"Solche Individuen haben bei der Polizei nichts zu suchen"
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Die Anwältin Seda Basay-Yildis hat wiederholt Drohbriefe von "NSU 2.0" erhalten, weil sie NSU-Opfer vertreten hat. Doch Politik und Polizei unternähmen zu wenig, um sie zu schützen, kritisiert die Kabarettistin Idil Baydar.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat heute die Frankfurter Anwältin Seda Basay-Yildiz zum vertraulichen Gespräch getroffen. Sie hat als Nebenklägerin NSU-Opfer vertreten. Die Juristin hat deshalb mittlerweile vier Drohbriefe bekommen, in denen sie und ihre Familie, auch ihre kleine Tochter, beschimpft und mit dem Tod bedroht werden. Unterschrieben sind sie mit "NSU 2.0" - angelehnt an die rechtsradikalen Mörder vom NSU, die zehn Menschen getötet haben - aus Hass auf Migranten.
Basay-Yildiz‘ Daten sind über einen Frankfurter Polizei-Computer abgerufen worden. Nach dem ersten Schreiben ist deshalb auch ein mutmaßlich rechtsextremes Netzwerk in der Frankfurter Polizei aufgedeckt worden.
"Paradebeispiel für erfolgreiche Integration"
Für die Berliner Schauspielerin und Kabarettistin Idil Baydar, die als "Jilet Ayse" auftritt und mit klaren und harten Worten gegen Diskriminierung und Rassismus vorgeht, ist es ein Skandal, was die Drohbriefe offenbaren. Ein "nettes Treffen mit dem Bundespräsidenten" berühre nicht "die Wurzel des Problems".
Seda Basay-Yildiz werde nicht als Anwältin, sondern hauptsächlich wegen ihrer türkischen Wurzeln bedroht, davon sei sie überzeugt, sagt Baydar im Deutschlandfunk Kultur. Basay-Yildiz, die deutsche Staatsbürgerin ist, sei "ein Paradebeispiel für eine erfolgreiche Integration, wenn man es so bezeichnen will. Sie erfährt aber nicht den gleichen Schutz, nicht die gleichen Rechte, obwohl sie ja ihren Teil geleistet hat."
Problem wurde verschoben
Es ist ihr Eindruck, dass die Anwältin nicht als Deutsche gesehen werde – "dass sie auch nicht als Repräsentantin von deutscher Justiz und deutschem Rechtsstaat gesehen wird, ist schon wirklich ein Knaller".
Auch der Umgang mit den betroffenen Polizisten, die einfach von Hessen nach Niedersachsen versetzt worden seien, sei nicht nachvollziehbar. Damit sei einfach und bequem "ein Problem verschoben worden. Da stimmt was nicht". Solche Individuen hätten in der Polizei nichts zu suchen. Idil Baydar sagt, die ganze Geschichte erinnere sie an die Affäre um den ehemaligen Präsidenten des Bundesamts für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen, der Hetzjagden auf Migranten geleugnet habe.
"Absurd und surreal"
Die Bedrohung der Anwältin und was dahinter stecke, werde viel zu wenig in der Öffentlichkeit thematisiert. Stattdessen sei die ganze Situation "absurd und surreal", kritisiert die Kabarettistin mit Blick etwa auf Äußerungen der AfD-Politikerin Beatrix von Storch. Es werde einfach so hingenommen, dass von Storch quasi versucht habe, den Holocaust zu leugnen. "Das ist doch nicht normal, rechtes Gedankengut in der Politik zu haben."
Baydar sagt weiter, auch sie selbst fühle sich in ihrer "Migranten-Identität" von der deutschen Polizei nicht ge- und beschützt. "Der Fall ist, dass ich, wenn ich einen Polizisten sehe, immer damit rechnen muss, dass das jemand ist, der aufgrund meiner Migranten-Identität mich nicht so behandeln würde, wie er einen Deutschen ohne Migrations-Hintergrund behandeln würde." Entsprechend versuche sie, diese Stimmung auch in ihrem Kabarett-Programm wiederzugeben.
(mkn)