Großartiges Granteln zum Abschied
Deutschlands Kabarettwutbürger Nummer eins, Georg Schramm, hat sich zur Ruhe gesetzt. Zum Abschied zog er mit seinen Kabarettpartnern Urban Priol und Jochen Malmsheimer durch die Republik. Ein Mitschnitt des Auftritts aus dem Circus Krone in München ist jetzt als Doppel-CD erschienen.
"'Ich bin ein armer Komödiant der seine Zeit abstolzt
und abschnauft auf der Bühne.
Und nie mehr gehört wird dann
ein Tölpelmund, voll von Getön und Toben.
Und es bedeutet: Nichts.' Macbeth. Das ist, äh Shakespeare."
und abschnauft auf der Bühne.
Und nie mehr gehört wird dann
ein Tölpelmund, voll von Getön und Toben.
Und es bedeutet: Nichts.' Macbeth. Das ist, äh Shakespeare."
Es klingt vielleicht vermessen, aber: Dass Georg Schramm ausgerechnet im Shakespeare-Jahr von der Bühne abtritt, passt. Denn wie der Barde aus Stratford hat auch er seine Zeit beobachtet, analysiert und kommentiert. Nach knapp drei Jahrzehnten voller satirischer Wut, deren Höhepunkt sicherlich die berühmte "Pissrinnen"-Rede am Schluss des letzten "Scheibenwischers" war, setzt sich Schramm mit 65 Jahren zur Ruhe – vorerst. Denn nur selten hat es Künstler wie ihn lange im Privaten gehalten.
Georg Schramm: "Ich geh mal an die frische Luft, das wird mir zu viel hier alles ... "
Damit sein Publikum die Zeit des Hoffens besser überbrücken kann, nun also diese letzte CD. In der er seine Kunstfigur Lothar Dombrowski ihr Verstummen folgendermaßen begründen lässt:
Georg Schramm: "... und der Grund ist mir jetzt klargeworden: Es ist alles schon gesagt. Und zwar schon lange vor mir. Und zum Teil glänzend formuliert ..."
Und dann purzeln die scharfzüngigen Beispiele der "alten neuen" Wahrheiten – von Shakespeare bis zum kommunistischen Manifest. So zum Beispiel, wenn es um das Thema "Wohltätigkeit" geht:
"Ich habe mich jahrelang an diesem Thema abgearbeitet, über meinen Ekel an Wohltätigkeit, die Wohltätigkeit, wie sie bei uns missbraucht wird, nicht, als Ersatz für politische Gestaltung das allerletzte ist. Und Pestalozzi hat vor 160 Jahren den finalen Satz über das Wesen der Wohltätigkeit gesagt: 'Wohltätigkeit ist das Ersäufen des Rechts im Mistloch der Gnade.'"
Dombrowski in Höchstform
Eingebettet ist das Ganze in eine Rahmenhandlung: Die Kollegen Urban Priol und Jochen Malmsheimer wollen Dombrowski/Schramm eine Abschiedsfeier bereiten. Diese soll mit einem Feuerwerk enden – was dem grantelnden Dombrowski natürlich arg zuwiderläuft und ergo vor ihm geheim gehalten werden muss. Das Publikum erlebt quasi die Generalprobe zu diesem Spektakel – und einen Dombrowski in Höchstform:
"Wenn das Land - (Publikum applaudiert) halt, bitte jetzt, ja, hallo! Entschuldigung! Wenn Sie jetzt vielleicht nicht bei jedem halbwegs gelungenen Satz dazwischen patschen könnten, ja?"
Klamauk dreier Kabarettschwergewichte
Glühen die Monologe nur so von Einsichten und deren Umsetzung in scharfzüngigste Satire, so sind die Gespräche der drei Kabarettschwergewichte voller Klamauk und Frotzeleien – oder, um bei Shakespeare zu bleiben – "comic relief":
Schramm: "Unsere Kinder konnten schon mit dem Mauerbau nix anfangen, unsere Enkel werden mit dem Mauerfall nix anfangen können."
Priol: (entsetzt) "Sie haben Kinder und Enkel?" (Publikum lacht)
Malmsheimer: "Es menschelt!" (lacht hysterisch)
Schramm: "Mein Gott, das war ein Symbol!"
Priol: (entsetzt) "Sie haben Kinder und Enkel?" (Publikum lacht)
Malmsheimer: "Es menschelt!" (lacht hysterisch)
Schramm: "Mein Gott, das war ein Symbol!"
Und der Würdigung, die dieser Stéphane Hessel des Kabaretts, dieses sich empörenden Satirikers durch seinen Kollegen Jochen Malmsheimer an diesem Abend erfuhr, ist nichts mehr hinzuzufügen:
""Dombrowskis Furor werde der unsere! Streiten wir für das Gute, Schöne und Wahre! Ziehen wir blank gegen rhetorische Gedankenarmut und geschmackliche Totgeburten, gegen sinnliche Verwahrlosung, gegen die Vertrocknung des Gesprächs, geben die Kompostierung des Kompliments, gegen die Verrohung der Verehrung, gegen die Veröffentlichung alles Privaten, gegen die Verachtung des Fremden, gegen Dumpfpichelei und Teilnahmslosigkeit, gegen die Lawinen von Scheiße, die sich durch die wirkliche, aber besonders durch die virtuelle Welt wälzen und unser aller Leben bis in das letzte Filament hinein durchseuchen! Gegen diesen ganzen verdammten Rotz, der da draußen jeden Tag unwidersprochen in unser Leben geschissen wird! Fordern wir sie heraus – in lautstarker, lästiger Schrammanz!"
Es sollte nicht wundern, wenn die "Schrammanz" eines Tages tatsächlich Eingang in den Duden fände: als Synonym für waches Beobachten, Analysieren und Aufbegehren. Insofern steht das Lebenswerk Georgs Schramms durchaus in der Tradition eines William Shakespeare, der schon vor über 400 Jahren den Earl of Gloucester im König Lear sagen ließ:
"Das ist die Seuche unserer Zeit: Verrückte führen Blinde."
Die Doppel-CD "Die letzte Gardine" von Georg Schramm, Urban Priol und Jochen Malmsheimer erscheint heute bei WortArt. Die CDs haben eine Laufzeit von ca. 132 Minuten und kosten voraussichtlich 16,99 Euro.