Kabarettistin, Katholikin, Klosterfrau
Weil sie 1933 in der Schule den Hitlergruß verweigerte, flog Isa Vermehren mit 15 von der Schule. Kurz darauf zog sie mit ihrer Mutter nach Berlin und wurde als freche Göre im Kabarett Katakombe bekannt. Nach dem Krieg konvertierte sie zum Katholizismus, trat in einen Orden ein und arbeitete als Lehrerin und sprach im Fernsehen das "Wort zum Sonntag". Heute wird Isa Vermehren 90 Jahre alt.
Als Sie in Lübeck von der Schule flog, war sie 15 Jahre alt. Das war 1933. Sie hatte den Hitlergruß verweigert. Das reichte. Die jüdische Freundin von Isa Vermehren brauchte nicht grüßen, meinten die Braunhemden. Da entschied Isa, sie grüße auch nicht.
Von da an verlief alles anders. Sie wurde eine andere Deutsche. Sie ging nach Berlin und schloss sich dem legendären Kabarett von Werner Finck an, der "Katakombe". Das junge Mädchen erlangte rasch Bekanntheit. Sie sang laut freche Balladen und Seemannslieder, die sie bei Schulfahrten und Ausflügen gehörte hatte.
"UUnter anderem habe ich auf solch einer Tour, das Lied 'Eine Seefahrt, die ist lustig' kennen gelernt und hab das in aller Harmlosigkeit vor mich hingebrüllt. Und dass man das interpretieren kann 'Unser Erster auf der Brücke', in der Nazizeit bot sich das an, bis dahin hatte kein Mensch solche Beziehungen hergestellt: 'Unser Erster auf der Brücke ist ein Kerl Dreikäsehoch, aber eine Schnauze hat er wie 'ne Ankerklüse groß'. Da war es schon da."
Recht bald, 1935, schlossen die Nazis die Berliner Kabarett Bühne "Katakombe". Isa Vermehren war schon als Kind musikalisch und behielt die Quetschkommode ein Leben lang.
"Ich hatte mir, wie ich zehn oder elf war, eine Ziehharmonika gewünscht, weil ich den Klang so gern mochte. Ich bekam auch eine und hatte sie nach einem Jahr in Stücke gespielt. Und dann kriegte ich eine größere, mit der man mehr machen konnte, und mit der ( sie lacht) bin ich bis zu meiner Pensionierung herumgefahren."
Die Tochter eines Lübecker Rechtsanwalts wurde bald in so genannte "Sippenhaft" genommen, weil ihr Bruder als Diplomat zu den Engländern übergelaufen war. Ihr Vater kam nach Sachsenhausen, sie selber steckte man 1944 ins KZ Ravensbrück.
Früh war der Wunsch in ihr gereift, zu konvertieren, nicht nur katholisch zu werden, sondern in den Orden zu gehen. Aber das dauerte. Mit zwanzig wechselte sie die Konfession, aber erst lange nach dem Krieg ging sie zu den Schwestern vom heiligsten Herzen Jesu und verschrieb sich der Bildungs- und Erziehungsarbeit. Schwester Isa wurde Pädagogin und Schulleiterin in Bonn und lange Jahre in Hamburg. Aber die Oberin empfing sie zu Beginn skeptisch. Schwester Isa erinnert sich:
"Was können Sie eigentlich? Da musste ich sagen, ich kann Auto fahren, ich kann singen, ich kann Ziehharmonika spielen. 'Alles ganz uninteressant. Machen Sie mal ein Examen, wir brauchen gute Lehrer!'"
Sie studierte Englisch, Deutsch, Philosophie und Geschichte und wurde eine gottesfürchtige, konservative und geschätzte Lehrerin, die stets Mensch und Persönlichkeit in den Mittelpunkt rückte, selbst dann noch, wenn in ihr ein gewisser norddeutscher Spott durchbrach.
"Ich gehe davon aus, dass es im Menschen, Qualitäten oder Fähigkeiten gibt, die geweckt werden müssen, die nicht von selber aufplatzen. Man muss ihn ansprechen. Er muss einen Anspruch erfahren, er muss ein Angesprochener sein, sonst fängt er nicht an zu reden."
Auch wenn sie selber heute mit zarter, leiser Stimme spricht, hat sie einen norddeutschen Akzent bewahrt, ist schnell im Geiste, lässt keine Fehler durchgehen und sprüht vor menschenfreundlicher Ironie.
Schwester Isa benutzt heute einen Gehwagen. Aber viel Zeit hat sie nicht. Gleich beginnt die Rede des Heiligen Vaters vor den Vereinten Nationen und die muss sie hören und der Besuch muss dann gefälligst weg sein.
Die feine Ordensfrau trägt natürlich Habit und eine große Brille. Sie ist in jeder Hinsicht kulturvoll. Ohne messianisch zu sein, strahlt sie eine Lebensbejahung aus, die man nur auf eine Formel bringen kann, der zugleich Titel einer österlichen Schrift von Isa Vermehren ist: Aufstand zum Leben. Diese Frau hat ihr Leben lang das Leben bejaht und ist dafür aufgestanden. Sie war und ist darin widerständig, aber niemals eisern oder verbohrt, dazu war sie zu viel Künstlerin.
"Ich denke, ein Glaubenszeugnis ist die Freude ... Nietzsche hat das mal gesagt, die Christen sehen so unfreudig aus. Nein, wir sind erlöst, der Tod ist von uns genommen, die Sünde ist von uns genommen. Das muss man sich mal klar machen, da hat man doch gar keinen Grund, nicht froh zu sein."
Und wenn es ihr mal schlecht geht, was vorgekommen ist und vorkommt, dann greift sie zur Schreibmaschine. Die hilft ihr. Ihre Knautschkommode, die Ziehharmonika "Agathe" ist längst im Museum.
Schwester Isa ist schnell und hellwach im Geiste, schimpft auf die deutsche Politik, die hamburgische Bildungspolitik und die falsche Scham der Katholiken. Für sie gilt seit einem dreiviertel Jahrhundert, was schon in Lübeck auf dem Schulhof galt. Sie stellt sich zu den Schwachen, erhebt die Stimme. Vor einiger Zeit gab ihr eine Tageszeitung den Titel: "Schwester Rastlos". Das gefällt ihr nicht.
"Nein, den möchte ich nicht haben, nein, das möchte ich nicht. Ich weiß zwar nicht, welchen Titel ich mir lieber geben möchte, aber diesen nicht. 'Schwester Immerda', oder 'SofortzurStelle'!"
Von da an verlief alles anders. Sie wurde eine andere Deutsche. Sie ging nach Berlin und schloss sich dem legendären Kabarett von Werner Finck an, der "Katakombe". Das junge Mädchen erlangte rasch Bekanntheit. Sie sang laut freche Balladen und Seemannslieder, die sie bei Schulfahrten und Ausflügen gehörte hatte.
"UUnter anderem habe ich auf solch einer Tour, das Lied 'Eine Seefahrt, die ist lustig' kennen gelernt und hab das in aller Harmlosigkeit vor mich hingebrüllt. Und dass man das interpretieren kann 'Unser Erster auf der Brücke', in der Nazizeit bot sich das an, bis dahin hatte kein Mensch solche Beziehungen hergestellt: 'Unser Erster auf der Brücke ist ein Kerl Dreikäsehoch, aber eine Schnauze hat er wie 'ne Ankerklüse groß'. Da war es schon da."
Recht bald, 1935, schlossen die Nazis die Berliner Kabarett Bühne "Katakombe". Isa Vermehren war schon als Kind musikalisch und behielt die Quetschkommode ein Leben lang.
"Ich hatte mir, wie ich zehn oder elf war, eine Ziehharmonika gewünscht, weil ich den Klang so gern mochte. Ich bekam auch eine und hatte sie nach einem Jahr in Stücke gespielt. Und dann kriegte ich eine größere, mit der man mehr machen konnte, und mit der ( sie lacht) bin ich bis zu meiner Pensionierung herumgefahren."
Die Tochter eines Lübecker Rechtsanwalts wurde bald in so genannte "Sippenhaft" genommen, weil ihr Bruder als Diplomat zu den Engländern übergelaufen war. Ihr Vater kam nach Sachsenhausen, sie selber steckte man 1944 ins KZ Ravensbrück.
Früh war der Wunsch in ihr gereift, zu konvertieren, nicht nur katholisch zu werden, sondern in den Orden zu gehen. Aber das dauerte. Mit zwanzig wechselte sie die Konfession, aber erst lange nach dem Krieg ging sie zu den Schwestern vom heiligsten Herzen Jesu und verschrieb sich der Bildungs- und Erziehungsarbeit. Schwester Isa wurde Pädagogin und Schulleiterin in Bonn und lange Jahre in Hamburg. Aber die Oberin empfing sie zu Beginn skeptisch. Schwester Isa erinnert sich:
"Was können Sie eigentlich? Da musste ich sagen, ich kann Auto fahren, ich kann singen, ich kann Ziehharmonika spielen. 'Alles ganz uninteressant. Machen Sie mal ein Examen, wir brauchen gute Lehrer!'"
Sie studierte Englisch, Deutsch, Philosophie und Geschichte und wurde eine gottesfürchtige, konservative und geschätzte Lehrerin, die stets Mensch und Persönlichkeit in den Mittelpunkt rückte, selbst dann noch, wenn in ihr ein gewisser norddeutscher Spott durchbrach.
"Ich gehe davon aus, dass es im Menschen, Qualitäten oder Fähigkeiten gibt, die geweckt werden müssen, die nicht von selber aufplatzen. Man muss ihn ansprechen. Er muss einen Anspruch erfahren, er muss ein Angesprochener sein, sonst fängt er nicht an zu reden."
Auch wenn sie selber heute mit zarter, leiser Stimme spricht, hat sie einen norddeutschen Akzent bewahrt, ist schnell im Geiste, lässt keine Fehler durchgehen und sprüht vor menschenfreundlicher Ironie.
Schwester Isa benutzt heute einen Gehwagen. Aber viel Zeit hat sie nicht. Gleich beginnt die Rede des Heiligen Vaters vor den Vereinten Nationen und die muss sie hören und der Besuch muss dann gefälligst weg sein.
Die feine Ordensfrau trägt natürlich Habit und eine große Brille. Sie ist in jeder Hinsicht kulturvoll. Ohne messianisch zu sein, strahlt sie eine Lebensbejahung aus, die man nur auf eine Formel bringen kann, der zugleich Titel einer österlichen Schrift von Isa Vermehren ist: Aufstand zum Leben. Diese Frau hat ihr Leben lang das Leben bejaht und ist dafür aufgestanden. Sie war und ist darin widerständig, aber niemals eisern oder verbohrt, dazu war sie zu viel Künstlerin.
"Ich denke, ein Glaubenszeugnis ist die Freude ... Nietzsche hat das mal gesagt, die Christen sehen so unfreudig aus. Nein, wir sind erlöst, der Tod ist von uns genommen, die Sünde ist von uns genommen. Das muss man sich mal klar machen, da hat man doch gar keinen Grund, nicht froh zu sein."
Und wenn es ihr mal schlecht geht, was vorgekommen ist und vorkommt, dann greift sie zur Schreibmaschine. Die hilft ihr. Ihre Knautschkommode, die Ziehharmonika "Agathe" ist längst im Museum.
Schwester Isa ist schnell und hellwach im Geiste, schimpft auf die deutsche Politik, die hamburgische Bildungspolitik und die falsche Scham der Katholiken. Für sie gilt seit einem dreiviertel Jahrhundert, was schon in Lübeck auf dem Schulhof galt. Sie stellt sich zu den Schwachen, erhebt die Stimme. Vor einiger Zeit gab ihr eine Tageszeitung den Titel: "Schwester Rastlos". Das gefällt ihr nicht.
"Nein, den möchte ich nicht haben, nein, das möchte ich nicht. Ich weiß zwar nicht, welchen Titel ich mir lieber geben möchte, aber diesen nicht. 'Schwester Immerda', oder 'SofortzurStelle'!"