Junge Erwachsene mit Krebs

Die Suche nach dem Licht am Ende des Tunnels

Ein Mann steht am Ende eines dunklen Tunnels.
Viele Krebspatienten fühlen sich nach überstandener Krankheit niedergeschlagen. Selbsthilfegruppen sind dann oft wie das Licht am Ende des Tunnels. © Josh Oates/Unspash
Von Uschi Götz · 30.06.2018
Trotz einfühlsamer Familie und Freunde fühlen sich viele junge krebskranke Erwachsene mit existenziellen Fragen allein gelassen: Wie und wo werde ich danach weiterleben, welche Jobs machen können? Oft sind Selbsthilfegruppen die Lösung.
"Wenn man das mal erlebt hat, einfach mit dieser brutalen Verunsicherung zu leben dann später…"
Janina ist um die Dreißig, sympathisch unkompliziert mit scharfsinnigem Verstand. Sie arbeitet in der Medizinbranche, aus verschiedenen Gründen möchte sie ihren richtigen Namen hier nicht nennen. Vor drei Jahren erkrankte die junge Frau an einer akuten Leukämie. Glück im Unglück: Der Blutkrebs war relativ gut therapierbar, allerdings bekam sie eine lebensbedrohliche Blutung:
"Man hatte mir damals gesagt, dass ich eine sehr gute Form der Leukämie habe, also noch so irgendwie den Jackpot bei den Leukämien, weil sehr gut heilbar. Aber die nächsten zwei drei Wochen seien sehr kritisch, aufgrund eben dieser Blutungsgefahr, und die müsse ich überleben. Ich bin auch direkt von Zuhause zack auf Intensiv gekommen."

Viele verlieren das Urvertrauen

Sie zieht sich zurück, braucht ihre Kraft für den Kampf gegen die Krankheit. Ihre Familie und Freunde begleiten sie durch diese Zeit. Nach gut einem Jahr hat Janina Bayer die Therapien überstanden, heute gilt sie als geheilt.
Das Leben könnte dort weiter gehen, wo es mit der Krankheit aufgehört hat. Sie arbeitet wieder. Doch es ist ein anderes Leben.
"Die Erkrankung hieß für mich, das Urvertrauen verloren zu haben. Einfach dieses, was man vor allem in unserem Alter, wahrscheinlich aber auch in einem älteren Lebensabschnitt hat, man rechnet einfach nicht damit. Das Leben ist einem so gegeben und es ist so ganz selbstverständlich. Dieses Vertrauen, ich glaube, das weiß man gar nicht vorher, dass man das hat, und ich glaube, das merkt man erst, wenn es weg ist."

Freunde und Familie können nur bedingt mitfühlen

Wer bin ich nach dieser Krankheit? Diese Frage beschäftigt die junge Krebspatientin. Familie und Freunde können da nur bedingt mitfühlen:
"Ich kann bis heute ganz viel teilen, mit meiner Familie, mit meinen Freunden, und das hat eben auch nicht jeder. Trotzdem verstehen die… ich weiß nicht, wie ich das sagen soll.. vielleicht wie so ein Eisberg, verstehen die Spitze des Eisbergs. Aber das meiste ist dann noch tiefer. Das kann man, glaube ich, auch nicht erwarten."
Auch vermeintlich Geheilte leiden meist noch Jahre nach der Krebskrankheit an den Folgen - psychisch und physisch. Nicht wenige bekommen das Fatigue-Syndrom, ein körperliches oft auch emotionales Erschöpfungssyndrom, das durch ausreichend Schlaf nicht besser wird. Für junge Erwachsene mit Krebs haben Zukunftsfragen eine ganz andere Bedeutung als für ältere Menschen. Die Frage etwa, ob man noch Kinder zeugen oder schwanger werden kann:
"Und da habe ich gedacht, das wäre doch gut, ich hätte jemand ungefähr Gleichaltrigen, der in einer ähnlichen Lebenssituation ist, der ähnliche Probleme hat, dass man das teilen kann."

Selbsthilfegruppen als Anlaufstelle

Über die Berliner Stiftung "Junge Erwachsene mit Krebs" kommt sie mit anderen Betroffenen in Kontakt und gründet eine Selbsthilfegruppe für junge Krebskranke, den treffpunkt. Anfangs kommt eine Handvoll, beim dritten Treff Anfang April waren es schon zwölf, die am frühen Abend in eine Kneipe in der Stuttgarter Stadtmitte kommen:
"Ich habe das Ganze hier über Facebook gefunden. Ich finde es halt schön, dass man sich hier mit Gleichgesinnten treffen kann, auch dass die Hemmschwelle einfach ein bisschen gesenkt ist."
Jörg, heute 40 Jahre alt, hatte Darmkrebs und ist seitdem Stomaträger, das bedeutet: Er hat einen künstlichen Darmausgang.
"Es geht gar nicht so sehr um die spezifische Art des Krebses, sondern einfach, dass man an Krebs erkrankt ist."

Ehemalige Krebspatiente geben heute selber Tipps

Sabine, Mitte 30, hatte Brustkrebs. Die Mutter eines Kleinkindes konnte sich zunächst nicht vorstellen, dass es Gleichgesinnte mit einem ähnlichen Schicksal gibt. Sie fand die Gruppe und kann heute, nach überstandener Krankheit, Betroffenen in früheren Phasen der Krankheit Tipps geben:
"Ich arbeite wieder. Ich arbeite zu 60 Prozent jetzt, habe eine kleine Tochter. Ich war auch in Reha… so das Ganze irgendwie durch, mit Wiedereingliederung. Und ich könnte mir auch vorstellen, dass man irgendwie in Krankenhäusern aktiver wird, dass man aktuell Betroffene unterstützen könnte."
Es eint sie ihr junges Alter, die Erfahrungen mit der Krankheit und die Sicht auf ein neues, ein anderes Leben. Die Gruppe hilft dabei, das anzunehmen, zu spüren und zu genießen:
"Das müssen ja gar nicht Gespräch sein, die sich immer um den Krebs drehen, sondern man kann ja auch über den nächsten Urlaub sprechen, oder über den Kinofilm, den man gesehen hat, den man gut fand."
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