Justin Vernon und Aaron Dessner

Kollektives Durcheinander auf "Big Red Machine"

Justin Vernon alias Bon Iver und Aaron Dessner von The National auf grüner Wiese vor einem Container, auf dem - auf den Kopf gestellt - "People" steht.
Big Red Machine heißt ihr neues Projekt: Justin Vernon alias Bon Iver und Aaron Dessner von The National. © Ballyhoomedia / Big Red Machine
Von Christoph Möller |
Community, das ist das große Stichwort bei dem neuen Projekt von Justin Vernon alias Bon Iver und Aaron Dessner von The National. 40 Musiker haben die beiden innerhalb der vergangenen zwei Jahre ins Studio geholt, herausgekommen ist: "Big Red Machine".
Es beginnt mit rumpelnden Beats. Und Justin Vernon brabbelt irgendwas mit Autotune entfremdeter Stimme. Der Song wächst, irgendwann schreit Vernon nur noch: "I better not fuck this up" – ich vermassele das hier besser nicht.
Es ist ein typischer Song für dieses Debütalbum von Big Red Machine, dem neuen Projekt der US-Amerikaner Justin Vernon und Aaron Dessner. Schicht um Schicht kommen neue Instrumente hinzu, Stimmen überlagern sich, häufig endet alles in einem großen Durcheinander. Big Red Machine ist eine Kollektivarbeit: 40 Musikerinnen und Musiker waren am Album beteiligt. Und das hört man, meint Aaron Dessner.
"Etwas daran fühlt sich sehr gemeinschaftlich an: Die vielen verschiedenen Stimmen und dieses gemeinsame Rumexperimentieren. Auch der Sound ist ziemlich rough. Und dann war eben vieles ein Prozess, bei dem nach und nach alles zusammengekommen ist."

Andere Maßstäbe als die Musikindustrie

Gemeinschaft, Community, alles ein Prozess – was ein bisschen kitschig klingt, ist bei Big Red Machine ein ehrgeiziges Konzept. Gemeinsam mit Aaron Dessners Bruder Bryce und den Berliner Musikunternehmern Nadine und Tom Michelberger haben die beiden die Online-Musikplattform "People" entwickelt. Dort soll Musik veröffentlicht werden, die normalerweise nicht gehört wird, weil sie nach den Maßstäben der Musikindustrie nicht zu verkaufen ist. Etwa Aufnahmen aus dem Proberaum, oder halb fertige Songs.
Dazu Fotos und Texte, die über den Kontext der Aufnahmen berichten. "People" soll Musiker näher zu ihren Fans bringen, aber auch musikalische Zusammenarbeiten fördern. Big Red Machine ist das erste große Projekt, das aus der Plattform heraus entstanden ist, erklärt Dessner.
"Es ging nicht darum, dass Aaron Dessner und Justin Vernon jetzt eine Band haben. Das ist ein 'People-Projekt'. Wir hatten keinen Druck und keine Erwartungen, trotzdem hat die Arbeit total viel Spaß gemacht. Wir haben uns mal in Justins Studio getroffen, und mal in meinem, und dann haben wir Freunde eingeladen, um mit uns Musik zu machen. Herausgekommen sind dieses Album und noch viele andere Dinge."

Jeder einzelne Künstler hat Spuren hinterlassen

Bemerkenswert an Big Red Machine ist die Energie. Vernons Stimme wirkt stolz und kräftig, jede Silbe, die er singt, scheint Bedeutung zu haben. Der Sound ist ungestüm, und häufig ändert sich die Stimmung innerhalb eines Songs mehrmals. Etwa in "OMDB", einem Klagelied über Tod und Vergänglichkeit, das genau in der Mitte von düsteren Beats in helle Gitarrensounds übergeht.
"Big Red Machine" ist eine Platte mit vielen knarzigen Pop- und Elektrosounds, die aber auch Indie-Fans von The National nicht vergraulen wird. Die Platte vereint Folk und futuristische Soundeffekte – und man spürt, dass jeder einzelne Künstler Spuren hinterlassen hat, wenn etwa mal wieder eine schräge Gitarre angespielt wird, die man so auf den vorherigen Stücken noch nicht gehört hat.

"Eine Community entsteht und eine besondere Energie"

Dass das Album auf der "People"-Plattform zu hören ist und Dessner jetzt schon neue Songs angekündigt hat, ist konsequent. Auch wenn es für Fans dann doch noch auch auf Vinyl erscheint, soll "Big Red Machine" eigentlich kein starres Konstrukt sein, sondern ein kollektiver Prozess, der wäre so in der Musikindustrie kaum umzusetzen, meint Dessner.
"Wir hoffen, dass noch viele 'People'-Platten entstehen. Big Red Machine ist ein gutes Beispiel, wie das ablaufen kann: Du hörst, dass jemand ein neues Projekt startet und schließt dich ihm an. Eine Community entsteht und eine besondere Energie. Alles ist nicht so glattpoliert wie ein schickes Auto, sondern wirkt eher wie ein wackeliger Bus."
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