Was ihnen am Herzen liegt
Auch die jungen muslimischen Menschen wollen sich in Deutschland einbringen, deshalb gibt es seit wenigen Jahren die Junge Islamkonferenz - JIK. In Berlin fand jetzt der Bundeskongresses statt, auf der das interreligiöse Miteinander von Morgen diskutiert wurde.
Sie haben es geschafft! Sie sind nicht nur aus ganz Deutschland nach Berlin gereist, auch die strengen Sicherheitsbestimmungen am Eingang haben sie schon hinter sich gelassen. Nun sitzen die vier jungen Erwachsenen in einem opulenten, holzgetäfelten Plenarsaal, in dem sonst Diplomaten tagen. Dunja, Ozan, Leonie und Karina sind an diesem Morgen die ersten von insgesamt einhundert Teilnehmern des Bundeskongresses der Jungen Islamkonferenz. Und bevor die im Weltsaal des Auswärtigen Amtes eröffnet wird, rücken sie erst einmal die schweren, lederbezogenen Holzstühle zusammen und tauschen sich darüber aus, was sie eigentlich zusammengeführt hat. Ozan ist heute zum ersten Mal bei der Jungen Islamkonferenz, und ihn beschäftigen vor allem die Stereotype, die mit dem Islam verbunden sind.
"Ich muss oft darüber sprechen, und ich glaube, das ist eine Erfahrung, die viele Menschen machen, die muslimischen Hintergrund haben oder die als muslimisch wahrgenommen werden in der Gesellschaft. Denn oft werden die Begriffe ja auch als Synonyme verwendet, arabisch, türkisch, irakisch, aber das alles sammelt sich hinter muslimisch."
Ozan ist gläubiger Muslim, er trägt einen hellblauen Anzug, einen sauber geschnittenen Bart, und wenn er von seinem exotischen Heimatland erzählt…
"Ich komme aus der Nähe von Darmstadt, ich bin dort geboren in so einem Kaff dort in der Ecke."
Die Teilnehmer der Jungen Islamkonferenz, hier oft JIK genannt, sind alle nach 1990 geboren, und als Deutschland sein Einwanderungsgesetz reformierte und damit auch Einwanderer die deutsche Staatsbürgerschaft erhielten, waren sie gerade einmal zehn. Die Frage, ob der Islam also zu Deutschland gehört, stellt sich bei ihnen gar nicht. Ihr Deutschlandbild ist nachweislich vielfältiger als noch das ihrer Eltern. Das weiß auch Karina.
"Ich glaub, die lustigste Reaktion war die von meinem Vater, der hatte Angst, dass ich jetzt mit komischen Muslimen rumhänge und mich radikalisiere. Da musste ich auch erst mal erklären, was wir bei der jungen Islamkonferenz eigentlich machen."
Gemeinsamkeiten und Unterschiede
Die jungen Erwachsenen diskutieren auf ihrem Bundeskongress nicht mehr ob, sondern wie die Beziehungen zwischen Muslimen und Nicht-Muslimen gestaltet werden können. Das freimütige Motto der Konferenz: "Wem gehört das Abendland und wer integriert hier wen?" In mehrtägigen Workshops diskutieren sie Themen wie: Neue Identitäten im neuen Deutschland, Wer ist das Volk? oder Bildungspolitik in der Einwanderungsgesellschaft. Die Leiterin der Jungen Islamkonferenz, Esra Kücük, erklärt, warum die Konferenz zwar den Islam im Namen trägt, sich jedoch nicht als religiöses Forum sieht.
"Das ist ein Dialogforum für junge Menschen, egal woher sie kommen, woran sie glauben, aus Deutschland. In dem Altersspektrum zwischen 17 und 25 Jahre, die sich über die Islam- und Muslimbilder in der Gesellschaft auseinandersetzen wollen, darüber diskutieren wollen. Jugendliche mit einem ganz säkularen Verständnis treffen auf Jugendliche, die eine religiöse Alltagspraxis haben. Und es wird ganz oft deutlich, dass es viel mehr darum geht, sich einmal kennenzulernen, gemeinsame Erfahrungen zu entwickeln."
Dunja, eine der vier jungen Erwachsenen, sieht dabei ihr religiöses Verständnis sogar eher als förderlich.
"Das ist eigentlich eher etwas, was mich noch mehr dazu bewegt, mit anderen Menschen zu kommunizieren. Weil uns der Islam dazu auffordert, Wissen zu erlangen. Und Wissen erlangt man dadurch, dass man mit anderen Menschen kommuniziert."
Die Hälfte aller in Deutschland lebenden Muslime ist unter 25 Jahre alt. Das sind immerhin zwei Millionen, von denen viele hier geboren sind. Im Gegensatz dazu empfindet mehr als die Hälfte der nicht-muslimischen Deutschen den Islam als Bedrohung, fühlt sich gar wie "fremd im eigenen Land". Eine Einschätzung, die jedoch auch Ozan teilt.
"Das ist witzig. Ich fühl mich fremd in meinem eigenen Land in dem Sinne, dass es Menschen gibt, die der Ansicht sind, ich würde nicht in dieses Land passen. Aufgrund der Weise, wie ich aussehe oder wie ich heiße oder welchen Glauben ich hab, oder welchem angeblichen Kulturkreis ich angehöre. Dabei bin ich selber deutsch. Das sind einfach Klischees im Bewusstsein dieser Menschen und ich glaube, das ist auch ein Grund, warum ich zur JIK gekommen bin, weil mich diese Zahlen erschrocken haben. Und das sind für mich Alarmsignale eigentlich. Umso wichtiger ist es, dass wir hier in der Jungen Islam Konferenz auch Nicht-Muslime dabei haben, weil es darum geht, wie wir diese Gesellschaft zusammen gestalten."
Wenn Fakten und Argumente nicht mehr ankommen
Als im Dezember 2014 die PEGIDA Aufmärsche den Untergang des Abendlandes propagierten und die Demonstranten gegen Muslime in Deutschland hetzten, riefen die Mitglieder im Netzwerk der Jungen Islamkonferenz die Kampagne "mit Herz!" ins Leben. Wenn Fakten und Argumente nicht mehr ankommen, müssten sie zeigen, was sie verbindet, was ihnen gemeinsam am Herzen liegt.
"Hallo ich bin Amani, ich hab meine Hantel mitgebracht, ich mach´ gerne Sport, vor allem Kraftsport. Und ich liebe einfach das Gefühl, wenn man alles drum herum vergessen kann. Mein Herz schlägt für Kreativität, deswegen denke ich mir auch immer wieder neue Filmideen im Kopf aus. Meine ganze Familie singt und spielt ein Instrument, und wenn wir alle zusammen kommen, dann singen und spielen wir alle zusammen…"
Na, haben Sie die Muslime rausgehört? Amani, die junge Frau, die Hanteln liebt, trägt ein Kopftuch und posiert vor einer Pappwand, in die ein großes Herz geschnitten wurde. Esra Kücük, die Leiterin der Konferenz, kennt zahllose Beispiele solcher alltäglichen Gegensätze.
"Ich glaube, das erkennen dann auch viele Jugendliche, die dann in Kontakt mit jemandem kommen, der auf der einen Seite eine Ausbildung macht zum Kriminalpolizisten, aber Sufi Tänzer ist und in der Sufi Gemeinde aktiv ist."
Im Gegensatz zu älteren Bundesbürgern haben gerade junge Menschen durch ihre Alltagserfahrung vielfältigere Islam- und Muslimbilder. Das beweist auch eine Studie, die zu Beginn der Jungen Islamkonferenz vom Institut für Integrations- und Migrationsforschung der Humboldt Universität veröffentlicht wurde. Dr. Naika Foroutan fasste die Inhalte und Empfehlungen von ´Deutschland postmigrantisch II´ so zusammen.
"Wir haben über 1100 Jugendliche in Deutschland befragt und wollten ihre Einstellung zur Vielfalt und Veränderung in der Gesellschaft erfassen, dazu wie sie ihre Einstellung gegenüber Muslimen als der größten religiösen Minderheit in Deutschland formulieren. 70 % sind der Meinung, Moscheebau sollte nicht eingeschränkt werden. Und 70% sind der Meinung, muslimischen Lehrerinnen sollte es in Deutschland erlaubt sein, im Unterricht das Kopftuch zu tragen."
Das Kopftuchverbot für Lehrerinnen an deutschen Schulen ist natürlich auch bei den vier Jugendlichen ein Thema. Schließlich orientieren sie sich gerade für ihre berufliche Zukunft. Dunja findet es richtig,
"…dass man diese Religiosität, nicht nur für sich allein im stillen Kämmerlein lebt, sondern auch versucht, diese Probleme, die man im religiösen Alltag hat, wie zum Beispiel das Kopftuchproblem oder Diskriminierung, weil man im Vorstellungsgespräch seltsame Fragen bekommt, dass man da eben eine politische Ebene darstellt."
Nach 2013 bietet die Junge Islamkonferenz den Teilnehmern nun schon zum zweiten Mal ein bundesweites Forum, um das interkulturelle und interreligiöse Miteinander von Morgen gemeinsam zu diskutieren. Und das konfessionsübergreifend ohne expliziten Fokus auf die Lehre des Islam. Leonie fasst es so zusammen.
"Einfach nur zu sagen, ich hab nichts mit dem Kopftuch zu tun, weil ich selber keines tragen möchte, ist mir zu wenig."