Kabarettistin Lisa Eckhart

Dadaistisch zusammengewürfelte Tabubrüche

09:41 Minuten
Eine weiße Frau mit kurzen blonden Haaren in einem schwarz-gelbem Gewand sitzt auf einer Bühne und spricht in ein Mikrofon.
"Was bitte hat ein guter Deutscher in ,Ching Chang Chinaland’ verloren?", fragt die Kabarettistin Lisa Eckhart. © imago images / Future Image
Steffen Grimberg im Gespräch mit Anke Schaefer · 05.05.2020
Audio herunterladen
Die österreichische Kabarettistin Lisa Eckhart fällt auf – mit provokativen Witzen. Sie ist damit nicht die Erste. Ein Gespräch mit dem Medienjournalisten Steffen Grimberg über die Comedyszene und Satire, die nichts will außer Aufmerksamkeit.
Seit einigen Tagen wird über die österreichische Kabarettistin Lisa Eckhart gesprochen, ausgelöst durch einen Artikel in der "Jüdischen Allgemeinen". Der Autor dieses Artikels, Tom Uhlig, ist Mitarbeiter der Bildungsstätte Anne Frank in Frankfurt. Er hat auf diverse antisemitische, rassistische und homophobe "Scherze" hingewiesen, die ein integraler Bestandteil von Lisa Eckharts Programm seien.
"Was bitte hat ein guter Deutscher in 'Ching Chang Chinaland' verloren?", fragt Lisa Eckhart zum Beispiel in ihrem Programm: "Die waren im Krieg gegen uns. Zum letzten Mal: Japaner gut, Chinesen böse. Sagen Sie mir nicht, die schauen für Sie gleich aus – Sie Rassisten."
An anderer Stelle sagt sie: "Die Erektion des schwarzen Glieds braucht alle sieben Liter Blut, über die ein Mensch verfügt." Und über Juden: "Da haben wir immer gegen diesen dummen Vorwurf gewettert, denen ging es nur ums Geld, und jetzt plötzlich kommt heraus, denen geht’s wirklich nicht ums Geld, denen geht’s um die Weiber, und deswegen brauchen sie das Geld."
Wie ist jemand wie Lisa Eckhart im Rahmen der deutschsprachigen Kabarettszene zu bewerten? Darüber haben wir mit dem Medienjournalisten Steffen Grimberg gesprochen, früher beim Grimme-Institut tätig, heute arbeitet er als freier Journalist unter anderem für den MDR. Hier finden Sie das Gespräch in voller Länge:

Anke Schaefer: Wie witzig finden Sie das, was wir gerade gehört haben?
Steffen Grimberg: Mäßig, muss ich sagen, ich kann damit nicht sehr viel anfangen. Ich finde, es ist auch, sagen wir mal, in der berechneten Provokation sehr, sehr durchschaubar, und letztlich lässt es mich relativ kalt zurück. Ich fühle mich da weder besonders belustigt, noch hab ich auch nur ansatzweise irgendwie so was wie einen Erkenntnisgewinn.

Zu welchen Mitteln darf Satire greifen?

Schaefer: Es gibt ja diesen Satz von Kurt Tucholsky, der in solchen Fällen immer mal wieder zitiert wird: "Satire darf alles". Darf auch Lisa Eckhart alles?
Grimberg: Na ja, im Prinzip erst mal ja, auch der Tucholsky-Satz ist ja bekanntermaßen so nicht auf alles anwendbar. Es gibt ja durchaus auch immer wieder Prozesse, Presserechtsklagen und so weiter, wo dann festgestellt wird: Okay, hier ist dann zu weit gegangen worden. Persönliche Beleidigungen, Schmähkritik – Satire darf eben nur in bestimmten Umständen alles. Vor allen Dingen muss man, glaube ich, immer auf die Fallhöhe gucken, wer wird da angegriffen, oder wird da einfach durch ein, ich sag mal, latent dadaistisches Zusammenwürfeln allgemeiner Tabubrüche sozusagen so etwas wie Aufmerksamkeit erzielt, und ich fürchte, darum handelt es sich bei Lisa Eckhart.
Schaefer: Sie haben gesagt, Sie finden es mäßig witzig, aber es ärgert Sie nicht? Sie sind sozusagen emotionslos, wenn Sie das hören?
Grimberg: Ich bin nicht emotionslos, ich glaube, wir können die deutsche Comedy- oder Kabarettszene – das ist ja ohnehin nicht mehr so ganz trennscharf – einteilen in, sagen wir mal, sehr geistreiches Programm und Format und Protagonistinnen und Protagonisten und dann in solche, die immer mit diesem Tabubruch, mit dem angeblichen "wider die Political Correctness" und so weiter ihren Unterhalt bestreiten. Ingo Appelt zum Beispiel fällt mir ein als ein Protagonist, der das ja schon vor Jahren gemacht hat und damit auch einen gewissen Erfolg hat, und in diese Reihe, denke ich, reiht sie sich ein. Was ich problematisch finde, ist, dass sie – Sie haben den Artikel aus der "Jüdischen Allgemeinen" ja schon erwähnt – eben tatsächlich so ziemlich alles nimmt, wo ich glaube berechtigterweise Menschen sich verletzt fühlen können, um damit dann aber eigentlich verhältnismäßig billige Witze zu machen.
Ich würde eben immer sagen, Satire darf zu sehr heftigen Mitteln greifen, wenn auch der Gegner, gegen den sie sich richtet, eine entsprechende machtvolle Figur ist oder entsprechend schlimme Dinge tut oder was auch immer, und man wirklich mit dieser Satire etwas erreichen möchte. Ich sehe hier irgendwo keine wirkliche "Wirkungsabsicht", außer eben, selber bekannt zu werden und vielleicht durch diese gezielten Provokationen dann entsprechend Aufmerksamkeit zu bekommen.

Der Lerneffekt des "Umweltsau"-Videos

Schaefer: Aber die Frage ist, wie weit kann man da gehen, auch die Frage, warum die Programmverantwortlichen innerhalb der ARD das durchaus posten und verwenden. Es gab gestern Abend noch einen neuen Bericht in der "Jüdischen Allgemeinen", in dem steht, dass der WDR selbst das "Mitternachtsspitzen"-Video kürzlich gepostet hat – das ist von 2018 –, und da hat man wohl gedacht, na ja, das ist ein besonderes Highlight, in dem Lisa Eckhart unter anderem fragt, ob man nach MeToo noch Filme der Juden Weinstein, Polanski, Woody Allen schauen könnte und solche Dinge. Kann man schon fragen, warum postet der WDR gerade dieses Video, was er damit ja dann auch empfiehlt.
Grimberg: Das ist eine gute Frage. Ich denke, bei den Programmen, da hat es natürlich auch einen Lerneffekt gegeben, vielleicht gerade auch beim Westdeutschen Rundfunk. Sie erinnern sich vielleicht an das berühmte "Umweltsau"-Video, diese Persiflage auf das Lied "Meine Oma fährt im Hühnerstall Motorrad" hat Ende letzten, Anfang dieses Jahres ja für große Furore gesorgt. Da hat der WDR sehr, sehr schnell gehandelt, hat das aus dem Netz genommen, hat sich dafür entschuldigt, der Intendant hat sich persönlich dafür entschuldigt – das war dann auch wieder nicht richtig. Ich glaube, es gibt eine sehr, sehr große Sensibilität im Moment, dass sobald man Satire, und sei sie noch so schlecht oder vielleicht eben auch hart an der Grenze zu dem, was man noch hinnehmen kann, zu sehr zu Leibe rückt, dass man sich dann eben dem Zensurvorwurf extrem ausgesetzt sieht, und das ist natürlich was, was gerade im öffentlich-rechtlichen Rundfunk nicht so gut ankommt.

"Das ist alles nur gespielt"

Schaefer: Über rechte Kabarettisten wird ja im Moment jetzt nicht zum ersten Mal diskutiert. Zum Beispiel gab es den Fall von Uwe Steimle, von dem der MDR sich im letzten Jahr dann getrennt hat. Sind das jetzt Einzelfälle oder sehen Sie eine Tendenz?
Grimberg: Ich glaube, da muss man auch noch mal trennen. Der Fall Steimle und Lisa Eckhart, das würde ich nicht in einen Topf werfen. Bei Steimle ist es sicherlich auch eine von ihm wirklich so ernst gemeinte Tendenz gewesen, und der Mitteldeutsche Rundfunk hat sich diese Entscheidung weiß Gott nicht leicht gemacht, man hatte auch immer wieder versucht, mit Steimle darüber zu kommunizieren. Bei Lisa Eckhart denke ich, das ist de facto ja alles nur gespielt. Sie könnte wahrscheinlich, wenn sie wollte oder vielleicht könnte – vielleicht mangelt es da auch ein bisschen –, könnte vermutlich ja auch ganz anders. Ich glaube, da muss man noch mal unterscheiden. Ich unterstelle Frau Eckhart jetzt nicht, dass sie das, was sie dort von sich gibt, wirklich sozusagen als ihre eigene politische Meinung unterschreiben würde.

Gut genug für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk?

Schaefer: Was würden Sie denn als Vorgehen vorschlagen? Zensur soll es nicht sein, aber sprechen mit Lisa Eckhart?
Grimberg: Thematisieren und sich eben auch im Programmzusammenhang überlegen, was will man dort bieten, wo will man hin. Ich würde eben sagen, ich würde das nicht aus dem Programm schmeißen, weil es sozusagen zu weit geht, ich würde einfach die Frage stellen: Ist es eigentlich gut genug für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk? Da gibt es andere Geschichten – ich denke an so was wie "Die Anstalt" bei den Kollegen im ZDF –, da kann man sehen, dass es viel, viel intelligenter geht, und dann kommt auch was bei raus. Dann gibt es vielleicht ein Umdenken, ein Aha-Erlebnis bei Zuschauerinnen und Zuschauern, dann bleibt einem das Lachen im Halse stecken, aber nicht nur, weil es eine wahnsinnige Provokation ist, sondern weil man wirklich denkt: Oh Mensch, stimmt, so kann man das ja auch sehen. Und das ist dann entweder gar nicht gut oder eine neue Sichtweise, und das bringt einen dann nach vorne.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandfunk Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Mehr zum Thema