Überraschender Retro-Funk aus Island
Die Musik des Isländers Júníus Meyvant ist so gar nicht das, was man aus Island erwartet: Es ist sommerlich frischer Soul-Pop mit vielen Dur-Klängen. Das habe auch mit seiner Jugend als Skater zu tun, erzählt Meyvant, der eigentlich Unnar Gisli Sigurmundsson heißt.
Oliver Schwesig: Wenn wir an die Musik aus Island denken, dann fallen einem oft traurig aussehende Folkmusiker ein, die auch melancholische Songs spielen, oft in Moll geschrieben. Aber Sie machen das ganz anders, ganz optimistische Dur-Klänge – Soul-Pop mit Streichern und Bläsern. Fühlen Sie sich unter den anderen Musikern aus Island als Outsider?
Júníus Meyvant: Nein, das ist lustig – wissen Sie, es gibt schon optimistische Menschen in Island, die auch Musik machen. Die bekannteste Musik aus Island ist von "Sigur Rós". Die ist schon eher melancholisch, aber ich mochte schon immer ältere Musik aus den Jahren zwischen 1950 und 70 – Soul- und Bluesmusik, auch viele Filmmusiken. Ich bin schon eher eine ausgelassene Person, deshalb habe ich für das Album auch mehr fröhliche als traurige Akkorde verwendet.
Schwesig: Gab es bestimmte Platten, die Sie gehört haben und die vielleicht eine Inspiration waren?
Meyvant: Es ist schon komisch – gerade wenn ich traurige Musik anhöre, schreibe ich oft Musik, die überhaupt nicht traurig klingt. Aber wenn ich mir fröhliches Zeug anhöre, neige ich dazu, traurige Sachen zu schreiben. Also vielleicht war es gerade dieser Gegensatz. Außerdem höre ich generell nicht so viel Musik, wenn ich am Schreiben bin. Aber wissen Sie – ich mag "Sam Cooke", "Otis Redding", "Howlin' Wolf" und auch "Muddy Waters. Ich mag diese alten Sachen, die sich vielleicht schon andere Musiker in den 70er-Jahren angehört haben.
Schwesig: War es schwer, gleichgesinnte Musiker zu finden, mit denen sie die Soulmusik in einer Band spielen können?
Meyvant: Nein, nein. Jeder Jazz-Musiker kennt diese Musiker. Die haben alle schon viel Musik gehört. Also, wenn du Musik schreibst, die du selbst gut findest, an dich glaubst und auch etwas weiterzugeben hast, dann ist es nicht schwer Leute zu finden, die dir dabei helfen. Außerdem bezahlst du sie ja – da helfen dir die Leute.
Schwesig: Wie komponieren Sie? Am Klavier oder an der Gitarre?
Meyvant: In der Regel komponiere ich einfach aus dem Moment heraus, danach suche ich nach den passenden Akkorden auf meiner Gitarre. Das meiste schreibe ich tatsächlich intuitiv.
Einer von fünf Skatern
Schwesig: Und woher kommt der Titel des Albums – "Floating Harmonies"?
Meyvant: "Floating Harmonies" - Ich habe versucht, ein ruhig klingendes Album zu machen und dieser Name hat irgendwie gepasst. Außerdem nenne ich meine Band "The Floating Harmonies".
Schwesig: Warum das?
Meyvant: Ich fand einfach, dass das ein cooler Name für eine Band ist - "Junius Meyvant and The Floating Harmonies".
Schwesig: In einem Interview haben Sie einmal gesagt, dass das wichtigste Thema auf diesem Album die Zeit ist – warum?
Meyvant: Ja, das Thema war vor allem die Gegenwart, was eben gerade so geschieht. Ohne das Hier und Jetzt gibt es kein Morgen. Bleib nicht in der Vergangenheit stecken, das wird dich immer aufhalten. Wenn du zu sehr auf dich selbst schaust, dann drehst du dich im Kreis. Etwas jetzt zu tun, das ist für mich Zeit. Wenn du gegenwärtig etwas tust, dann investierst du in die Zukunft. Das ist mein Ding – denke nicht zu viel, sondern tu einfach was.
Schwesig: Stimmt es, dass Sie früher Skateboard gefahren sind? Gibt es da eine große Kultur in Island?
Meyvant: Ja, das mache ich immer noch. Aber heute ist das mehr ein Herumfahren, ich will mich ja nicht verletzen, weil ich eben mein Instrument spielen will. Dort, wo ich aufgewachsen bin, gab es nicht viele Orte, an denen man skaten konnte, ich war einer von fünf Typen, die das immer gemacht haben. Das ist schon ein bedeutender Teil meiner eigenen Vergangenheit. Wenn du am Skaten bist, dann machst du die Tricks alleine, das ist kein Teamplay-Sport. In meiner Heimat drehte sich alles um Fußball, das interessierte mich allerdings nicht so sehr. Skateboarden – das war mein Ding.
Schwesig: Vielleicht gab es da auch eine Verbindung zwischen den sonnigen Songs, die Sie machen, und der Skateboarding-Kultur? Das kennt man ja aus Kalifornien.
Meyvant: Ja, definitiv. Diese Szene hat mich wirklich in ihren Bann gezogen. Wissen Sie, auf einem Skateboard ist man immer in Bewegung und die Musik und alles ist auch immer in Bewegung. Etwas zu tun, bei dem man sich andauernd bewegt - ich schreibe auch meine Musik häufig dann, wenn ich unterwegs bin. Also, da gibt es schon eine Verbindung.
Schwesig: Interessante Verbindungen kann man da ja knüpfen zwischen der Zeit, der Bewegung und der Musik.
Meyvant: Ja, wenn man etwas macht, etwa wenn man sich hinsetzt und etwas liest oder malt und man dann aufsteht und irgendwo hinläuft, dann bekommt man Ideen, weil der Handlungsstrang dann durch den eigenen Körper beginnt. Man ist sozusagen auf einer Mission. Ich schreibe meine Musik häufig auf diese Art und Weise, wenn ich etwas tue, einen Auftrag habe, wenn ich in Bewegung bin.
Große Ideen klein verpackt
Schwesig: Das heißt, in Bewegung finden Sie auch bessere Geschichten?
Meyvant: Ja, man ist in gewisser Weise motiviert. Man strebt danach, Musik zu schreiben, wenn man in Bewegung ist.
Schwesig: Wo könnte es denn für Junius Meyvant weitergehen, wenn Sie sich jetzt musikalisch weiterbewegen, gibt es da vielleicht kleine Türen, die Sie noch aufstoßen würden?
Meyvant: Ich habe meine musikalische Reise begonnen, als ich angefangen habe, ernsthaft Musik zu hören. Ich habe mit elektronischer Musik angefangen, viele ältere Sachen von "Synth Sense", das würde ich gerne noch genauer erforschen und ich will das wirklich gut machen. Also, vielleicht werde ich eines Tages elektronische Musik spielen, immerhin lag darin mein ursprüngliches Interesse. Aber heute würde ich einfach gerne die gesamte Bandbreite der verschiedenen Sounds erkunden.
Schwesig: Das wäre ja mal ganz interessant: Elektronische Musik und die Soul-Musik, die Sie sich bereits angeeignet haben, das würde sicher eine ganz interessante Kombination ergeben.
Meyvant: Ja, auf jeden Fall. Ich finde, jede Musik brauch eine Form von Melodie. Außerdem ist weniger manchmal mehr. Obwohl, dieses Album habe ich eher nach dem Motto "Mehr ist Mehr" gemacht, ich habe viele Sachen gemacht. Aber ich würde gerne auch ein Album machen, bei dem das Wenige einen Mehrwert bringt, allerdings mit einer großen kompositorischen Leistung, mit großen Ideen, die ich letztlich klein verpacke. Ich weiß auch nicht."
Schwesig: Darauf freuen wir uns sehr – Junius Meyvant, große Ansage also für das kommende Album. Jetzt hören wir erstmal das aktuelle Album. Vielen Dank, dass Sie hier waren.
Meyvant: Klar, vielen Dank auch an Sie.