"Er ist meschugge, aber…“
Israels Ministerpräsident Netanjahu freut sich über den neuen US-Präsidenten Donald Trump - ähnlich sieht es die Siedlerbewegung in der rechtsnationalen Regierungskoalition. Und was denken die jungen Israelis? Trump - das Desaster oder die Hoffnung?
Hoch oben über den Dächern Jerusalems weht ein liberaler Geist, wie ihn Israelis eigentlich Tel Aviv zuschreiben. Hier im "Propolis-Centre" sorgen sich die Aktivisten um das friedliche Zusammenleben in ihrem Land. Sie wollen deshalb möglichst viele Bevölkerungsgruppen mit ihren Kunst- und Umwelt-Initiativen ansprechen - und sei es nur für den Augenblick einer Yoga-Stunde.
"Diese Stadt besteht aus Steinen, alles ist sehr stabil. Bewegung ist das genaue Gegenteil. Sie macht flexibel. Wenn mein Körper flexibel wird, dann werden auch meine Gedanken flexibel. Wenn wir zusammen tanzen, kommunizieren wir anders."
Allerdings ist Akro-Yoga, wie es hier praktiziert wird, wahrlich nicht für jeden geeignet. Akro-Yoga ist ein Mix aus Akrobatik und Yoga. Entsprechend kräftig und biegsam müssen die Teilnehmer sein. Sie dürfen keine Scheu vor Körperkontakt haben, denn sie trainieren paarweise. Männer und Frauen balancieren einander auf Händen und Füßen, Schultern oder Rücken unter Leitung von Oron Elior, 32 Jahre alt, studierter Industrie-Designer. Die Möbel im Kunst- und Begegnungszentrum hat er getischlert. So begeistert er tanzt, ist er doch keineswegs ein Traumtänzer.
"Jeder, der hier arbeitet, will der Stadt Jerusalem etwas Gutes tun, Frieden schließen, die Leute zusammenbringen. Juden tanzen mit Arabern. Das ist eine nette Idee, aber nicht das, was wir zurzeit tun."
Yoga als Widerstand
Rund 130 Mitstreiter, meist Künstler, bieten im Jerusalemer Propolis-Center Tanz-, Kunst-, Handwerker- und Umwelt-Kurse an - ihre Form von Widerstand gegen die zunehmende Verhärtung der Gesellschaft, die sie in Israel weit länger beobachten als in den USA. Oron Elior, der schmale hochaufgeschossene Tänzer, bedauert, dass Präsident Barack Obama nun der Vergangenheit angehört. Er hat ihn verehrt, auch aus ästhetischen Gründen, aber nicht nur:
"Obama ist inspirierend. Ich mochte ihn einfach gern ansehen und zuschauen, wie er mit Menschen umging. Er kam mir immer vor wie der typische große Bruder, der Verantwortung übernimmt, sich kümmert. Donald Trump ist das komplette Gegenteil, der junge Bruder, der macht, was er will und sich selbst nicht kontrolliert. Aber dass die Wahl etwas mit meinem Leben zu tun hat, kann ich nicht sehen. Leute, die sich so viele Gedanken darüber machen, was Trump für uns bedeutet, schauen zu viele Nachrichten."
Der Maler Matan Israel hat das Begegnungszentrums gegründet. Davor hat er in einem Nachbarschaftsprojekt Kunstwerke auf die Straßen verschiedener Viertel gebracht, immer entlang der grünen Linie, die Jerusalem teilt. Eine Erfolgsgeschichte, die schließlich aber trotzdem scheiterte.
"Wir haben die Menschen aus dem Ost- und Westteil der Stadt zusammen gebracht. Das hat funktioniert. Aber für viele in der Nachbarschaft ging das alles zu schnell. Solange wir Veranstaltungen geplant haben, war das in Ordnung, aber als tatsächlich ein Nachbarschaftsfest stattfand, war es manchem zu viel, zu sehen, wie Araber und Juden zusammen tanzen."
"Trump ist wie ein Joker"
Matan Israel hofft auf deutliche Veränderungen in den israelisch-amerikanischen Beziehungen. Er hält sie für verlogen. Schluss mit der Maskierung, fordert der Künstler.
"Donald Trump ist wie ein Joker, man weiß nicht, was er tut. Sollen sie doch endlich Maske herunterreißen, offen zu der Okkupation stehen! Die Amerikaner tun doch nur so, als würden sie die Siedlungen kritisieren. Tatsächlich zahlen sie für die Okkupation. Ich fände es ohne Maskerade besser. Sollen sie doch klar sagen, was sie seit 50 Jahren tun: Sie legten die Vetos in UN-Sicherheitsrat ein, weil sie die jüdischen US-Wähler fürchteten."
Matan Israel kommt kaum zu seiner Kunst seit seine Aktivisten ins Dachgeschoss des fast leer stehenden Einkaufszentrums gezogen sind, wo sie jetzt Menschen aus ganz Jerusalem zusammenbringen wollen. Die Verrohung der gesellschaftlichen Debatte, wie sie in den USA zu beobachten ist, bestimmt Israel seit Beginn der ersten Amtszeit von Benjamin Netanjahu, beklagt der Maler, der den Premier wie viele in Israel kurz Bibi nennt.
"Das zeigt, dass du brutal sein kannst und keine Rücksicht auf die Konsequenzen nehmen musst. Das ist hier bei uns erfunden worden. Mir kommt es vor, als hätte Trump das von Bibi gelernt. Natürlich nicht wirklich, aber sie haben beide den gleichen Charakter."
Froh, dass Obama geht
Matan Israel geht hinaus auf den riesigen Dachgarten. Ein Bienenhaus steht inmitten von Kübeln und Pflanzen, alles Utensilien, um Dächer oder Balkone zu begrünen. Zu Akro-Yoga kommen arabische Frauen aus Ostjerusalem nicht, zu den Handwerkerkursen aber schon, denn hier lernen sie, Terrassen zu bepflanzen, ein Haus zu verputzen oder zu renovieren und können damit vielleicht sogar eine eigene Firma gründen.
"Wir verstehen Frieden als eine Form von Nachhaltigkeit. Es geht um eine Kultur eines ausbalancierten Lebens. Es geht nicht nur um die Juden und Moslems, sondern um uns und die Erde, wie wir mit ihr, der Umwelt, den Tieren, Pflanzen und anderen Menschen umgehen. Wenn du dich als Teil der Natur und Umwelt verstehst, wirst du keinen Grund finden, eine andere Person zu bekämpfen."
Ihren Balkon zu begrünen, kommt Sara Haetzni-Cohen derzeit nicht in den Sinn. Die 33-Jährige verweist stolz auf den Blick über Jerusalem, den sie seit ihrem Einzug in die neue Wohnung genießt. Aber Sara muss sich um drei Kinder kümmern, obendrein naht Sabbat. Nach Einbruch der Dunkelheit darf sie weder waschen, noch kochen, noch Auto fahren oder am PC arbeiten. Weil Saras Mann gläubiger Jude ist, hält auch sie sich an die Regeln. Auch wenn es ihr leid tut, ihr Engagement für die Siedlerbewegung immer am Wochenende herunterzufahren.
Sara hält ihr Töchterchen Lizan im Arm und erzählt in Richtung des Säuglings, wie furchtbar sie beide US-Präsidentschaftskandidaten fand und wie froh sie sei, dass Obamas Amtszeit nun vorbei sei.
"Die Rechten in Israel mochten Barack Obama überhaupt nicht, er uns umgekehrt aber auch nicht, einschließlich unseres Premierministers. Obama respektierte uns nicht. Wie er die Füße auf dem Tisch hatte, wenn er mit Netanjahu telefonierte! Wir Rechten, wir sind in Israel in der Mehrheit, hatten immer das Gefühl, dass Amerika uns vorschreiben wollte, was wir zu tun hatten."
"Europa ist ein Problem für uns"
Donald Trumps Ankündigung, die US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem zu verlegen, habe sie schon von vielen republikanischen Präsidenten gehört. Sie hofft, dass sich der neue bei dem Konflikt mit den Palästinensern auf die Seite der jüdischen Siedler stellt, denn auch wenn Sara Haetzni-Cohen in Jerusalem wohnt, so ist sie doch überzeugte Siedlerin. Wie ihr Vater, der die Siedlung Kiryat Arba mit gegründet hat.
"Ich bin die Chefin eines Netzwerkes der Zionistischen Bewegung. Wir rufen zu Aktionen auf, auch wenn Leute kaum mehr dazu zu bewegen sind, für ihre Ziele auf die Straße zu gehen. Wenn sie ihr Haus verlassen, dann nur noch, um Kaffee zu trinken, sich zu amüsieren. In den 90er Jahren gab es noch in Tel Aviv Demonstrationen mit hunderttausend Teilnehmern. So etwas sieht man heute nicht mehr. Die letzten Demos 2010 drehten sich nicht um Politik, sondern um soziale Probleme. Die Leute haben keine Lust mehr zu demonstrieren, aber sie mögen Facebook und Twitter."
Deswegen kämpft sie quasi mit dem Handy. Gegen europäische Boykott-Aufrufe wegen der israelischen Siedlungspolitik, gegen die Europäische Union und die Vereinten Nationen.
"Europa ist ein Problem für uns. Die Israelis mögen es nicht, dass die EU und die USA entscheiden, was gut für uns ist. Wir hassen es. Wir hocken hier mitten im Dschungel. In Aleppo nicht weit von hier werden Kinder massakriert. Das Leben in Jordanien, im Libanon ist ein Chaos. Ich will Frieden vielleicht mehr als Sie, denn ich habe einen Sohn, der in 14 Jahren zur Armee muss. Israel wird für alles verurteilt, das ist fruchtbar. Europa spricht uns das Recht ab, über das Territorium selbst zu entscheiden. Aber die EU errichtet auf den C-Gebieten Unterkünfte für palästinensische Beduinen, das sind illegale Gebäude. Und wenn Israel die zerstört, wird es verurteilt."
"Die Zukunft wird düster sein"
C-Gebiete sind Zonen innerhalb des palästinensischen Westjordanlandes, die 1995 im Oslo-2-Abkommen unter israelische Kontrolle gestellt wurden, jedoch mit dem Ziel, sie Stück für Stück in palästinensische Hand zu geben. Das ist bis heute nicht passiert. Anhänger der israelischen Siedler-Bewegung wie Sara Haetzni-Cohen sehen die C-Gebiete zunehmend als eigenes Land an. Entsprechend hält sie die Zwei-Staaten-Lösung, Israel und Palästina nebeneinander, für unmöglich und kritisiert Netanjahu dafür, dass der Premier - offiziell zumindest - noch immer daran festhält.
Ein Lippenbekenntnis, aber für den arabisch-muslimischen Parlamentsabgeordneten Achmed Tibi immer noch der Strohhalm, an den er sich klammert. Nach der US-Wahl malt er in seinem Büro in der Knesset allerdings den Teufel an die Wand.
"Wenn es einen Wechsel gibt, wird das das Ende der Zwei-Staaten-Lösung sein. Und welche Perspektive bleibt uns, wenn es die Vision von der Zwei-Staaten-Lösung nicht mehr gibt? Die Zukunft wird düster sein und es könnte Zusammenstöße, Konfrontation und Instabilität in der Region geben."
Der palästinensische Politiker Tibi sitzt seit 1999 im Parlament. Seine Prophezeiungen lassen nichts Gutes ahnen, er spricht offen von einer dritten Intifada, einem bewaffneten Aufstand der Palästinenser gegen die Israelis wie Ende der 1980erJahre und zur Jahrtausendwende.
"Den palästinensischen Traum zu töten, wird zu Konfrontation führen. Wenn die Palästinenser in die Ecke gedrückt werden, wenn ihr Land konfisziert wird und die Knesset das legalisiert, dann ist das möglich."
"Die Erklärung des Trump-Teams, dass die US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem verlegt werden soll, ist empörend."
Siedler hoffen auf Trumps Unterstützung
Denn das käme einer Anerkennung der umstrittenen Besetzung Ostjerusalems im Sechs-Tage-Krieg 1967 gleich. Jerusalem gilt seitdem für Palästinenser und Israelis als Hauptstadt. Eine US-Botschaft in Jerusalem würde Washington den Vorwurf bescheren, Partei für Israel zu ergreifen, die Rolle des neutralen Maklers in Frage zu stellen. Eine Gefahr für die Lösung des Nahostkonflikts. Genauso wie immer neue jüdische Siedlungen. Sie untergraben die Chancen auf eine Zwei-Staaten-Lösung. Der palästinensische Knesset-Politiker Tibi befürchtet, dass sich Donald Trump als Freund der Siedler erweisen wird. Was ganz im Sinne von Shilo Adler wäre.
Im Büro des jungen Chefs der Siedlerbewegung drängen sich Armee-Uniformierte. Es geht um die umstrittene Siedlung Amona im Westjordanland, das Siedler wie Shilo Adler nur Judäa und Samaria nennen – wie in der jüdischen Bibel. Shilo Adler ist Nachfolger von Naftali Bennet, der als rechtspopulistischer Erziehungsminister von der Partei Jüdisches Heim unmittelbar nach Trumps Wahlsieg das Ende der Zwei-Staaten-Lösung ausgerufen hat. Mit der stetig zunehmenden Besiedlung des Westjordanlandes ist dieses Ziel ohnehin kaum noch erreichbar, denn mittlerweile müssten 300.000 bis 450.000 Menschen ausgesiedelt werden, was niemand für machbar hält. Shilo Adler will weiter Fakten schaffen.
"Bis zum Jahr 2020 werden knapp eine Million Israeli in Judäa und Samaria sein. Das ist mein Ziel, das ist unsere Vision. Schon jetzt werden es jedes Jahr mehr, die Familien kommen auch aus Europa, zum Beispiel aus Frankreich."
Der vierfache junge Vater ist sich nicht ganz sicher, ob er mit Donald Trump einen Verbündeten gewinnt, er wünscht es sich. Zusätzlichen Anlass zu Hoffnung gibt die Ernennung von David Friedman als künftigen US-Botschafter in Israel, der ein offener Unterstützer der Siedlungspolitik ist.
"Es steht 50:50. Hoffentlich geht es nicht so weiter, wie in den letzten zehn Jahren, hoffentlich gibt es jetzt den Wechsel. Die US-Botschaft nach Jerusalem zu bringen, die Siedlungen zu legalisieren wie die Golanhöhen."
"Das wird ein Desaster"
Die Golanhöhen hat Israel im Sechs-Tage-Krieg 1967 erobert und später annektiert. Bis heute verlangt Syrien die Gebiete zurück, ein weiterer Verhandlungspunkt für einen Frieden im Nahen Osten. Wie verändert nun der neue US-Präsident die Lage? Der Tag, an dem Trump gewählt wurde, war der glücklichste für die Rechten hier in Israel, sagt Lior Reshef. Er steht nicht rechts, sondern bezeichnet sich als linken Liberalen. Aber er ist mit den Siedler-Aktivisten Sara Haetzni-Cohen und Shilo Adler befreundet, denn Politik sei schließlich nicht alles im Leben. Dank ihrer Freundschaft wissen die jungen Leute, wie man im anderen politischen Lager tickt, sagt Lior Reshef, der stämmige Unternehmens- und Politikberater.
"Trumps Wahl wird sich schrecklich auf Israel auswirken. Das wird ein Desaster. Denn Amerika war ein Gegengewicht zu der hiesigen Regierung."
"Israel wird immer undemokratischer. Bislang waren die Amerikaner für uns wichtig. Man konnte sie nicht gegen sich aufbringen. Jetzt kommt ein Präsident, der der verrückteste Typ auf der Erde ist. Es wird kein Gegengewicht, keine Balance mehr geben."
Lior Reshef kann aus der 14. Etage eines nagelneuen Bürohauses in Tel Aviv kilometerweit ins Land blicken, doch der bodenständige Politikberater fühlt sich in dieser Höhe nicht wohl, ebenso wenig wie in Israels gegenwärtigem Klima, in dem nur die gewinnen, die sich am besten Gehör verschaffen. Für diese Lautsprecher sei Trumps Wahl eine Ermunterung.
"Es geht bergab, schon seit den 1990er Jahren, die die besten für Israel waren. Seit der Jahrtausendwende und der zweiten Intifada geht es rasant bergab. Und jetzt nochmal schneller. In der Likud-Partei von Netanjahu gibt es Personen, die sehr laut und aggressiv sind. Allen voran der Premierminister selbst. Und Trump ist der schlimmste von allen."
Keine Gefahr einer dritten Intifada
Auch wenn Lior Reshef, wie viele andere in Israel, an eine Zwei-Staaten-Lösung kaum mehr glaubt, mag er in den allgemeinen Abgesang nicht mit einstimmen. Die Gefahr einer dritten Intifada sieht er dennoch nicht heraufziehen. Die Bedrohungen von außen hält er im Moment sogar für verkraftbar.
"Es gab Überlegungen, den Iran zu attackieren, unsere Armee hat Vorbereitungen dafür getroffen. Aber die Amerikaner waren dagegen. Was, wenn sie dafür gewesen wären? Diese Region ist ein Pulverfass, in dem es Israel aber gelungen ist, Abstand zu halten und nicht auch in Brand gesteckt zu werden. Israel ist sogar weniger als früher gefährdet. Von Syrien zum Beispiel. Auch die Ägypter haben genug mit sich selbst zu tun."
Die in Syrien mitkämpfende libanesische Schiiten-Miliz Hisbollah sei zwar stärker geworden, aber keine ernsthafte Gefahr.
"Ihre Armee ist zwar besser als früher, aber sie haben noch immer keine Panzer und Flugzeuge. Es könnte Angriffe von ihnen geben, die unangenehm sind, aber sie werden nicht Tel Aviv in Schutt und Asche legen."
Die Nacht senkt sich über Kabbiya in der Nähe von Haifa. Hier lebt Mohammed Kabbiya. Er heißt wie der gesamte Ort. Alle 5000 Einwohner von Kabbiya tragen den Nachnamen Kabbiya, denn sie gehören zum Beduinenstamm Kabbiya. Sie sind - anders als die Beduinen in Süd-Israel - sesshaft. Viele Männer, wie der 26-jährige Mohamed Said Kabbiya, dienen in der israelischen Armee. Mohamed wollte schon als kleiner Junge zur Luftwaffe.
"Wir müssen nicht zur Armee, wir tun das freiwillig, jedes Jahr gehen zwischen 400 und 500 Beduinen zur Armee. Deswegen müssen wir auch an der Regierung beteiligt werden. Es ist seltsam, verrückt und schlecht, dass wir nur einen einzigen Beduinen-Abgeordneten im Parlament haben, die restliche arabische Community dagegen hat 12, und das, obwohl sie nicht in der Armee dienen und ständig gegen Israel sind."
Der drahtige Reserveoffizier wohnt nahe der Moschee, geht aber nur selten hinein, doch seine Eltern sind schon nach Mekka gepilgert. Mohammed, der die anti-muslimische Haltung des neuen US-Präsidenten kennt, hofft dennoch auf Trumps Unterstützung für Israel. Mohammed will sich politisch engagieren, ihm geht es um Chancengleichheit für Beduinen.
"Nur 20 Prozent der Beduinen haben einen Universitätsabschluss, weniger als jede andere Bevölkerungsgruppe. Die Beduinen, die ihr Leben geben, die in der Armee dienen, die alles für Israels Sicherheit tun, sollten bessere Chancen haben. In meiner Familie sind drei Soldaten gefallen, insgesamt haben 191 Beduinen in Schlachten für Israel ihr Leben verloren."
Linke und Liberale sehen düstere Zeiten voraus
Zurück nach Jerusalem. Im Wissenschaftsministerium hat Jonathan Shay seit ein paar Monaten eine Stelle ergattert. Er ist wie Mohammed Kabbiya 26 Jahre alt und hat wie viele, deren Armeezeit noch nicht lange zurückliegt, vor allem Israels Sicherheit im Blick, wenn er an den künftigen Mann im Weißen Haus denkt.
"Wir wissen alle, dass er meschugge, verrückt ist. Darin besteht kein Zweifel. Aber wir wissen, dass er pro Israel steht. Trump hat einfach erkannt, wer die wirklichen Feinde sind. Putin ist keine positive Figur, aber er ist nicht die ultimative Bedrohung für die westliche Welt. Es gibt heute Kräfte, die sind nicht rational. Der extreme Islam zum Beispiel. Alle diese Terrororganisationen weltweit. Unter ihnen auch direkte israelische Feinde wie die Hisbollah, Hamas. Und auch Al Kaida und ISIS. Das sind die bedrohlichen Kräfte der westlichen Welt, nicht Putin."
Jonathan Shay hält trotz der kürzlich bewilligten 37-Milliarden-US-Dollar schweren Militärhilfe nichts von Barack Obama. Erst mit Trump sei der Beistand auf internationaler Bühne sicher. Israel wisse die Supermacht jetzt an seiner Seite.
"Als ein junger Israeli – also es geht nicht nur um Waffen, es geht auch darum, uns zu unterstützen und beizustehen, wenn wir jemanden brauchen auf der internationalen Ebene. Das ist das, was wir brauchen: jemanden, der die israelische Denk- und Sichtweise verstehen kann."
"Also hier in Israel ist der Bau von Siedlungen so klar. Wir können dort bauen, wie die Deutschen in Berlin bauen können. In der europäischen Denkweise ist das nicht klar. Fast jeder Israeli glaubt, das ist unser Land seit 2000 bis 3000 Jahren. In Deutschland ist das nicht klar. Das sieht so böse aus, wenn wir versuchen, dort was zu fordern."
Der Staat Israel existiert seit 1948. Jahrhunderte zuvor lebten dort Juden, Muslime und Christen unter verschiedenen Herrschern zusammen, zuletzt unter den Briten. Der 26-jährige Jonathan Shay kehrte vor kurzem von einem zweijährigen Aufenthalt aus Deutschland nach Israel zurück. Trumps Versprechen genießt er mit aller Vorsicht, aber er findet es schon mal beruhigend, dass sich der neue Präsident seinen Schwiegersohn Jared Kushner, einen orthodoxen Juden, als Berater ins Weiße Haus holt.
"Wenn er zehn Prozent verwirklichen würde, von dem was er gesagt hat, dann sind wir in einer guten Position. Fünf Prozent, zehn Prozent – das wäre für uns ein Traum."
Jonathan Shay gehört zur Mehrheit in Israel, die vier Mal hintereinander Benjamin Netanjahu und anderen rechtsgerichteten Parteien ihre Stimme gegeben hat. Sie blickt optimistisch auf den Präsidentenwechsel in Washington. Viele der Linken, Liberalen dagegen sehen düstere Zeiten voraus. Die Künstler im "Propolis-Centre" in Jerusalem wehren sich, wenn die Politik ihr Leben zu sehr dominieren droht. Der Maler Matan Israeli gibt sich demonstrativ gelassen.
"Wie viele Künstler haben wir gelernt, mit Unsicherheit zurecht zu kommen. Wir haben keine feste Arbeit, kein festes Gehalt, es herrscht immer eine gewisse Instabilität. Ich habe keine Angst, denn wenn irgendetwas passiert, werde ich mich neu erfinden."