JVA-Leiterin widerspricht Haftstrafen-Kritiker

Gefängnisse können Chancen bieten

06:25 Minuten
Mauern, Stacheldraht und Wachturm in der JVA Tegel in Berlin
Wie sinnvoll sind Haftsrafen wirklich? - Blick auf die Justizvollzugsanstalt Tegel in Berlin. © imago images / Jürgen Ritter
Yvonne Radetzki im Gespräch mit André Hatting |
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Schafft den Knast ab, fordert der ehemalige JVA-Leiter Thomas Galli: Haftstrafen seien oft kontraproduktiv. Falsch, meint JVA-Leiterin Yvonne Radetzki. Oft biete das Gefängnis die Möglichkeit, einen Schulabschluss oder eine Ausbildung zu machen.
Die Gefängnisse – so wie wir sie kennen – sollen abgeschafft werden; der Strafvollzug grundlegend reformiert. Das fordert der ehemalige JVA-Leiter Thomas Galli in seinem Buch "Weggesperrt".
"Man muss sich auch bewusst machen, dass nur relativ wenige wegen schwersten Straftaten inhaftiert sind. Dagegen werden über das Jahr verteilt ungefähr 50.000 Menschen eingesperrt für Ersatzfreiheitsstrafen. Das sind Leute, die schwarzgefahren sind oder ähnliche Bagatelldelikte begangen haben, zu einer Geldstrafe verurteilt wurden, die sie dann nicht bezahlen können", begründet er im Interview seinen Standpunkt.

Täter müssen merken, dass es so nicht weitergeht

Bei solchen Forderungen bleibt Widerspruch nicht lange aus: Sie glaube nicht, dass es eine wirksame Alternative zu Gefängnissen gebe, sagt die Leiterin der Justizvollzugsanstalt Neumünster in Schleswig-Holstein, Yvonne Radetzki. Natürlich sei es wünschenswert, dass die Zahl derer, die eine sogenannte Ersatzfreiheitsstrafen absitzen, gering gehalten werde.

Der ehemalige JVA-Leiter Thomas Galli plädiert für die Abschaffung der Gefängnisse, wie wir sie kennen.


"Aber es ist eben auch so, dass Menschen, die zu einer Geldstrafe verurteilt worden sind, auch einen ganz langen Vorlauf haben, ehe sie in eine JVA kommen. Und insofern glaube ich, dass selbst für diese Täter es wichtig ist, inhaftiert zu werden, damit sie merken, dass es so einfach nicht geht, dass man sich um seine Angelegenheiten kümmern muss."
Die Leiterin der Justizvollzugsanstalt Neumünster, Yvonne Radetzki, steht vor einem Gebäudetrakt des Gefängnisses.
Sieht keine Alternative zum Strafvollzug: die Leiterin der Justizvollzugsanstalt Neumünster in Schleswig-Holstein Yvonne Radetzki© dpa / Markus Scholz
Aus Sicht Gallis seien Menschen nach dem Strafvollzug noch schwerer in die Gesellschaft zu integrieren. Sie mit anderen Straftätern eng zusammenzusperren sei kontraproduktiv. Deswegen plädiert er für "wohngruppenartige, dezentrale Einrichtungen" anstelle von Gefängnissen.

Das Gefängnis bietet auch Chancen

Solche Wohngruppen gebe es im Jugendvollzug bereits, sagt Radetzki – und betont außerdem, dass eine Haftstrafe auch positive Auswirkungen haben könne. "Denn viele Gefangene haben in dieser Zeit das erste Mal die Möglichkeit, einen Schulabschluss zu erwerben, eine Ausbildung zu absolvieren, was ihnen dann auf bessere Füße hilft, dass sie dann hinterher, nach der Entlassung auch tatsächlich besser im Leben klarkommen."
Auch für Personen mit psychischen Problemen könne das Gefängnis Hilfe bieten. "Denn wichtig ist ja, dass er an seiner Problematik arbeitet. Und das geht eben nur mit einer gewissen Hilfestellung – und die geht eben nur, wenn der vielleicht in eine Struktur gebracht wird, wo er diese Hilfestellung wahrnimmt."
Sicher könne der Vollzug noch verbessert werden. "Aber eine wirkliche Alternative sehe ich nicht."
(lkn)
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