Justiz

Gustl Mollath kein Einzelfall

Gustl Mollath kommt am 07.07.2014 bei seiner Ankunft vor dem Landgericht Regensburg (Bayern) an einem Banner mit der Aufschrift «Recht & Freiheit für Gustl Mollath» vorbei.
Gustl Mollath bei seiner Ankunft vor dem Landgericht Regensburg, das die Wiederaufnahme seines Verfahrens verhandelt. © picture alliance / dpa / David Ebener
Der Fall des sieben Jahre gegen seinen Willen in der Psychiatrie untergebrachten Nürnbergers Gustl Mollath wird neu aufgerollt. Rechtsanwalt Tobias Reimann spricht von steigenden Unterbringungszahlen und längeren Zeiten in der forensischen Psychiatrie.
Die Anklage der Staatsanwaltschaft lautet auf gefährliche Körperverletzung, Freiheitsberaubung und Sachbeschädigung. Im ersten Verfahren hatte das Landgericht Nürnberg-Fürth 2006 festgestellt, dass Mollath seine inzwischen von ihm geschiedene Frau 2001 körperlich misshandelt und Autoreifen zerstochen hatte.
Weil die Gutachter den Nürnberger jedoch wegen seiner angeblichen Wahnvorstellungen als gemeingefährlich einstuften, sprach das Gericht Mollath wegen Schuldunfähigkeit frei und wies ihn stattdessen in die Psychiatrie ein. Erst im vergangenen August kam er frei. Gustl Mollath möchte nun seine Unschuld beweisen und einen Justizirrtum aufdecken.
Was ist er nun: verrückt und gefährlich oder allein gelassenes Justizopfer? Auf die Frage, ob Straftäter zu schnell in die Psychiatrie abgeschoben werden stellte der Rechtsanwalt und Strafverteidiger Tobias Reimann im Deutschlandradio Kultur fest, dass zumindest die Unterbringungszeiten länger seien als noch vor einigen Jahren, "und insgesamt ist festzustellen, dass wir seit ungefähr 1995 mindestens eine Verdoppelung der Unterbringungszahlen habe, was die Unterbringung nach Paragraf 63 angeht." Tobias Reimann kümmert sich vor allem um Täter, die im so genannten Maßregelvollzug untergebracht sind. Hier werden nach dem angesprochenen § 63 und § 64 des deutschen Strafgesetzbuches unter bestimmten Umständen psychisch kranke oder suchtkranke Straftäter entsprechend den Maßregeln der Besserung und Sicherung untergebracht.
Verstärkter Sicherheitswunsch in der Bevölkerung
Dieser Anstieg liege möglicherweise an einer veränderten gesellschaftlichen Mentalität, so der Rechtsanwalt weiter, und es sei zu befürchten, "dass dem Sicherheitsdenken oder dem Sicherheitswunsch der Bevölkerung auch in der Justiz nachgegeben wird, und man eher tendiert dazu zu sagen, wenn wir es nicht genau wissen, dann bleibt der einmal untergebrachte Täter lieber im Vollzug, als dass wir es riskieren, dass irgendjemand in irgendeiner Art und Weise rückfällig wird."
Als besonders skandalös für Mollath und seine Mitstreiter gilt, dass einige Psychiater Gutachten über den Angeklagten erstellt hatten, ohne ausführlich mit ihm gesprochen zu haben - was allerdings daran lag, dass Mollath nicht mit ihnen sprechen wollte. Auch Tobias Reimann sieht deren Rolle als nicht unproblematisch an. "Es ist sicherlich schon so, dass die Justiz gut daran tut, psychiatrische Sachverständige herbei zu ziehen, denn es geht natürlich um Fragen, der Psyche. Auf der anderen Seite sagt das Gesetz aber eindeutig: Es ist nicht die Entscheidung des Gutachters, ob eine Maßregel verhängt wird, oder nicht. Das ist Aufgabe des Richters. Und hier haben wir - und das kann ich aus eigener Praxis bestätigen - sicherlich eine Tendenz, zwischen beiden Seiten die Verantwortung auf die letztliche Entscheidung auf die andere Seite abzuwälzen."