Junge Schiris gesucht

Wenn der Pfiff ausbleibt

23:36 Minuten
Schiedsrichterin Antonia Tucholski gibt Anweisungen.
Seltenes Bild: Gerade mal vier Prozent der Schiris sind weiblich. © dpa / picture alliance / Oliver Baumgart
Von Eduard Hoffmann · 15.10.2023
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Hockey, Basketball, Fußball: Jedes Wochenende leiten viele Schiedsrichter Spiele im Amateurbereich – für eine Aufwandsentschädigung. Dafür müssen sie sich oft beleidigen lassen. Die Nachwuchssorgen sind alarmierend: Wer will sich das noch antun?
 „Nein, da war nichts. Nein, ihr geht beide hin.“
„Nummer vier, nächstes Mal Ball liegen lassen, sonst muss ich gelb geben.“
Die Fußball-Bundesliga-Profis Anton Stach vom FSV Mainz 05 und Nils Petersen vom SC Freiburg haben die Perspektive gewechselt und sind ins Schiedsrichtertrikot geschlüpft. Sie pfeifen im März 2023 das Bezirksliga-Spiel VfR Nierstein gegen den TSV Mommenheim in Rheinhessen. Stach die erste, Petersen die zweite Halbzeit.
An der Seitenlinie werden sie unterstützt von Deniz Aytekin, dem zurzeit wohl bekanntesten deutschen Bundesliga-Schiedsrichter.
Sieht sehr gut aus, Anton. Bei Kurzen nicht so weit wegstehen, bisschen näher dran."

DFB-Kampagne "Jahr der Schiris"

Mit dieser Aktion wurde im März die DFB-Kampagne „Jahr der Schiris“ eingeleitet, unter dem Motto „Liebe den Sport. Leite das Spiel.“ Mit einzelnen öffentlichkeitswirksamen Aktionen möchte der Deutsche Fußball-Bund darauf aufmerksam machen, dass auch die Unparteiischen ein wichtiger Bestandteil des Spiels sind.
Anton Stach und Nils Petersen nach ihrem Einsatz:
„Man geht natürlich jetzt ein wenig sensibler mit dem Schiedsrichter um, wenn man sieht, was da für ein Druck dahinter ist.
„Da nehme ich schon was mit, muss ich sagen - und Respekt auch an die Schiedsrichter im Amateurbereich, dass sie das so machen.“

Das, was die Jungs heute hier abgeliefert haben, das war einfach fehlerlos. Ich muss sagen: Respekt! Mit welcher Ernsthaftigkeit die das auch gemacht haben, mit welcher Wertschätzung auch, und man merkt, die waren hier, weil sie’s wirklich wollten. Das fand ich echt cool.“

Schiedsrichter als Teil der Fußballfamilie

Eine der Hauptverantwortlichen für die DFB-Kampagne ist Moiken Wolk, Leiterin der Amateurschiedsrichter-Abteilung in der Frankfurter Verbandszentrale. Die ehemalige Unparteiische nennt im Podcast "9Meter15 " das Ziel:
Dass es uns irgendwo gelingt, ein Verständnis oder ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass Schiedsrichterinnen und Schiedsrichter auch Teil der Fußballfamilie sind. Respekt, Wertschätzung und Image: Diese drei Komponenten sind ganz, ganz wichtig einfach aufzupolieren, mehr in den Vordergrund zu stellen und einfach auch einzufordern.“
Fußball-Bezirksliga Rheinhessen, VfR Nierstein - TSV Mommenheim: Bundesligaschiedsrichter Deniz Aytekin (Mitte) geht vor dem Spiel mit Anton Stach (links) und Nils Petersen (rechts) über den Platz.
Bundesligaschiedsrichter Deniz Aytekin (Mitte) beim Spiel VfR Nierstein gegen den TSV Mommenheim mit Anton Stach (links) und Nils Petersen (rechts)© dpa / picture alliance / Uwe Anspach
Hintergrund für die DFB-Initiative „Jahr der Schiris“ sind die großen Nachwuchsprobleme im Amateurbereich.

Kaum weibliche Unparteiische

2006 waren noch 80.000 Schiedsrichter und Schiedsrichterinnen aktiv. Für die Saison 2022/23 verzeichnete die DFB-Statistik nur noch 53.616 Unparteiische, darunter gerade mal vier Prozent weibliche.
Profi Deniz Aytekin ist durchaus beunruhigt.

Ich mache mir tatsächlich Sorgen, dass, wenn es so weitergeht und wir immer weniger Schiedsrichter haben, dass irgendwann Amateurspiele nicht mehr besetzt werden können. Und der Sache muss man sich eben bewusst sein - und deswegen unterstützen wir das auch alle und hoffen natürlich, dass das auch eine positive Wirkung hat.

Schiedsrichter Deniz Aytekin

Schon heute fehlen bei zahlreichen Amateurspielen Unparteiische. Und die sogenannte Drop-out-Quote ist hoch. Von den neu ausgebildeten Schiris quittieren viele sehr bald wieder den „Dienst mit der Pfeife“. In der letzten Saison wurden knapp 8.500 neue Schiris ausgebildet. Aufgehört haben 11.200. 
Wenn es uns irgendwie gelingt, dass wir dieses Verhältnis umkehren können, dass wir weniger Schiedsrichterinnen und Schiedsrichter verlieren, als wir ausbilden, dann haben wir sehr, sehr viel richtiggemacht und viel erreicht.“

Kein zusätzliches Geld vom DFB

Bis dahin ist es noch ein weiter Weg. Ein Marathon, kein Sprint, das weiß auch Moiken Wolk.
Ob es da ausreicht, ein Bezirksligaspiel öffentlichkeits- und medienwirksam von Bundesliga-Spielern pfeifen zu lassen und ihnen einen Profi-Schiri zur Seite zu stellen? Oder den Verbänden und Vereinen eine Online-Toolbox an die Hand zu geben, aus der sie sich Werbematerial wie Poster, Sticker, Bierdeckel und Flyer runterladen und ausdrucken können?
Zusätzliches Geld für den Schiedsrichter-Bereich haben die 21 Landesverbände nicht vom DFB erhalten, sagt Peter Oprei, der Schiri-Chef des Fußballverbandes Mittelrhein.
„Es gibt keine Spezialgelder jetzt nur für das Jahr des Schiedsrichters, sondern es fließt alles mehr oder weniger im Großen und Ganzen ein.“
Ein Spiel in der Kreisliga B, eine der untersten Spielklassen im Fußballkreis Aachen. Hier leitet Tina Bürschgens ein Lokalderby und versucht sich bei den Akteuren auf und neben dem Platz Respekt zu verschaffen und ein regelgerechtes Spiel zu ermöglichen.
Es war sehr anstrengend. Es war auch sehr körperbetont. Am Ende gab es dann viele Diskussionen. Eine rote Karte wegen Tätlichkeit oder Nachtreten.“
Tina Bürschgens pfeift seit 2007. Sie ist eine von drei Schiedsrichterinnen im Fußballkreis. Schon als Vierjährige spielte sie mit Jungs Fußball. Der Vater las dann in der Zeitung, dass Unparteiische gesucht werden.
"Dann habe ich einfach gedacht, ich will mal die andere Seite kennenlernen, habe den Schiedsrichter Lehrgang gemacht. Das war damals noch ein Wochenendlehrgang, freitags bis sonntags, da war dann sonntags die Leistungsprüfung. Nach meinen ersten Spielen habe ich gesagt, das machst du nicht lange. Man ist sehr unsicher, aber man wächst mit den Spielen, mit der Erfahrung.“

Paten helfen neuen Schiedsrichtern

Bei den ersten Begegnungen wurde sie von erfahrenen Schiedsrichterkollegen, sogenannten Paten, begleitet, und es gab immer gemeinsame Nachbetrachtungen. Das war für die heute 31-jährige Industriekauffrau eine große Hilfe. Ebenso die regelmäßigen Fort- und Weiterbildungen.
Für das bundesweit erfolgreiche Patensystem, so erklärt Peter Oprei, Schiri-Ausschussvorsitzender beim Fußball-Verband Mittelrhein, gibt der DFB Gelder.
Tina Bürschgens macht der Schiri-Job Spaß. Sie leitet jedes Wochenende meist mehrere Spiele. Die Rheinländerin pfeift bei den Männern in allen Kreisklassen, im gesamten Jugendbereich und bei den Frauen in der Bezirks- und Landesliga. Bei Wind und Wetter und für lächerliche Spesen.
Der Fußball-Verband Mittelrhein hat kürzlich eine Erhöhung um fünf Euro beschlossen. In den Kreisligen erhalten die Unparteiischen jetzt 24 Euro und weiterhin 30 Cent pro Kilometer als Fahrtkostenerstattung.
Auch wenn es den meisten Unparteiischen nicht ums Geld gehe, empfänden sie die magere Aufwandsentschädigung angesichts rasant gestiegener Lebenshaltungskosten nicht als angemessene Wertschätzung. Sagt Peter Wackers. Er pfeift in der Mittelrhein-Liga, der fünft höchsten Spielklasse.
„Das hören die Vereine natürlich nicht gerne, weil sie es bezahlen. Aber fünf Euro ist ein Tropfen auf den heißen Stein. Gerade, wenn man jetzt auch die Inflation oder so mit betrachtet und sieht, wie die Spritpreise natürlich auch in den letzten Jahren in die Höhe gegangen sind, weil sich die Kilometerpauschalen nicht erhöht haben. Ich finde, wir sind Teil des Spiels. Und so viel wie die Spieler eigentlich bekommen. Und da kriegen wir 55 Euro und die Assistenten 45 Euro. Für die höchste Amateurklasse, also die fünfte Liga in Deutschland, finde ich das deutlich zu wenig.“

Aufwandsentschädigung unter dem Mindestlohn

Bei dem großen zeitlichen Aufwand mit zum Teil längeren Anfahrten und geradezu minutiöser Dokumentationspflicht im Spielbericht, liege das weit unter dem Mindestlohn, meint der leitende Verwaltungsbeamte.
„Wenn ich höre, was manche Spieler in der Klasse bekommen, da reden wir über drei- bis vierstellige Summen im Monat. Natürlich machen wir es nicht fürs Geld, aber das Geld ist schon wichtig, weil es einfach eine Anerkennung ist - und weil man ja auch einen Aufwand damit hat.“
Die Schiri-Elite hingegen, 160 Schiedsrichterinnen und Schiedsrichter für die beiden Bundesligen und die 3. Liga, sind in einer professionellen GmbH organisiert. Eine Tochtergesellschaft von DFB und Deutscher Fußball Liga DFL, die Vertretung der Profivereine.

Bundesliga-Schiris erhalten Grundgehalt

Bis zu 80.000 Euro Grundgehalt im Jahr erhalten die zurzeit ausschließlich männlichen Bundesliga-Schiedsrichter. Plus 5.000 Euro pro Einsatz. In der dritten Liga bezahlen die Vereine den Unparteiischen 750 Euro pro Spiel.
In den unteren Klassen sind die 21 Landesverbände zuständig, die den Aufwand ihrer Spielleiter und Spielleiterinnen unterschiedlich entschädigen. Am besten zahlt der Bayerische Fußball-Verband.
Peter Wackers und Tina Bürschgens sind bislang von massiver körperlicher Gewalt verschont geblieben. Pöbeleien, Beschimpfungen und Anfeindungen aber gehören zu ihrem Alltag. Vor anderthalb Jahren wurde die junge Schiedsrichterin in kurzer Zeit mehrmals überaus aggressiv verbal von Spielern angegangen. 
„Wo ich dann auch kurz überlegt habe, meine Schiedsrichterkarriere zu beenden. Habe es aber dann nicht gemacht, hatte aber dann zwei, drei Wochen mal Pause, um das zu verdauen, runterzukommen und abzuschalten.“

Zunehmende Respektlosigkeit

Peter Wackers hat in den letzten Jahren gerade bei Vereinsvertretern und Trainern eine zunehmende Respektlosigkeit festgestellt.

Das wird leider von oben so vorgelebt. Wenn ich mir die Julian Nagelsmanns und die Marco Roses dieser Welt anschaue, wie sie mit erhobenem Arm einfach vor einem Millionenpublikum dem Schiedsrichter in den Kabinengang folgen, ist das für mich einfach kein respektvolles Verhalten. Das finde ich dann auch auf der anderen Seite sehr bedenklich, weil wir Nachwuchsprobleme haben und das natürlich dann immer schwieriger wird, weil viele junge Menschen sagen: Warum tue ich mir das an, warum soll ich mir das antun, sodass ich da auch noch mal einen klaren Appell an der Stelle senden möchte an diejenigen, die auf dem Fußballplatz stehen oder daneben auch, sich dessen bewusst zu sein.

Schiedsrichter Peter Wackers

Von Funktionärsseite wird die Gewalt auf und neben dem Fußballplatz oft kleingeredet und als gesamtgesellschaftliches Problem weggeschoben. Im Massensport Fußball komme es natürlich auch zu mehr Vorfällen als in anderen Sportarten, erklärt Moiken Wolk, die Leiterin der DFB-Amateurschiris, im Podcast:
„Es ist kein fußballspezifisches Problem. Und da wiederhole ich mich, auch der DFB kann direkt vor Ort wenig tun. Wir haben keine Möglichkeit, zu jedem einzelnen Verein zu fahren und dort vor Ort für Ruhe und Frieden zu sorgen. Aber jeder Einzelne vor Ort auf diesem Fußballplatz kann mit Zivilcourage und mit Eingreifen und eben nicht still sein schon viel dazu beitragen, dass eben auch auf dem Fußballplatz wieder mehr Ruhe einkehrt und nicht diese Schlagzeilen weiter zu lesen sind.“

Mehr Schiedsrichterinnen im Handball

Vom Fußballplatz hinein in die Halle, zum Handball.
Die großen Gewaltprobleme wie im Fußball kennen andere Mannschaftssportarten wie etwa der Handball nicht. Das bestätigt Jutta Ehrmann-Wolf, die hauptamtliche Leiterin des Schiedsrichterwesens im Deutschen Handballbund. Die gebürtige Badenerin gehörte zum ersten weiblichen Schiri-Duo, das Spiele der Männer-Bundesliga, später auch internationale Begegnungen, pfeifen durfte.
Im Großen und Ganze haben wir da einen Unterschied zum Fußball-Bereich. Der Umgang ist da schon besser. In der Kreisklasse, je nachdem, in welchem Hotspot man sich bewegt, kann da schon mal ein bisschen mehr passieren. Ich hoffe, dass wir da unsere Kultur als Handball auch nicht verlieren, dass wir uns das erhalten. Das ist ein klares Unterscheidungsmerkmal zum Fußball, dass man im Handball einen anderen Umgang pflegt.“
Im Handball sind - anders als im Fußball - ein Drittel der Unparteiischen Frauen. Nachwuchssorgen hat der DHB dennoch.
Tanja Kuttler (Schiedsrichterin) gibt Anweisungen beim Handball-Bundesligaspiel Rhein-Neckar Löwen gegen HC Erlangen.
Tanja Kuttler ist Schiedsrichterin in der Handball-Bundesliga und gibt Anweisungen.© dpa / picture alliance / Oliver Zimmermann
Um Anerkennung und Wertschätzung auszudrücken, lädt der Verband die Schiedsrichterinnen und Schiedsrichter an der Basis zu großen Events ein, wie etwa zum diesjährigen Supercup-Finale in Düsseldorf. Zudem versucht der DHB in den Handballhochburgen, Amateur- und Spitzenschiedsrichterinnen zum Erfahrungsaustausch zusammenzubringen.

„Wir waren in Leipzig, in Berlin, wir gehen jetzt nach Hannover, wir gehen zu den Rhein-Neckar-Löwen. Gehen zu den Bundesligisten, laden dort Schiedsrichter ein, machen dort 'Meet and Greet'  mit den Spitzenschiedsrichtern, weil die können natürlich auch von ihrem Erfahrungsschatz den Leuten an der Basis etwas geben.“

Begleitung von jungen Schiedsrichtern

Nicht zuletzt gehören auch der Schutz und die intensive Begleitung junger Schiedsrichterinnen und Schiedsrichter zu den Initiativen, um Nachwuchs anzuwerben. Aber auch, um aktive Unparteiische bei der Stange zu halten.
Neben dem „Taschengeld“ biete das Schiedsrichtern ein „hervorragendes Persönlichkeitstraining“, bei dem man auch lerne, Entscheidungen zu treffen, sagt die erfahrene Schiri-Chefin Ehrmann-Wolf.

Nachwuchssorgen auch bei den Basketballern

Große Nachwuchssorgen gibt es auch bei den Basketballern. Günter Brökelmann ist Schiri-Verantwortlicher beim größten Landesverband in Nordrhein-Westfalen. Der frühere Bundesliga-Schiedsrichter ist auch heute noch fast jedes Wochenende mit der Pfeife unterwegs.
Im Handball und Basketball werden immer zwei Unparteiische pro Spiel gebraucht. Vor zehn Jahren standen Brökelmann noch 760 Unparteiische zur Verfügung, heute muss er mit 520 auskommen.
Ich brauche aber zwischen 750 und 1.000, weil ich einen ziemlich großen Spielbetrieb habe. Ich habe an jedem Wochenende 500 Spiele, sage ich mal, wo ich schon alleine 1000 Schiedsrichter dafür brauche. Verteilt sich zwar auf zwei Tage, aber die Schiedsrichter, die aktiv sind, gehen langsam auch an ihre Grenzen. Momentan fallen einige Spiele aus, weil wir keine Schiedsrichter haben, die wir da hinschicken können. Also wenn der Spielbetrieb komplett voll ist, dann funktioniert das nicht mehr. Dann kriegen wir es nicht hin - und dann fallen Spiele aus.“

Manche pfeifen mehrere Spiele am Wochenende

Obwohl manche Schiris drei, vier Spiele oder mehr am Wochenende pfeifen.
Brökelmann beklagt die große Ichbezogenheit der jungen Generation, die keinen Sinn mehr habe für gemeinschaftliches ehrenamtliches Engagement.
Ähnlich wie im Fußball und Handball soll auch im Basketball ein Patenkonzept helfen, die jungen Unparteiischen bei der Stange zu halten und vielleicht auch neue für den Job zu motivieren. Dafür sollen die Jungschiedsrichterinnen und -schiedsrichter regional in Gruppen aufgeteilt und von erfahrenen Schiris betreut werden.

Kritik an Aufwandsentschädigung

Ein weiterer Anreiz, da ist sich Günter Brökelmann sicher, wäre die Erhöhung der Aufwandsentschädigung. 20 Euro pro Spiel gibt es etwa in der Bezirksliga. „Viel zu wenig“, sagt der 69-Jährige, der zwar immer noch Spaß am Schiri-Job hat, aber auch gerne seine Pfeife an den Nagel hängen würde, wenn denn genügend Nachwuchs vorhanden wäre.
Ein Beispiel, wie schon ganz früh Lust auf das Schiedsrichtern gemacht werden kann, bietet die Grengracht-Grundschule in der Kleinstadt Baesweiler im ehemaligen Aachener Kohlerevier.

Projekt mit Schüler-Schiris

370 Kinder lernen hier und toben in den Pausen bei trockenem Wetter auf dem Schulhof. Vor allem die Jungs finden Ablenkung beim Fußball. Leider mit vielfach auch handgreiflichen Auseinandersetzungen, erinnern sich Jonas und Umud.
„Oh, das war schwer da, mit voll viel Streit.“
Der unhaltbare Zustand war bald Thema im Schülerparlament und die Erzieherin Nele Pallmann-Heger, als neue Förderfachkraft eingestellt, hatte die Idee, das Problem mit Schüler-Schiris zu lösen.
Auf dem Pausenhof wurden zunächst zwei Spielfelder markiert und kleine Tore aufgestellt. 80 Interessierte wollten Schiedsrichter werden. Zwölf Jungs und vier Mädchen wurden ausgewählt, machten die Ausbildung und bestanden alle die abschließende Prüfung bei einem lizensierten Schiri.
Seither stellen sie abwechselnd in jeder Pause einen Unparteiischen auf den Fußballfeldern.
Für Schulleiter Axel Schiffer ist das Projekt ein großer Gewinn. Und das nicht nur, weil jetzt die aufwendigen Nachbesprechungen von Vorfällen im Anschluss an die Pausen stark reduziert seien.

Durch dieses Projekt gewinnen die Kinder ein unglaubliches Mehr dazu, was sonst vielleicht in dem Regelunterricht gar nicht so in der Intensität aufgegriffen werden kann. Da geht es um so etwas wie Gerechtigkeitsfragen. Dann auch so etwas wie Verantwortung selber übernehmen. Das sind nur zwei Aspekte, die dabei sind. Neben sich auch bewegen, in Kontakt gehen, Kommunikation, die Kooperation auch untereinander. Das ist so vielfältig.

Schulleiter Axel Schiffer

Auch Projektleiterin Nele Pallmann-Heger ist begeistert, mit welchem Eifer und welcher Ernsthaftigkeit die Grundschulkinder bei der Sache sind, und wie mit der selbst gewählten Aufgabe ihr Selbstbewusstsein stetig wächst. Nach den Erfahrungen ist sich die Erzieherin sicher,
„dass man Kindern auf jeden Fall viel mehr zutrauen kann, als man denkt. Also Kinder werden, finde ich, oft unterschätzt, und ihnen sollte man viel mehr Aufgaben zutrauen können und sie auch dazu dann bringen - oder ihnen helfen, auf dem Weg selbstständiger zu werden.“
Vielleicht sind die jungen Unparteiischen der Grengracht-Schule ja schon in ein paar Jahren als gestandene Amateur-Schiris auf den Fußballplätzen der Region unterwegs.

 

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