Allzu viele Fragen
Der SPD-Politiker Sebastian Edathy wehrt sich vehement gegen den Vorwurf, er besitze Kinderpornografie. Doch in dem Fall stellen sich allzu viele Fragen - und Edathy selbst wirft immer wieder neue auf, meint Frank Capellan.
Vieles ist bereits jetzt anders geworden im Leben des Sebastian Edathy. Seine politische Karriere ist beendet, da mag noch so sehr an die Unschuldsvermutung erinnert werden. Fraktionschef Oppermann und Geschäftsführerin Lambrecht haben ihn fallen gelassen. Dass sie sich in ihren Stellungnahmen nur auf Medienberichte berufen, wirft kein gutes Licht auf die beiden Juristen. Kann denn völlig ausgeschlossen werden, dass da gerade eine Rufmord-Kampagne von vermeintlichen Parteifreunden in Gang gesetzt wurde?
Noch will nicht einmal die Staatsanwaltschaft Hannover bestätigen, dass gegen Edathy wegen des Besitzes kinderpornografischer Schriften ermittelt wird. Und er selbst weist alle Vorwürfe zurück. Der Sozialdemokrat wehrt sich aufs Schärfste, kündigt an, Strafanzeige zu stellen, weil ein Lokalblatt offenbar von der Durchsuchung seiner Wohnung Wind bekommen hatte und live dabei sein konnte.
Und dennoch: Es stellen sich allzu viele Fragen. Und Edathy selbst wirft immer wieder neue auf. Völlig überraschend hatte er Ende letzter Woche sein Bundestagsmandat niedergelegt. Aus gesundheitlichen Gründen, wie er behauptete, offenbar eine Notlüge. Er wusste offensichtlich von den Ermittlungen, er ahnte, dass ihm die Aufhebung seiner Immunität drohte. Wenn er aber jegliche Anklage so weit von sich weist, warum hat er dann vorauseilend seinen Rückzug aus der Politik verkündet? Dass dies wie ein Schuldeingeständnis wirkt, muss ihm bewusst gewesen sein.
Edathy soll sich im Ausland aufhalten
Vieles erinnert an den früheren SPD-Abgeordneten Jörg Tauss. Auf seinem Rechner wurden vor fünf Jahren Kinderpornos gefunden. Er verteidigte sich damals allerdings mit dem Hinweis, als Netzpolitiker seiner Fraktion in der Szene recherchiert zu haben. Tauss blieb im Bundestag. Das Landgericht Karlsruhe schenkte seinen Erklärungsversuchen keinen Glauben und verurteilte ihn zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und drei Monaten. Immerhin: Tauss stellte sich sehr früh den Vorwürfen.
Edathy dagegen ist abgetaucht, soll sich angeblich im Ausland aufhalten, ist auch für die eigene Fraktionsspitze nicht erreichbar. Seine Kollegen hat er seit Anfang des Jahres in dem Glauben gelassen, schwer erkrankt zu sein. Was er nun hinterlässt, ist Bestürzung und ungläubiges Kopfschütteln. Sebastian Edathy, der rhetorisch und fachlich brillante Chef des NSU-Untersuchungsausschusses, der Mann, der immer so freundlich und kommunikativ auch gegenüber uns Journalisten gewesen ist - ausgerechnet er?
Mancher ist jetzt schlauer. So als könnte man etwas geahnt haben. "Eigentlich will ich mich nicht wirklich ändern", hatte er zum Jahresende kryptisch in einer Zeitungskolumne geschrieben. "Eigentlich müsste ich mich ändern", heißt es da weiter. "2014 sollte sich mal wieder mehr ändern, als sich ändern wird!" – diesen Satz hat er durch eigenes Tun und Nichtstun nun selbst widerlegt.