Hubertus Porschen, 1982 geboren, ist Bundesvorsitzender des Verbandes "Die Jungen Unternehmer". Während seines Studiums der Volkswirtschaft gründete er bereits seine erste Firma. Porschen ist CEO der App-Arena GmbH, einem Unternehmen, das sich auf Leadgenerierung und Kundengewinnung und -bindung Tools spezialisiert hat.
Mehr Informatik und Wirtschaft in die Schulen
Deutschland wird noch Jahrzehnte für den Breitbandausbau brauchen, bemängelt Hubertus Porschen vom Verband "Die jungen Unternehmer". Das Verhältnis von Wirtschaft und Politik müsse ganz neu ausgehandelt werden, fordert er. Und bereits in den Schulen sollte das Fach Informatik auf dem Stundenplan stehen.
"Reden können viele, aber die Dinge werden nicht umgesetzt." Zwei Jahre nach dem Start der "Digitalen Agenda" der Bundesregierung zieht der Verband "Die jungen Unternehmer" eine kritische Bilanz. Als Beispiel nennt ihr Bundesvorsitzender, Hubertus Porschen, den zögerlichen Ausbau des Breitbandnetzes. "Wenn wir so weitermachen, dann dauert es bis 2057, bis die flächendeckende Versorgung gewährleistet ist."
Digitalisierung müsse und werde in allen Bereichen Einzug halten. In der Politik, in der Verwaltung, aber auch in traditionellen Unternehmen:
"Wir brauchen neue, frische Unternehmen, die auch den alt eingesessenen Unternehmen Feuer machen, damit die weiter innovativ sind."
Das Interview im Wortlaut:
Deutschlandradio Kultur: Er zählt zu der neuen Generation der sogenannten "Speaker" im deutschsprachigen Raum. Seine Expertise: Digitalisierung und Unternehmertum, sein besonderes Plus: ein einhundertprozentiger Praxisbezug – so präsentiert er sich zumindest auf seiner Internetseite. Tacheles heute mit Dr. Hubertus Porschen. Er ist 34 Jahre alt, promovierter Volkswirt, Geschäftsmann und seit einem Jahr Bundesvorsitzender des Verbandes der Jungen Unternehmer. Herzlich willkommen, Herr Porschen.
Hubertus Porschen: Ja, vielen Dank, auch herzlich willkommen.
Deutschlandradio Kultur: Die deutsche Wirtschaft zeigt sich im ersten Halbjahr in guter Verfassung. Das Wachstum ist stärker als gedacht. Die öffentlichen Haushalte verzeichnen bereits zur Jahresmitte einen Rekordüberschuss von 18,5 Mrd. Euro. Wolfgang Schäuble denkt über Steuererleichterungen nach. Es hätte eigentlich schlimmer kommen können, oder?
Hubertus Porschen: Es kann immer schlimmer kommen, aber es kann sicherlich auch besser kommen. Gut stehen wir im Moment da, aber ich bin der Auffassung, dass sich einiges ändern muss.
Deutschlandradio Kultur: Da kommen wir gleich dazu. Aber wenn er von Steuerentlastungen redet, müsste es eigentlich in Ihrem Sinne sein. Denn auch die Jungen Unternehmer sagen, wir brauchen Steuerentlastung, also, dieses liberale Modell "mehr Netto vom Brutto". Ist das richtig?
"Wir sind für eine Generationengerechtigkeit"
Hubertus Porschen: Das kann man so sagen. Man muss es sicherlich ein bisschen differenzieren. Wir sind vor allen Dingen als junge Unternehmer oder auch als junge Generation für eine Generationengerechtigkeit. Der Schuldenberg, den die Politik für uns angehäuft hat, den möchten wir natürlich verringern. Das ist ein vornehmliches Anliegen von uns. Aber natürlich sind wir als Unternehmer auch für Steuererleichterungen. Wir möchten, dass unsere Mitarbeiter besser bezahlt werden, und möchten auch, dass wir mehr Arbeitsplätze schaffen können.
Deutschlandradio Kultur: Aber wenn Sie sagen, Steuererleichterung wäre ganz sinnvoll, kann man ja sagen, ja, das können wir im Moment machen, aber viel sinnvoller wäre es eigentlich, in die Zukunft zu investieren. Da gibt es tatsächlich große Felder, Sie werden es gleich besprechen, Thema Digitalisierung. Also, warum überhaupt Steuererleichterungen und nicht jetzt klar fordern: Nein, tut das Geld da rein, wo wir es brauchen, damit wir in Zukunft auch gut hier leben können?
Hubertus Porschen: Das ist sicherlich ein Dreiklang, den wir eigentlich fordern und den ich auch so mit Inbrunst vertreten kann. Das ist einerseits Schuldenabbau. Das ist das Thema Investitionen in die Zukunft und ja.
Deutschlandradio Kultur: Investitionen in die Zukunft. Wir haben seit zwei Jahren die digitale Agenda. Die Bundesregierung hat das Problem erkannt. Sie will Deutschland sozusagen wetterfest für die Zukunft machen und hat in den letzten Tagen die zweijährige Bilanz gezogen und gesagt, das läuft eigentlich ganz gut. – Sehen Sie das auch so?
Hubertus Porschen: Das sehe ich überhaupt nicht so. Da ich das Thema Digitalisierung nicht nur aus der politischen, sondern auch aus der unternehmerischen Perspektive immer wieder betrachten kann, fällt mir umso deutlicher auf, was für starke Defizite wir in Deutschland hier aufgebaut haben. Wir müssen meines Erachtens sehr stark aufpassen, dass der Zug nicht ohne uns davon rauscht. Die Politik geht hier gerade als sehr, sehr schlechtes Vorbild voran. Das muss man so ganz eindeutig sagen.
Deutschlandradio Kultur: Nun will ich Ihnen mal widersprechen. Es gibt drei Ministerien, die sich um das Thema Digitalisierung kümmern. Sigmar Gabriel, Bundeswirtschaftsminister und SPD-Chef, der sagt: Wir wollen bis 2025 die modernste Wirtschaftsnation der Erde sein. – Also, das Problembewusstsein ist doch da. Die wollen doch was.
Hubertus Porschen: Reden können viele. Hier so ein gewisser knowing doing gap zu erkennen.
Deutschlandradio Kultur: Was heißt das?
"Die digitale Infrastruktur muss funktionieren"
Hubertus Porschen: Das heißt, man weiß vielleicht Sachen, aber man setzt sie nicht um. Das hilft einem dann nicht viel. Ich möchte Ihnen auch ein konkretes Beispiel nennen. Ich als ordnungspolitischer Vertreter, so habe ich das zumindest gelernt und diese Auffassung auch, dass der Staat die richtigen Rahmenbedingungen setzen sollte, sage ich halt ganz klar, dass wir eine vernünftige Infrastruktur brauchen. Und Infrastruktur bedeutet heutzutage nicht mehr nur, dass unsere Straßen in einem vernünftigen Zustand sind, damit die Wirtschaft funktioniert, sondern auch die digitale Infrastruktur muss funktionieren.
Deutschlandradio Kultur: Also Stichwort Breitbandnetze.
Hubertus Porschen: Breitbandausbau ist sicherlich eines unserer Lieblingsthemen. Hier haben wir auch den Verkauf der Telekomanteile gefordert, um diesen weiter zu forcieren oder auch zu finanzieren. Hier ist einfach viel zu wenig passiert.
Da gibt es so eine nette Zahl, die ich immer im Hinterkopf habe. Wenn wir in dem Tempo weitermachen beim Breitbandausbau, dann sind wir 2057 flächendeckend in Deutschland. Das ist doch etwas, was extrem schockierend ist für einen Hochtechnologiestandort wie Deutschland. Wenn der es noch nicht mal schafft, die Infrastruktur entsprechend aufzubauen, dann mache ich mir schon Sorgen.
Deutschlandradio Kultur: Trotzdem, wir haben viele mittelständische Unternehmen, auch Familienunternehmen, für die Sie auch sprechen, auch junge, die ja nicht nur in den Großstädten sind, sondern auch auf dem Land. Und irgendwie scheint es zumindest im Moment ja noch zu funktionieren. Wir sind immer noch eine Nation, die stark exportiert mit guten Produkten trotz dieses Mangels. – Wie erklären Sie sich das.
Hubertus Porschen: Ja, das ist im Moment noch so, gar keine Frage. Die Frage ist, wie lange das noch so ist. Ich habe gerade gestern noch mit einem Unternehmer aus Hamburg gesprochen, der mehrere Wäschereien dort betreibt, wo man im ersten Moment denkt, was hat das mit Digitalisierung zu tun. Auch der sagt ganz klar, es muss sich was tun in der Politik, dass er sehr zu kämpfen hat, ob das einfache Internetanschlüsse sind oder andere Probleme, mit denen er zu kämpfen hat, aber da muss sich was tun.
Anderes Beispiel: Ich komme aus Köln, 20 km vor den Toren von Köln, das Bergische Land, der Oberbergische Kreis, da sind riesengroße Unternehmen, die sogenannten Hidden Champions, wie man so schön sagt. Die sitzen irgendwie in der Pampa, wie man umgangssprachlich sagt. Das stellt irgendwann schon ein Riesenproblem dar. Die können sich vielleicht jetzt noch selbst behelfen, aber ob das ein Modell für die Zukunft ist, ob die sich nicht auf ihre Kernkompetenzen konzentrieren sollten, auf ihr Produkt. Und wenn die da selbst Leitungen verlegen müssen, ich bezweifle, ob das Sinn der Sache ist.
Deutschlandradio Kultur: Jetzt ist der Ausbau des Breitbandnetzes im Verkehrsministerium angegliedert, sprich bei Herr Dobrindt. – Nimmt er seine Sache ernst?
Mehr Unternehmermentalität ins Kanzleramt
Hubertus Porschen: Ja, also, er versucht es sicherlich immer wieder mit Äußerungen, ähnlich wie Sigmar Gabriel, der durchaus als Wirtschaftsminister auch schon, wie Sie eben erläutert haben, das Problem durchaus erkannt hat und mal was sagt, sich auch mal mit jungen Gründern ablichten lässt. Aber dass wirklich was passiert, sehe ich eigentlich nicht. Da müsste schon mehr passieren.
Ich sehe zudem auch, dass die Last, und die Frage sollte man sich mal grundsätzlich stellen, vielleicht auf zu viele Schultern verteilt ist. Darum ist da im Moment keine klare Verantwortung. Die Wirtschaft muss generell digital werden Die Unternehmer arbeiten da schon sehr stark dran, aber die Politik muss auch als Vorbild vorangehen.
Eine unserer Forderungen ist beispielsweise, dass man die Startup-Mentalität auch in die Politik holt und vielleicht dem Kanzleramt ein Startup angliedert.
Deutschlandradio Kultur: Was soll das denn sein? Sie wollen ein Startup im Kanzleramt angliedern, damit die Kanzlerin nochmal lernt, dass das Internet gar nicht so neu ist, oder was?
Hubertus Porschen: Das wäre in jedem Fall gut. Dafür kann die Kanzlerin auch gerne jederzeit zu uns kommen, wenn sie das lernen möchte. Aber mir geht es darum, dass man Zeichen setzen soll. Eine Diskussion anfachen ist ein erstes Zeichen. Das ist die digitale Agenda gewesen. Sich mit Startups zu umgeben und mal nett ablichten zu lassen, das ist ein zweites Zeichen. Jetzt muss aber was passieren. Wir brauchen den Spirit. Und wenn Sie sich Länder wie Estland oder auch Österreich angucken, die in der digitalen Verwaltung schon sehr weit fortgeschritten sind, dann sind das gerade in Estland durchaus Startups, die da für eine komplette Digitalisierung gesorgt haben. Den Prozess hat die Politik aktiv initiiert.
Also, man muss sich mal vorstellen, dass man in Deutschland selbst für die einfachste Gründung mindestens fünfhundert bis tausend Euro braucht, allein an Notargebühren. Das ist eigentlich unmöglich. Das ist so wachstumshemmend für uns. Auch die Behördengänge, Gewerbeanmeldung usw., das sind Prozesse, die eigentlich so einfach zu digitalisieren sein sollten, da lacht sich doch jedes amerikanische IT-Startup über uns kaputt.
Deutschlandradio Kultur: Es gibt auch die CDU beispielsweise. Die sagt: Wir brauchen einen Staatsminister für Digitalpolitik. Auch das hört sich entweder gut an oder man könnte sagen, ein neuer Wasserkopf und dann hat man eben wieder einen Titel und es geht nicht voran. – Also, wo wollen sie eigentlich ansetzen?
Hubertus Porschen: Mir geht es darum, dass die Politik ein Zeichen setzt. Den Unternehmertum-Spirit auch in die Politik holen, das ist ein erster Ansatz. Aber ob das eine Person ist, das könnte eine Möglichkeit sein. Ich finde den Vorschlag auch gar nicht so schlecht. Dann hat man eine Verantwortlichkeit. So hat man immer den Eindruck, dass die Verantwortung verteilt wird. Ist es jetzt Gabriel, ist es jetzt Dobrindt, der dafür zuständig ist? Herr Oettinger meldet sich von Zeit zu Zeit nochmal zu Wort. – Wir müssen uns schon mehr Unternehmermentalität auch in die Politik holen und da als Vorbild voranschreiten.
Deutschlandradio Kultur: Sie müssen sich ja vielleicht auch an die eigene Nase fassen. Zumindest sagt der Digitalverband Bitkom: Es gibt auch Defizite in der mittelständischen Wirtschaft. Es ist nicht so, dass alle mittelständischen Unternehmen sozusagen ihre Startups haben und nur noch auf die Leitplanken der Politik warten. Auch die müssen lernen und für die ist das auch teilweise noch fremd. – Also, welche Eigenleistungen müssen die Unternehmen bringen, bevor sie darauf warten, dass die Politik, die etwas langsamer reagiert, auch loslegt?
"Ich kenne den Prozess der schöpferischen Zerstörung"
Hubertus Porschen: Die Unternehmen müssen schon immer innovativ sein. Das hat sich nicht geändert. Das war vor hundert Jahren so und das war auch vor fünfzig Jahren so und vor zwanzig, ist jetzt genauso. Ich glaube, die Unternehmer wissen sich schon sehr gut zu helfen. Ich bin Verfechter von Schumpeter, kenne den Prozess der schöpferischen Zerstörung. Wir brauchen einfach eine wirtschaftliche Dynamik. Und wir brauchen neue Unternehmen, frische Unternehmen, davon haben wir zu wenig, die auch den alteingesessenen Unternehmen Feuer machen, damit die weiter innovativ sind.
Digitalisierung kann man durchaus als eine Welle bezeichnen, die jetzt wirklich riesige Veränderungen mit sich bringt, auf die sich die Unternehmen einstellen müssen. Dafür gibt es ja ganz viele Beispiele. Ein gutes Beispiel ist airbnb oder Uber. Das sind die typischen amerikanischen. "Startups" kann man ja gar nicht mehr sagen, das sind ja schon fast Konzerne jetzt geworden, die halt komplette Branchen ja zerstören. Heutzutage nennt man das oder im Silicon Valley nennt man das disruption oder auch in der deutschen Startup-Szene. Das ist ja nichts anderes als der Prozess der schöpferischen Zerstörung, der da vor sich geht.
Wir haben in Deutschland eine produzierende Industrie. Wir haben so viele Hidden Champions. Das ist ein riesen Asset, den wir anderen Ländern voraus haben. Den sollten wir meines Erachtens beibehalten. Wir müssen es nur schaffen, die Digitalisierung zu verstehen, das Denken in Plattformen beispielsweise. Wenn der Stahlriese Klöckner als extrem produzierendes Unternehmen oder Händler von Stahl nun überlegt, wie er in die digitale Welt geht, dann fängt er auf einmal an, seine Online-Welten aufzubauen, Angebot und Nachfrage zu bündeln und vielleicht ganz neue Wege zu gehen. Das ist ein gutes Beispiel, wie wir diesen Weg gehen können. Aber letztendlich muss jedes Unternehmen dafür seinen eigenen Weg finden.
Deutschlandradio Kultur: Sie selbst haben ja auch ein Unternehmen gegründet oder vielleicht sogar mehrere und nennen sich CEO. Das ist also dieser us-amerikanische Begriff für geschäftsführendes Vorstandsmitglied. Kann man das so sagen? Und dann bieten Sie Social-Media-Tools für Webseiten und Facebookseiten an und schreiben auf Ihrer Website, Sie "helfen Unternehmen Leads zu generieren, da der User im engadged werden müsse". Also, für jemanden wie mich, der nicht digital native ist, die einfache Frage: Womit verdienen Sie eigentlich Ihr Geld?
Hubertus Porschen: Also, wir helfen Unternehmen Daten zu generieren. Das kann man so sagen. Für Unternehmen geht es oftmals darum, wenn wir die gesamte Wertschöpfungskette betrachten und dann mit der Überschrift Digitalisierung versehen, dann gibt es verschiedene Prozesse innerhalb dieser Wertschöpfungskette, die angebunden werden müssen.
Einer kann beispielsweise Buchhaltung sein. Da gibt es ganz neue Möglichkeiten. Ein anderer Teil ist aber auch das Thema Marketing. Damit beschäftigen wir uns. Und wie können Unternehmen, die bisher traditionelles Marketing betrieben haben, nun auch in der Online-Welt Fuß fassen? Was können sie aus einer normalen Zeitungsanzeige machen, um Kontakte zu generieren. Leads ist nichts anderes als ein englisches Wort für Kontakte, das allerdings sehr analytisch, sehr zielgruppenorientiert. Also, wir bauen Tools. Das sind Gewinnspiele. Das sind Tippspiele usw. für Unternehmen, die diese dann einsetzen mit ihren Kunden engagen. Das bedeutet interagieren, also in Kontakt treten.
Das ist keine Einwegkommunikation mehr heutzutage im Internet, dass man dort das Unternehmen kommuniziert, sondern es ist eine Zweiwegkommunikation. Es ist wechselseitig. Der Nutzer möchte Feedback geben. Und das Unternehmen muss versuchen, noch mehr am Nutzer dran zu sein, um sein Feedback zu bekommen, um sein Produkt zu verbessern. Und dabei helfen letztendlich unsere Tools, die wir bereitstellen.
Deutschlandradio Kultur: Also, da geht’s nicht nur um Verkaufsstrategie, sondern um Verbesserung auch von Produkten, wenn ich das richtig verstanden habe.
Hubertus Porschen: Absolut, genau. Bei ganz vielen Sachen in der Digitalisierung geht’s um eine Sache. Und das ist die Schnittstelle zum Kunden. Das ist eigentlich ein Ur-Asset der deutschen Wirtschaft, auch von ganz vielen Familienunternehmen. Das in die digitale Welt zu übertragen, ist eine Riesenherausforderung. Eben mit solchen Tools kann man das schaffen, auch den Nutzer abzuholen, Feedback von dem zu holen, den Nutzer zu animieren, als Botschafter des Unternehmens aufzutreten.
Also, wenn ein Nutzer Werbung macht für ein Unternehmen oder eine Empfehlung abgibt, hat das sicherlich einen viel höheren Wert für ein Unternehmen, als wenn das Unternehmen sagt, ich bin der Beste oder das beste Unternehmen. Es ist viel schöner, wenn Sie mich weiterempfehlen, als wenn ich mich selber weiterempfehle.
"Die Generation unter 40 steht bei der Politik nicht im Mittelpunkt"
Deutschlandradio Kultur: Herr Porschen, nächste Woche laden Sie und die Jungen Unternehmer zu ihrem Gipfel nach Dortmund ein. Sie wollen über "Deutschlands Zukunft" reden. – Worum geht’s im Kern?
Hubertus Porschen: Wir sind die jungen Unternehmer unter vierzig. Wir sehen im Moment eine Politik oder nicht nur im Moment, eigentlich schon seit längerem in Deutschland, die unserer Generation wenig in die Karten spielt, die die jetzige Generation in den Mittelpunkt stellt. Oftmals sind das die Rentner, wenn wir die Diskussion der Rente um 63 anschauen, aber unsere Generation vollkommen außer Acht lässt.
Deswegen möchten wir parteiübergreifend mit Politikern sprechen, diskutieren und sagen, was wir in Deutschland besser machen können. Nicht immer nur immer in Erhaltung, sondern wir brauchen Investitionen in Gründung. Wir brauchen aber auch, wie Sie gesagt haben, sicherlich Steuererleichterungen, wenn wir Überschüsse haben, für die Unternehmen. Und wir brauchen auch einen Schuldenabbau. Das ist der Dreiklang, von dem ich schon mal sprach.
Deutschlandradio Kultur: Aber eigentlich haben Sie es ja ganz gut, wenn Sie sagen, wir, die Jungen sind in dieser digitalen Welt gut vernetzt und deshalb sind wir diejenigen, die eigentlich die Zukunft gestalten können, deshalb gehört uns die Zukunft. Insofern müssen Sie doch nicht in Konkurrenz und in Verteilungskämpfe mit Rentnern gehen.
Hubertus Porschen: Nein, müssen wir nicht, aber wir sind schon dafür da, eine Stimme zu repräsentieren. Und wenn es um die Zukunft geht, dann geht es auch um Themen wie Bildung. Die hängen auch eng mit Digitalisierung zusammen. Hier geht es auch um das Thema Fachkräfte. Bekommen wir überhaupt in Deutschland noch die Fachkräfte, um in dieser digitalisierten Welt – ob jetzt Arbeitgeber oder Arbeitnehmer – mitzuhalten? Und das wage ich schon zu bezweifeln, wenn wir uns mal anschauen, wie wenig Informatiker es in Deutschland gibt.
Die Gründe dafür sind ganz einfach. Es wird in unserem Bildungssystem nicht gelernt. Wenn wir, wenn ich mit Kollegen oder anderen IT-Unternehmern über Fachpersonal spreche, dann machen wir oft den Witz, dass wir sagen: Jemand, der Informatik studiert hat, ist sicherlich kein Programmierer und kann nicht bei uns anfangen. Das ist Theorie, was die Leute dort lernen. Das ist schon beängstigend.
Deutschlandradio Kultur: Also heißt das, Sie wollen mehr Informatik schon in den Schulen implementieren?
Hubertus Porschen: Absolut, ganz wichtiger Punkt. Klar, wir möchten natürlich mehr Wirtschaft in den Schulen haben. Ich finde es ganz wichtig, dass wir nicht nur mehr Wirtschaft lehren, sondern dass wir auch mehr Unternehmertum lehren und die Leute dazu animieren. Das ist auch wieder ein Beispiel aus den USA. Wenn man sich Stanford anguckt, so die Brutstätte im Silicon Valley des Unternehmertums, da kann man sicherlich ganz, ganz viel von lernen. Das gibt’s in Deutschland fast gar nicht. Wenn man in Deutschland über Unternehmer-Unis nachdenkt, dann fallen einem vielleicht die WHU (Otto Beisheim School of Management mit Sitz in Vallendar und Düsseldorf) oder die EBS (European Business School - Universität für Wirtschaft und Recht in Wiesbaden) ein. Sonst kommt da erstmal nicht viel. Da muss sich dringend was tun.
Aber klar, wir brauchen Fachkräfte. Wir brauchen Leute, die entwickeln können, die mit diesen digitalen Technologien umgehen müssen. Das ist ein Riesenproblem. Die gibt’s viel zu wenig in Deutschland.
Deutschlandradio Kultur: Aber könnte man nicht sagen, dass gerade diese Startups, wenn junge Leute mit einem Grundwissen von der Universität kommen, Learning by Doing machen und sagen: In dem Prozess, eine Firma aufzubauen, neue Produkte zu generieren, lernen sie sozusagen. Und das kann ihnen kein Professor vermitteln, der irgendwie an der Hochschule sitzt.
"Wenn Startups zwei Sachen nicht haben, dann sind es Zeit und Geld"
Hubertus Porschen: Das kann vielleicht kein Professor vermitteln nach unserem jetzigen System, weil der Praxisbezug an den Universitäten vollkommen fehlt. Das ist richtig. Das sehe ich absolut so, dass sich das ändern muss. Dass die Unternehmen auch die Ausbildung übernehmen, das machen wir in gewissem Maße jetzt selbst schon, also auch wir mit zwanzig Leuten in unserem Unternehmen. Ich glaube, wir haben im Moment fünf Auszubildende, also, das ist schon eine hohe Quote, weil wir einfach keine andere Chance haben. Wir müssen den Leuten das beibringen.
Aber wissen Sie, das kostet unglaublich viel Zeit. Das kostet unglaublich viel Geld. Und wenn Startups zwei Sachen nicht haben, dann sind es Zeit und Geld. Das sind daher die notwenigsten oder die wichtigsten Ressourcen. Deswegen wäre es schön, wenn wir qualifiziertere Fachkräfte bekämen.
Deutschlandradio Kultur: Jetzt gibt es beispielsweise die Bundesagentur für Arbeit, die auch für Weiterbildung zuständig ist. Die könnte ja diesen Job übernehmen und sagen, Arbeiten und Lernen geht lebenslang, also, wir fangen an, diese Qualifizierungsmaßnahmen zu machen – lebenslang.
Sie sagen, die Bundesagentur für Arbeit ist der schlechteste Partner, weil er einfach bürokratisch ist, also, schütten das ganze Ding aus. – Warum?
Hubertus Porschen: Ich denke, dass die Ausbildung grundsätzlich in die Universitäten gehört von den Fachkräften, von denen ich jetzt eben sprach. Und ich bezweifle, dass die Bundesagentur für Arbeit das machen kann. Wenn sie dazu ein Programm entwirft, wie sie Menschen lebenslang fortbilden will, dann soll sie das gerne machen und soll in Wettbewerb zu anderen Anbietern gehen.
Deutschlandradio Kultur: Alle reden von Arbeit 4.0. Wenn wir uns mal diese Welt der Zukunft vorstellen, diese digitalisierte Arbeitswelt. Sind alle eigentlich alle Rahmenbedingungen, die wir im Moment haben – Gewerkschaften, geregelte Arbeitszeit etc. – obsolet, weil, wir haben ja gar keine festen Arbeitsplätze mehr. Wir arbeiten am Produkt. Wir versuchen im Internet Jobs zu finden. – Also, steht das ganze System, das wir in den letzten fünfzig Jahren aufgebaut haben, Sozialpartnerschaft etc., auf dem Prüfstand?
Hubertus Porschen: Große Teile des Systems sollten auf dem Prüfstand stehen, finde ich. Nehmen wir das Arbeitsrecht, was in Deutschland ziemlich veraltet ist und mit diesem Begriff der Arbeit 4.0 kaum noch übereinstimmt oder zu vereinbaren ist. Heutzutage möchten nicht nur die Arbeitgeber, dass man flexibel agiert. Das möchten vor allen Dingen die Arbeitnehme r. Also, die Unternehmen bewerben sich um fähige Mitarbeiter und die Mitarbeiter wählen ihren Arbeitgeber nach der Attraktivität aus.
Das bedeutet: Wann kann ich arbeiten? Muss ich von 7.00 bis 15.00 Uhr arbeiten? Oder kann ich auch erst um 10.00 kommen und dafür ein bisschen länger arbeiten? Kann ich auch mal von zu Hause aus arbeiten? – Das sind alles Sachen, die müssen von der Gesetzeslage her erlaubt sein. Also, dass ich einen Mitarbeiter nach Hause schicke, der dort Homeoffice macht und ich dort irgendwie die Lichtstärke überprüfen muss, das ist für mich absolut unverständlich. So sieht kein Arbeiten 4.0 aus. So sieht auch nicht ein Nachvornebringen einer Politik aus für mich.
Deutschlandradio Kultur: Aber Arbeitsplatz mit gutem Licht ist ja nichts Falsches, egal, ob Sie das zu Hause haben oder am Arbeitsplatz.
Hubertus Porschen: Nein, das ist super, aber ich bin der Auffassung, dass die Menschen selbst in der Lage sind, die Stärke ihres Lichts zu überprüfen und das selbst einschätzen können. Sie haben ja immer noch einen Platz im Büro, wo sie jederzeit gutes Licht haben.
Deutschlandradio Kultur: Sagen Sie heute. Ist das in Zukunft auch noch so, dass noch jemand seinen Platz im Büro hat?
Hubertus Porschen: Da gibt es solche und solche Modelle. Ich bin der Auffassung, dass man eine gewisse Flexibilität gewähren sollte. Aber am Ende des Tages sind die Menschen doch froh, wenn sie miteinander kommunizieren, interagieren können und sich austauschen können. Der direkte Austausch, gerade in jungen Unternehmen, wenn zwanzig Leute auf 150 Quadratmeter sitzen, dann sitzt mal so eng beieinander, man muss sich über die Probleme austauschen. Und das geht viel schneller, als wenn jeder in seinem eigenen Büro sitzt.
Deutschlandradio Kultur: Aber es gibt doch Internetplattformen. Da kann man sich doch auch austauschen und Sie sparen die Miete für den Arbeitsplatz. Und dann ist alles schicker und alles ist dereguliert und wir leben in einer neuen Welt.
"Da stellt sich auch die Frage nach einem Betriebsrat ganz oft gar nicht"
Hubertus Porschen: Ich glaube nicht, dass die Welt so aussieht. Ich glaube immer noch, dass persönliche Treffen wichtig sind. Am Produkt zu arbeiten, über Probleme zu diskutieren, die Schnittstelle zum Kunden herzustellen, das geht nur teilweise online. Das möchten die Menschen auch nicht komplett online machen. Wenn ich weltweit oder deutschlandweit tätig bin, verschiedene Büros habe, dann gibt es Online-Konferenzen, das ist ja nichts Neues, das machen die Unternehmen, die global agieren, schon seit vielen Jahrzehnten, dass sie so kommunizieren über Videokonferenzen usw. Das ist in den Unternehmen schon erfüllt.
Deutschlandradio Kultur: Also, die Angst, dass wir zukünftig hauptsächlich Wanderarbeiter im Netz haben werden, dass den freien Mitarbeitern die Zukunft gehört – mit all den Vor- und Nachteilen, die sie haben –, die ist unbegründet?
Hubertus Porschen: Jein würde ich sagen. Wenn wir an die sogenannten Clickworker denken, die irgendwo auf den Philippinen sitzen, um für Hungerlöhne sich über Plattformen Geld zu verdienen, da muss man schon genau hingucken und überlegen, wie kann man auch solchen Menschen ein würdiges Dasein ermöglichen.
Deutschlandradio Kultur: Welche Rolle spielen denn Ihrer Meinung nach in Zukunft beispielsweise Gewerkschaften, wenn wir zukünftig in eine Welt kommen, wo jeder für sich selbst verantwortlich ist? Brauchen wir die nicht mehr?
Hubertus Porschen: Ob man das jetzt so hart ausdrücken sollte, dass jeder für sich selbst zuständig ist, das sehe ich nicht so. Das lerne ich auch nicht in der Unternehmerwelt kennen, sondern da geht es oft um Solidarität. Da stellt sich auch die Frage nach einem Betriebsrat ganz oft gar nicht, weil Arbeitnehmer von guten Arbeitgebern auch wissen oder das zu schätzen wissen, dass sie dort einen sicheren Arbeitsplatz haben, dass sie langfristig planen können. Also, solche Werte gibt’s da nach wie vor.
Deutschlandradio Kultur: 46 Prozent derer, die in sehr hohem Maße in digitalisierten Arbeitswelten leben und arbeiten, sagen, dass die Arbeitsbelastung größer geworden ist. Nur jeder Zehnte sagt, er fühlt sich dank der neuen Medien, dank der digitalen Welt in seiner Arbeit entlastet. – Macht Ihnen das Sorgen?
Hubertus Porschen: Das macht mir Sorgen insofern, als ich denke, dass ein Großteil der Ursache auch wieder unser Bildungssystem ist. Also, auch für diese Veränderungen wappnet unser Bildungssystem nicht. Menschen müssen schon lernen, mit diesen veränderten Rahmenbedingungen umzugehen. Ob mein Smartphone andauernd piepst oder nicht, ob ich dran gehe, da muss man auch für sich seinen Weg finden, um damit umzugehen.
Deutschlandradio Kultur: Und wenn der Arbeitgeber sagt, wir sind international aufgestellt, da kommt nochmal ein Kunde, aber der ist in den USA, mit der Zeitverschiebung musst du leben. Auf alle Fälle ist das wichtig, lass das Handy an. – Was sagen Sie dem?
Hubertus Porschen: Dafür gibt’s ja schon Schutzbestimmungen, wann, wie das Handy angelassen wird. Und ich kenne auch solche Unternehmen im Wesentlichen nicht, also, das ist mir jetzt nicht bekannt, wo man dazu gezwungen wird, 24 Stunden ans Handy zu gehen. Wer solche Jobs betreibt, ob das in großen Kanzleien ist oder in Unternehmensberatungen, im Investmentbanking, der sucht sich das selber aus.
"Digitale Auszeiten sind wichtig"
Dass unsere Arbeitswelt sicherlich neue Anforderungen an uns stellt, mit denen wir auch mental umgehen müssen, da gebe ich Ihnen vollkommen Recht. Da muss das Bildungssystem nachhelfen. Natürlich braucht der Mensch seine Ruhepausen und muss sich sicherlich auch mal digitale Auszeiten nehmen. Aber das als Belastung anzusehen, seine Email aufs Handy zu bekommen und die auch in der Bahn zu beantworten, das sehe ich nicht so.
Deutschlandradio Kultur: Sie haben am Anfang des Gesprächs gesagt, dass Sie von der Politik erwarten, auch von der Bildung, aber auch von der Verwaltung, dass sie effizienter arbeitet und digitalisiert wird. Jetzt habe ich nochmal nachgeschaut. Was ist denn da in den letzten Jahren passiert? Ich nenne mal drei Beispiele: Sie können Ihre Steuererklärung mit Elster per Knopfdruck abgeben. Sie haben einen digitalisierten Personalausweis, mit dem Sie mehr machen können als nur der Polizei vorlegen. Und bis zum Jahr 2018 müssen beispielsweise deutsche Gerichte ihre Systeme für elektronische Aktenführung umgestellt haben. Also, man kann doch nicht sagen, die sind alle noch im Postkutschenzeitalter, natürlich ist Verwaltung langsamer als vielleicht kleine Startup-Unternehmen, aber in die Richtung scheint es doch in allen Bereichen zu gehen.
Hubertus Porschen: Ich habe mir die Beispiele gerade mal aufgeschrieben. Da würde ich gern was zu sagen. Das Thema Steuererklärung per Elster: Ich habe Wirtschaft studiert und in Volkswirtschaftslehre promoviert. Ich würde das vielleicht noch so gerade hinkriegen. Aber ich glaube, ein Großteil der Wirtschaftsabsolventen an Universitäten hätte ein Problem, seine Steuererklärung auszufüllen generell.
Deutschlandradio Kultur: Sie ist nicht anwenderfreundlich?
Hubertus Porschen: Genau, zum einen von unserem Steuersystem her, aber zum anderen ist das überhaupt nicht bekannt. Ich weiß auch bis heute, dass wir als Unternehmen von unserem Steuerberater die Steuererklärung so bekommen und so abgeben müssen. Alleine das spricht schon dafür, dass es nicht entsprechend kommuniziert wurde.
Zum Thema digitaler Personalausweis: Wenn Sie da mit dem scheckkartengroßen Personalausweis meinen, den ich auch, glaube ich, schon seit zwei oder drei Jahren habe. Ich habe noch keinen Anwendungsfall für diesen Ausweis gehabt. Es ist mir nicht bewusst, was ich damit machen kann. Kann ich damit zahlen? Außer an Flughäfen wüsste ich nicht, wofür ich diesen Personalausweis bisher gebrauchen konnte und was ich damit machen kann.
Deutschlandradio Kultur: Im Internet können Sie sich zertifizieren, ausweisen, dass Sie es wirklich sind beispielsweise. Und Sie müssen nicht mehr ausdrucken, unterschreiben, faxen, zur Post gehen, wegschicken. Aber die Menschen nehmen es nicht an. Das scheint doch ein Problem zu sein.
Wir brauchen Notar- oder Unternehmensgründungen per Knopfdruck
Hubertus Porschen: Das scheint mir ein Kommunikationsproblem zu sein, wenn dem tatsächlich so ist. Also, was die wirkliche Anwendung dieses Ausweises betrifft, da würde ich schon meine Zweifel hier artikulieren. Also, wenn wir uns Länder wie Estland anschauen, hatte ich eingangs schon mal erwähnt, Notar- oder Unternehmensgründungen per Knopfdruck zu machen, das spart Geld für alle Seiten. Das ist ein Prozess, der kann so gemacht werden. Die reine Gründung, Gewerbeanmeldung, das wären ganz einfache Sachen.
Aber auch, wenn wir uns den Bereich Gesundheit anschauen, die Überweisung zu einem Facharzt, digitale Krankenakten usw. Da gibt es sicherlich Bestrebungen in Deutschland, das auch schon zu verändern. Aber wenn ich zum Arzt gehe, läuft das noch sehr traditionell ab.
Deutschlandradio Kultur: Ja, weil ich noch Angst vor der Datenübertragung habe und sage, ich will lieber im Vieraugengespräch meinem Arzt sagen, wo es mich drückt, anstatt dass alles digital hin und her weitergeleitet wird, von der Krankenkasse über was weiß ich. – Ist doch verständlich!
Hubertus Porschen: Die Angst ist verständlich. Umso schlimmer, dass sie so artikuliert wird, weil der Staat es anscheinend nicht geschafft hat, den Bürgern zu vermitteln, dass er für sichere Rahmenbedingungen sorgt. Wir brauchen auch eine sichere Rechtslage auch im Internet. Das ist teilweise tatsächlich ein rechtsfreier Raum geworden.
Und eine der weiteren Uraufgaben des Staates und der Politik liegt für mich neben den richtigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen auch darin, Sicherheit zu gewährleisten, und das nicht nur im analogen Raum, sondern auch im digitalen Raum. Und da hängen wir auch total hinterher.
Deutschlandradio Kultur: Wir haben über Schumpeter geredet und über kreative Zerstörung in dem System, in dem wir leben. Wenn man sich mal vielleicht drei Sektoren anschaut in den letzten Jahren. Der Banken- und Versicherungssektor ist zu fünfzig Prozent und mehr mittlerweile automatisiert und digitalisiert. Rechtsanwälte bekommen mittlerweile E-Discovery-Programme, wo sie ganze Heerscharen von Rechtsanwälten gar nicht mehr brauchen, weil die Systeme selbst lernen, das so weit professionalisieren, dass man zu Ergebnissen kommt. Ähnliches wird bei Ärzten sein. Da gibt es Computerprogramme, die zig Dateien von Patienten haben und dann erkennen, welche Krankheit möglicherweise der Patient hat.
Wenn wir das alles in dieser Richtung machen, also Rationalisierung und Einsparpotenziale, stellt sich natürlich die Frage: Was machen wir eigentlich, wenn mehr Jobs nicht mehr notwendig sind und neue so viel nicht geschaffen werden? Das ist auch ein politisches Problem. Also, die Leute werden dann unruhig. Und was machen Sie dann?
Hubertus Porschen: Ja, zunächst Mal sollte man sehen, dass durch diese ganzen Digitalisierungsprozesse und Effizienzgewinne auch Vorteile für den Menschen entstehen, dass er einfach angenehmer leben kann. Dass wir in Zukunft vielleicht weniger arbeiten, das kann durchaus im Bereich des Möglichen liegen, dass und Roboter, dass uns digitale Prozesse viel Arbeit abnehmen.
Deutschlandradio Kultur: Entschuldigung. Den Effekt hatten wir bis Ende der 90er Jahre. Da kamen auch die Gewerkschaften mit der 35-Stunden-Arbeit. Seit wir diese Digitalisierungswelle erleben, heißt doch die Parole eher: mehr Arbeiten, schauen, dass man dran bleibt und irgendwie rund um die Uhr da ist. Es ist doch nicht so, dass wir im Moment diskutieren, wir wollen jetzt die 28-Stunden-Woche für alle, die im digitalen Prozess arbeiten. Oder doch?
Hubertus Porschen: Nö, das wollen wir sicher nicht. Es gibt Unternehmen, die bieten solche Modelle an und arbeiten damit gut. Da hat der Gesetzgeber aber nichts dran zu suchen meines Erachtens.
Deutschlandradio Kultur: Also, der Markt wird’s regulieren?
Hubertus Porschen: Absolut. Der Markt wird das regulieren. Das ist ein Prozess. Es muss mehr Dynamik geben im Markt. Wir haben zu wenig Dynamik in Deutschland. Das ist meine Auffassung. Wir haben auch zu wenig Flexibilität in unserem Markt drin. Wir müssen aufpassen, dass wir keine französischen Verhältnisse bekommen, wo wir so einen starren Arbeitsmarkt haben.
Das führt nämlich letztendlich dazu oder ist letztendlich nur zu Lasten der Arbeitnehmer in Deutschland, weil sonst Arbeit outgesourct wird. Ob es die Clickworker auf den Philippinen sind, ob es die Programmierer in Rumänien oder Bulgarien sind, das darf kein Modell sein, was wir in Deutschland haben wollen.
Deutschlandradio Kultur: Und wenn Sie eine konkrete Forderung an die Politik stellen könnten, jetzt schnell in für die nächsten Jahre. Ginge es dann um Glasfasernetze, Ausbau um jeden Preis? Also, nicht um jeden Preis, aber um Milliarden.
Hubertus Porschen: Ja, das kostet Milliarden. Klar, das kostet Geld und auf jeden Fall, das muss gemacht werden. Das ist ein Signal. Und darauf können weitere folgen. Das ist Infrastruktur. Die muss vernünftig bereitgestellt werden. Und das ist eine Investition in die Zukunft.
Deutschlandradio Kultur: Und dann dürfen auch ein paar Schlaglöcher in irgendwelchen Landstraßen übrig bleiben, weil die andere Datenautobahn wichtiger ist?
Hubertus Porschen: Das ist eine provokant gestellte Frage. Die Schlaglöcher sollten natürlich auch weg sein. Also, mit 18,5 Milliarden kann man, glaube ich, eine Menge machen. Und wie gesagt, der Dreiklang ist wichtig – Steuererleichterungen ein Drittel, Investitionen in die Zukunft war der zweite Punkt. Und der dritte Punkt war Schuldenabbau.