Kae Tempests Album "The Line Is A Curve"
Kae Tempest hatte 2020 ihr Coming-Out als nicht-binäre Person. Dieser wichtige Schritt in ihrem Leben bestimmt auch den Stil des neuen Albums. © Getty Images / Jim Dyson
Songs über das Loslassen
06:33 Minuten
Nach einem Coming-out als nicht-binäre Person hat Kae Tempest ein neues Album veröffentlicht: "The Line Is A Curve" spiegelt die Veränderungen im Leben der Lyriker:in, Schriftsteller:in und Musiker:in wider – ruhig und nachdenklich.
„Ich wollte meinen Sprechgesang live an einem einzigen Take aufnehmen, live zu einem Publikum sprechen“, sagt Kae Tempest. Denn: „Wenn man ein Gegenüber hat, entsteht eine andere Energie, weil man im Austausch steht. Die Texte werden dynamischer. Und dann bin ich noch einen Schritt weiter gegangen. Ich habe meinen Part an einem Tag dreimal für Leute aus verschiedenen Generation performt.“
Die drei Generationen waren ein 78-jähriger Mann, den Tempest nie zuvor getroffen hatte, drei junge Fans im Teenager-Alter die, auf einen Social Media Post reagiert hatten und die Dichterin Bridget Minamore. Sie ist eine langjährige Freundin der Londoner Musiker:in und mit Jahrgang ’91 fast im gleichen Alter.
Tempest selbst war verblüfft, wie die unterschiedlichen Generationen im Publikum die Art und Weise des Vortrags beeinflusst haben.
"Ich war ziemlich ehrfürchtig"
„Bei der Person in der älteren Generation fühlte ich bei mir eine Art Zögern. Ich habe ihre Erfahrung mitgedacht, deshalb war ich auch ziemlich ehrfürchtig", beschreibt Tempest ihre Empfindungen. "Bei den jüngeren Leuten habe ich unbewusst die Kümmerer-Perspektive eingenommen, mich darum gesorgt, wie es ihnen gerade geht. Ich fühlte mich bei diesen beiden Generationen nicht hundertprozentig anwesend mit meinem Text. Trotzdem gab es ein paar unglaubliche Momente.“
Die Version, die Tempest der Dichterin Bridget Minamore präsentierte, ist die, die auf dem Album zu hören ist. Ihr gegenüber konnte Kae Tempest die zwölf Songs des Albums mit der größten Entschlossenheit und Ehrlichkeit präsentieren.
Es geht um Selbstliebe und Akzeptanz
Tempest ist wortgewaltig wie eh und je, das Pathos kommt nicht zu kurz, nur die Predigerpose ist stärker zurückgenommen als gewohnt.
Nach dem Coming Out als nicht-binäre Person und der Namensänderung von Kate zu Kae richtet Tempest den Blick nun stärker nach innen und weniger auf die Gesellschaft. Während auf Vorgängeralben noch Songs wie "Europe is lost" waren, geht es jetzt um Selbstliebe, Akzeptanz und vor allem um Verbundensein.
Tempest öffnet sich und hat zum ersten Mal auch musikalische Gäste dabei, wie den US-Rapper Kevin Abstract oder die britische Sängerin Lianne La Havas.
Stiller, nachdenklicher, introvertierter
Insgesamt klingt das Album stiller, nachdenklicher, introvertierter. Es ist das Statement einer Künstlerpersönlichkeit, die mehr und mehr zu sich selbst zu finden scheint.
Dabei ist "The Line Is A Curve" auch ein Album über das Loslassen. Sich dem Kreislauf des Lebens zu ergeben, nicht krampfhaft an Dingen festzuhalten, die man selber nicht ändern kann. Das kann man als Kapitulation begreifen, es kann aber auch Freiheit bedeuten.
"Die Idee bei dem Album ist, dass die Linie eine Kurve ist und wir kreisen herum. Das Album fordert dazu auf, Ruhe und Frieden zu finden und loszulassen. Auf dem davor habe ich versucht, diese Zyklen zu stoppen. Ich war sehr unglücklich mit diesen Wiederholungen des ewig Gleichen. Mit dem gesellschaftlichen Verhalten zum Beispiel, das so viel Schaden anrichtet, auch persönlich. Man ist wie gefangen. Wenn man das aber erkennt, kann man damit umgehen. Diesmal ist es eher ein sich Hin – und Ergeben."