Juso-Chef: Es gibt "erhebliche Schnittmengen" mit der Linken

Sascha Vogt im Gespräch mit Christopher Ricke |
Der Juso-Vorsitzende Sascha Vogt sieht eine Reihe von politischen Übereinstimmungen zwischen den Sozialdemokraten und der Linken. Als Beispiele nennt er die Bildungs- und Sozialpolitik sowie die Bürgerversicherung.
Christopher Ricke: Es gibt viele, viele gute Nachrichten bei den Sozialdemokraten: In Baden-Württemberg werden sie wohl mitregieren dürfen als Juniorpartner der Grünen, in Sachsen-Anhalt dürfen sie wohl weiter mitregieren als Juniorpartner der CDU, in Rheinland-Pfalz dürfen sie die Regierung sogar führen, und auch bei anderen Wahlen in diesem Jahr sieht es gar nicht einmal so schlecht aus, und den Triumph in Hamburg, den dürfen wir auch nicht vergessen.

Ist das Tal der Tränen also durchschritten, kommen jetzt bessere Zeiten? Ich spreche mit Sascha Vogt, dem Bundesvorsitzenden der Jusos, der Arbeitsgemeinschaft der Jungsozialistinnen und Jungsozialisten in der SPD, die treffen sich ab heute in Berlin unter dem Motto "Links 2011 - gemeinsam verändern". Guten Morgen, Herr Vogt!

Sascha Vogt: Einen schönen guten Morgen!

Ricke: Warum müssen wir denn jetzt so viel verändern, es geht doch aufwärts mit Ihrer Partei?

Vogt: Na ja, die positiven Aspekte haben Sie in der Tat angesprochen, aber ich glaube, wenn man sich die Wahlergebnisse der letzten Wochen anschaut, dann kann man unterm Strich mit den Ergebnissen der SPD nicht zufrieden sein, wenn man an Prozentpunkten verliert und wenn man teilweise nur noch drittstärkste Kraft ist. Da ist das kein Zustand, wo die SPD sich freuen kann, sondern dann bedeutet das, dass wir unseren Erneuerungsprozess konsequent fortsetzen müssen und vor allen Dingen für Klarheiten in zentralen Themenfeldern sorgen müssen.

Ricke: Was sind denn die zentralen Themen, ich sage mal, außer sozialer Gerechtigkeit?

Vogt: Na ja, es sind die Themen Wirtschaft, Arbeit und Soziales, in diesem Dreiklang, das sind die Themen, von denen die Menschen bei der SPD gerade eine Antwort haben möchten. Die SPD war immer die Partei, die dann gewählt wurde, wenn sie den Menschen erklären konnte, wie sie es schafft, dass das Leben für viele Menschen in diesem Land besser wird ein klein wenig, und ich glaube, das ist uns in den vergangenen Jahren ein bisschen verloren gegangen, und deswegen müssen wir da den Blick nach vorne richten.

Ricke: Sie hätten jetzt sagen können, was Sie wollen, aber Sie haben es nicht gesagt, den Atomausstieg – also wirklich ein Thema, das man ganz den Grünen überlässt?

Vogt: Man muss das nicht ganz den Grünen überlassen, ich finde es gut und richtig, dass die SPD auch für den schnellstmöglichen Atomausstieg ist, aber es muss klar sein, dass die SPD nicht alleine mit dem Thema Atomausstieg punkten kann, weil in der Tat gibt e da die Grünen, die das auch sehr glaubwürdig besetzen, und für den Atomausstieg alleine braucht man die SPD nicht.

Ricke: Na ja, aber dann haben wir andere Themenbereiche, die besetzen auch eine andere Partei im linken Spektrum, die Partei Die Linke, das ist ja die, die alles versprechen kann, weil sie so wenig halten muss. Da gibt es ja dann viel Geld, "Reichtum für alle", war mal so ein tolles Plakat. Werden Sie sich da abgrenzen?

Vogt: Ich glaube, die SPD tut sehr gut daran, ein eigenständiges Profil zu entwickeln, auch in den zentralen Themenfeldern. Ich glaube, die Linkspartei verspricht in der Tat immer sehr viel an verschiedenen Stellen, teilweise geht das sicherlich auch in eine nicht ganz falsche Richtung, aber ich glaube, die SPD braucht halt ein eigenständiges Profil, und ich glaube, die Wahlergebnisse für die Linkspartei waren bei den vergangenen Wahlen jetzt auch nicht so furchtbar erfreulich, sodass man da ganz entspannt sein kann.

Ricke: Profil und dann einen Koalitionspartner suchen – das heißt natürlich, es darf sich nicht allzu viel reiben, es muss auch Schnittmengen geben. Wo ist denn die Schnittmenge zur Partei Die Linke für einen Juso gegeben, also für jemanden, der vielleicht die schlimme Vergangenheit und die Herkunft dieser Partei aus der zweiten deutschen Diktatur nicht mehr persönlich miterlebt hat und deswegen vielleicht unverkrampfter umgehen kann?

Vogt: Na ja, erst mal muss man sagen, dass das Ziel der SPD natürlich sein muss, möglichst eine absolute Mehrheit zu holen, und dann sich ganz entspannt umschauen muss, wo sind potenzielle Koalitionspartner, und das ist dann von Bundesland zu Bundesland auch wieder unterschiedlich.

Es gibt Bundesländer, wo die SPD bereits mit der Linkspartei erfolgreich regiert, nehmen wir Berlin, nehmen wir Brandenburg, es gibt Bundesländer, wo so etwas nicht möglich ist, nehmen wir Nordrhein-Westfalen, wo es versucht wurde, was nicht geklappt hat. Es gibt an verschiedenen Stellen – sei es die Bildungspolitik, sei es zum Teil auch die Sozialpolitik, zum Beispiel die Bürgerversicherung – gibt es natürlich erhebliche Schnittmengen, und da muss man schauen: Wie groß sind diese Schnittmengen? Und eine Koalition muss sich immer an zwei Dingen messen lassen, erstens, wie können wir so viel sozialdemokratische Politik wie möglich umsetzen, und zweitens, wie kriegen wir eine stabile Regierung hin?

Ricke: Wenn Sie eine absolute Mehrheit haben, brauchen Sie ja eigentlich gar keinen Koalitionspartner mehr, das machen Sie ja auch gerade in Hamburg vor, dort gibt es eine rote, eine SPD, also eine klassisch rote Regierung. Werden wir in den nächsten Monaten und Jahren dort so eine Art sozialdemokratische Referenzpolitik erleben, beispielgebend auch für andere Länder, weil man eben keinen Partner braucht?

Vogt: Ich gehe davon aus, dass Olaf Scholz und die Sozialdemokratie in Hamburg jetzt in den nächsten Monaten, in den nächsten Jahren sozialdemokratische Politik machen werden. Ob sich jetzt von einem einzelnen Bundesland immer alles gleich auf alle anderen Bundesländer übertragen lässt und auf die Bundesebene übertragen lässt, wo die Rahmenbedingungen dann teilweise anders sind, weiß ich nicht, aber sicherlich wird das eine gute sozialdemokratische Politik da werden.

Ricke: Herr Vogt, ich habe mir noch mal ein bisschen die Geburtsdaten Ihrer Spitzenfunktionäre angesehen, also auch der Herren, die vielleicht einmal als Kanzlerkandidat infrage kommen könnten, und da ist bei mir der Eindruck gewachsen: Die SPD ist eine zumindest in der Spitze relativ überaltete Partei. Wie geht es denn mit dem Generationswechsel bei Ihnen voran?

Vogt: Ach, wir haben ja auch durchaus Leute in der SPD, die jünger sind. So ein Generationswechsel geht nicht von heute auf morgen, das wird sich nach und nach ergeben, da bin ich sehr optimistisch, und so alt sind die in der Parteispitze ja nun auch alle noch nicht.

Ricke: Na ja, gucken wir uns doch mal zum Beispiel die drei an, denen man also auch über die SPD hinaus so eine Kanzlerkandidatur zutrauen könnte: Sigmar Gabriel ist der jüngste, dann gibt es noch Frank-Walter Steinmeier, der ist auch nicht allzu jung, Peer Steinbrück vielleicht der, der am breitesten vermittelbar ist – der ist 64, das ist ja nun nicht gerade jung.

Vogt: Ich glaube, es kommt immer nicht so aufs biologische Alter an, sondern es kommt darauf an, ob die Leute gute sozialdemokratische Politik vertreten können, und in der Tat ein gewisses Maß an Glaubwürdigkeit vermitteln können. Dementsprechend finde ich das biologische Alter da jetzt nicht so furchtbar spannend. Klar ist aber natürlich, gerade aus der Perspektive der Jusos, dass wir nach und nach auch zu einem Generationenwechsel kommen müssen, nur das geht halt nicht von heute auf morgen, aber wir müssen da dranbleiben.

Ricke: Sascha Vogt, der Bundesvorsitzende der Jusos, vielen Dank, Herr Vogt!

Vogt: Herzlichen Dank!