschmaschinenreparatur müssen sie sparen.
Zwischen Ferkeln, Haushalt und Kindern holt die Bäuerin da manchmal die Existenzangst ein. "Ich bin eigentlich ein sehr positiv denkender Mensch und denke, da kommt noch ein bisschen Hoffnung", sagt sie und ist den Tränen nahe. "Teilweise stehe ich im Stall und mir laufen die Tränen an den Wangen runter, weil ich denke: Wie mag das weitergehen mit uns? Warum mache ich das alles noch? Warum habe ich nicht längst aufgehört und habe ein normales Leben, habe Zeit für meine Kinder? Es ist schwierig."  

Kein Ausweg in Sicht

Dabei ist sie eine, die gerne noch mehr Komfort für ihre Tiere hätte, dafür aber nicht mehr Geld vom Fleischvertrieb bekommt. Stattdessen immer mehr Kosten: für die Narkosemaschine bei der Ferkelkastration, den Kastrationskurs, größere Abferkelbuchten. Dafür muss sie bald einen kompletten Stall abreißen und neu bauen. Wie sie das alles bezahlen soll, weiß sie noch nicht. "Wir können nicht einfach den Schweinen sagen: Wir kommen jetzt ab morgen nicht mehr in den Stall, weil wir kriegen kein Geld mehr für Euch."

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