K.I.Z: "Rap über Hass"

„Wir können Männer nicht leiden“

09:49 Minuten
Tarek Ebéné, Nico Seyfrid und Maxim Dürer
K.I.Z provozieren auf ihrem neuen Album „Rap über Hass“ mit harten Texten, die eine Doppelmoral beim Publikum aufzeigen sollen. © Universal Music / Philipp Gladsome / Gerngross Glowinksi
K.I.Z im Gespräch mit Andreas Müller |
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K.I.Z sind 20 Jahre nach der Gründung voller Hass. Frauen mögen sie aber schon noch, für die geben sie sogar exklusiv Konzerte. Ansonsten geht es auf dem neuen Album der Berliner Rapper um Doppelmoral.
Andreas Müller: K.I.Z, eine sehr erfolgreiche Hip-Hop-Crew aus Berlin-Kreuzberg, hat eine neue Platte veröffentlicht: "Rap über Hass". Der Spiegel hat über die drei – Maxim Drüner, Tarek Ebéné und Nico Seyfrid – mal geschrieben: Das sind Pornorapper. Da ist sicherlich was dran, aber da ist sicherlich auch noch mehr dran. Nicht umsonst gibt es diese Band seit 20 Jahren und ein Ende ist nicht in Sicht. Aber ich wollte wissen: Was interessiert Sie am Hass?
Nico Seyfrid: Hass ist einfach schön kompromisslos.
Maxim Drüner: Gerade auch mit dem Cover merkt man auch, das war da auch schon häufiger unser Erfolgsgeheimnis, dass man mit einer schönen Melodie und einem netten Wortspiel irgendetwas Böses behauptet oder sagt. Und diesen Abstand fand ich immer sehr witzig. Gerade wenn man Popmusik hört, dann ist es die ganze Zeit so arglos und die ganze Zeit auf so eine krasse Art und Weise aufdringlich harmlos, dass es wieder etwas Aggressives fast hat.
Das war immer etwas, was wir sehr witzig fanden. Und ich finde, Witze haben immer ein Opfer, das wurde einem dann so ein bisschen vorgeworfen von der "Bild"-Zeitung. Und dann haben wir gesagt: Ja klar, das sind wir, wir sind die mit dem Hass.

Zu viel Hass für die AfD

Müller: Ja nicht nur von der "Bild"-Zeitung. Die Platte beginnt ja mit der Rede des AfD-Politikers Bernd Baumann im Bundestag, der sich über gewaltverherrlichende Texte von K.I.Z echauffierte. Der Hintergrund war das Konzert in Chemnitz damals, "Wir sind mehr!", da sind eine Menge Bands aufgetreten neben K.I.Z, nachdem es in der Stadt zu rechtsextremen Ausschreitungen gekommen war. Was dachten Sie, als Sie die Rede von Baumann hörten?
Drüner: Ja, das war natürlich, dass das dann ausgerechnet von dieser Partei kommt, wo man sich ansonsten sehr stark macht dafür, verletzende Sprache benutzen zu dürfen, das war natürlich dann besonders absurd. Und das haben wir dankbar entgegengenommen.
Wir haben das gehört und wir wussten auch gleich, das muss irgendwo verwurstet werden. Wenn man so prächtige Feinde hat, dann muss man auch damit angeben. Aber wir waren dann irgendwo schon durch mit der Sache, weil diese "Bild"-Headline, die war ja schon lange vorher. Und dadurch fanden wir das in dem Moment eigentlich nur sehr lustig.

Doppelmoral in aller Härte aufzeigen

Müller: Sie gehen ja gleich am Anfang voll zur Sache. K.I.Z macht klar, wir sind wieder da, wir sind so, wie wir eigentlich immer waren. Im zweiten Stück heißt es: "Ich bin kein Sexist, ich ficke euch alle." Da dachte ich erst so, ja gut, das ist so der Humor nach sieben Bieren am Stammtisch, aber da geht es natürlich wie immer um mehr. Was ist die Message hier in diesem Song?
Drüner: Ich glaube, die haben wir in dieser Bridge sehr deutlich gemacht, dass wir halt gegen Diskriminierung sind. Es beschreibt ja auch sehr deutlich das, was wir in unseren Texten machen, wir sind ja immer sehr herablassend zu allen. Wir sagen gemeine Sachen in jede Richtung, auch über uns selber übrigens sehr oft. Und wir beschränken uns da nicht auf irgendwelche Gruppen, wir sind da sehr frei.
Müller: Und offenbar auch ohne Grenzen. Ich will noch mal einen Text hier zitieren: "Besser ich habe mit meinen Kindern Sex als irgendein weltfremder aus dem Internet." Also eine Schmerzgrenze gibt es bei K.I.Z nicht oder?
Drüner: Das finde ich persönlich sehr witzig, weil Leute, die sich ansonsten an mutmaßlich frauenfeindlichen Zeilen überhaupt nicht stören oder das irgendwie normal finden und völlig okay finden. Oder auch bei rassistischen Zeilen irgendwie so völlig okay sind und das durchwinken, denen platzt die Hutschnur bei dem Thema. Ja, das ist halt eine ziemliche Doppelmoral, wo es einfach sehr unterhaltsam ist, die auffliegen zu lassen.

Hip-Hopper durch und durch

Müller: Ich finde, am Anfang knallen Sie uns da ganz schön was hin, dann in der weiteren Entwicklung der Platte wird es ein bisschen differenzierter und vielleicht auch reflektierter, man guckt auch zurück auf die Vergangenheit.
Sie sind ja auch nicht mehr die Jüngsten, sind alle so Mitte 30, das wird ja auch thematisiert im letzten Track. Sie sagen, 20 Jahre machen Sie das jetzt schon und sind irgendwie damit durchgekommen. Wie fühlen Sie sich in dieser Hip-Hop-Kultur in Deutschland 2021?
Drüner: Das hat sich nie groß verändert. Wir haben uns immer ein bisschen fremd gefühlt, aber wir sind natürlich Hip-Hopper durch und durch – mit Graffiti-Vergangenheit und Open-Mic-Cyphers und Freestyles. Für mich hat es sich gefühlt wieder zurückentwickelt wie zu den Zeiten, wo ich angefangen habe, wo alles so harmlos war rapmäßig.
Mein Gefühl ist auch so, dass es jetzt auch wieder sehr harmlos alles geworden ist nach der ganzen Aggro-Phase. Und da hat jetzt so ein Album von uns wieder sehr gut reingepasst, finde ich, für ein bisschen Abwechslung.
Müller: Was meinen Sie mit harmlos? Die Großerfolge, das sind nach wie vor Leute wie Haftbefehl, die Texte rausballern, die nicht viel anders sind als vor zehn Jahren.
Tarek Ebéné: Die wirklich Supererfolgreichen sind doch eher harmlos. Das ist dann schon eher Popmusik als Rap, wie wir ihn machen und wie er damals war. Je weniger man sich positioniert politisch, je weniger man sagt außer halt irgendwie Markennamen, desto besser. Deswegen sind wir mehr Fremdkörper denn je.

Shows nur für Frauen

Müller: Ihr Kollege Danger Dan von der Antilopen Gang hat ja kürzlich eine Solo-Geschichte gemacht, und das war, wenn man so will, auch ziemlich radikal, vielleicht nicht brutal, aber radikal. "Das ist alles von der Kunstfreiheit gedeckt", wo er mit einer Klavierbegleitung daherkam. Wäre das auch was für Sie?
Drüner: Ich kann nur Akkorde drücken auf dem Klavier, deswegen werde ich das vorerst lassen. Aber ansonsten mag ich Georg Kreisler sehr gerne, ich höre viel 60er- und 70er-Jahre-Chansons. Ich finde, in dem Song hat der Danger Dan auch ein schönes Feindbild, was wir teilen. Das ist eine gute Sache, aber ich werde vorerst kein Klavier spielen lernen.
Müller: Nächstes Jahr kommt dann eine große Tournee, darunter auch wieder Shows nur für Frauen. Was ist das eigentlich für eine Idee?
Drüner: Ich glaube, das war erst mal so eine Schnapsidee, weil wir so aus einer Ära kommen, aus Berlin kommen. Und das Zeug, was in Berlin gemacht wurde Anfang der 2000er, wurde, glaube ich, nicht von besonders vielen Frauen gehört aus verständlichen Gründen. Aber wir hatten irgendwie dann doch immer relativ viele weibliche Fans.
Das fanden wir irgendwie sehr cool, da waren wir ein bisschen stolz drauf, dann dachten wir, machen wir mal halt nur für Frauen diese Konzerte. Und das ist immer größer geworden und immer schöner geworden. Wir können Männer nicht leiden.
Seyfrid: Die ersten zwei, drei Male, als wir das gemacht haben, hatten wir uns noch extra schön gemacht mit Anzug – mit einer roten Rose angesteckt. Irgendwann waren wir uns selbst auch noch zu viel Männer auf dem Konzert, dann haben wir auch angefangen, uns für den Abend zu verschwestern mit den Schwestern und uns als Frauen zu verkleiden.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandfunk Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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