Kämpfer gegen Assad

Wo muss man als Syrer stehen?

Ein Einschussloch in einem Fenster
Ein Einschussloch in einem Fenster © dpa/picture alliance/Valeriy Melnikov
Von Sabine Adler |
Hassan hat in Syrien gegen das Assad-Regime gekämpft. Danach kehrte er nach Deutschland zurück. Wie werden ihn die Behörden hier behandeln - eröffnen sie ein Verfahren gegen ihn?
Hassan heißt nicht Hassan. Der junge Syrer möchte reden, aber nicht erkannt werden. Er hat den Treffpunkt vorgeschlagen. Fast zwei Stunden antwortet er auf jede Frage, erst am Ende kommt die Bitte, seinen Namen nicht verwenden. Als 2012 Truppen des syrischen Präsidenten Bashar-al Assad seine Geburtsstadt Aleppo verwüsteten, schloss er sich den Rebellen an. "Dass ich aufhöre, gegen Assad zu kämpfen, wird nicht sein."
Er ließ sich zwei Wochen schulen in einem Trainingslager in einer verlassenen Villa. Von dort ging er in den Kampf, zum Töten: "Das war für mich ein komisches Gefühl, das mein ganzes Leben ändert. Bis jetzt, bis zu diesem Moment. Das war am Flughafen von Aleppo. Da haben wir eine Falle gestellt gegen einen Bus von denen. Das waren 37 Soldaten. Da haben mein Kumpel und ich auf die geschossen, direkt drauf geschossen."
Als Hassan 2012 zur Waffe griff, glaubte er, dass der Kampf kein Jahr dauern würde, doch nicht nur der Krieg weitete sich aus, auch die Gegner wurden immer mehr:

"Am Anfang gab es keinen IS. IS hat angefangen im März 2013. 2014 gab es sie und da hatten wir Probleme mit denen."
"Waren das Gegner?"
"Am Anfang nicht. Bis wir verstanden haben, was in den Köpfen von denen läuft. Am Anfang haben wir die gesehen als Brüder, Muslime. Da haben wir gesagt: 'Oh, schön, da kommen Brüder aus dem Ausland, die wollen mit uns kämpfen gegen das Assad-Regime, damit wir Frieden haben.' Die wollten die Macht haben für ganz Aleppo. Wir waren dagegen. Das geht nicht. Erstmal ist es zu früh, um über einen islamischen Staat zu reden. Wir müssen erstmal Assad weghaben. Wenn wir ein Land gründen, islamisch oder sonst was, dann müssen wir erstmal die Kraft haben, dass wir die Leute in Sicherheit bringen."
Zunächst sprachen alle die gleiche Sprache
Die Rebellen, denen Hassan angehörte, und der IS, die Terrororganisation Islamischer Staat, fanden in Aleppo eine gemeinsame Sprache. Man verständigte sich. Hassan mit seinem runden gutmütigen Gesicht war bei den Gesprächen dabei. Es ging um Vorschriften für die Bevölkerung, vor allem für Frauen und Mädchen:
"Zum Beispiel Schulen: Da wollten die direkt von Anfang an, dass Mädchen nicht in die Grundschule gehen dürfen. Also diese Kleinigkeit. Frauen zum Beispiel. Sie wollten nicht, dass Frauen allein rausgehen dürfen."
Hassan blieb ein Vierteljahr beim bewaffneten Widerstand. Dann erlitt er eine Vergiftung durch verseuchtes Trinkwasser, kam ins Krankenhaus von Aleppo, das einen Tag nach seiner Entlassung bei einem Bombenangriff zerstört wurde. Er kehrte über die Türkei nach Deutschland zurück.
Das Märtyrerlied, das die Belohnung mit Jungfrauen verspricht, hat er mit seinen Kameraden am in Aleppo gesungen. Er und seine syrischen Rebellen wollen einen islamischen Staat. Wie der IS. Mit Scharia.
"Die wollten und wir wollen einen islamischen Staat haben mit Scharia. Aber der Unterschied zwischen denen und uns ist die Zeit. Es ist viel zu früh. Zweitens wie wir mit Scharia umgehen."
Scharia ist genau wie unser Prophet das gemacht hat. Das hat der Jude mit dem Moslem gelebt, da hat der Christ mit dem Moslem gelebt."
Der 31-Jährige ist für die Scharia. Und er sagt, dass er Angriffe auf Frauen wie Silvester in Köln verurteilt.
"Wir brauchen keine solchen Leute. Ich bin bereit, sie abzuschieben, rauszuschmeißen aus diesem Land."
Unterstützung für die Kämpfer
Seit 2013 unterstützt er den Krieg von Deutschland aus, humanitär – wie es in seinen Kreisen heißt. Hassan sammelt Spenden aller Art, bringt sie nach Syrien, immer über die Türkei. Mitunter auch Waffen: "Bei uns hat jeder seine Aufgabe. Da gibt es die Aufgabe, mit den Händlern zu sitzen und zu klären, wo und was für Waffen gekauft werden sollen. Ich bin nicht die Fachperson dafür. Aber manchmal helfe ich dabei, dass man die nach Syrien reinbringt."
"Jetzt ist das etwas schwerer als vorher. Die Türken gehen jetzt ein bisschen härter vor. Nicht nur große Kontrollen, die wollen auch wissen, wohin, welche Gruppe das bekommen wird. Am Anfang war das egal, Hauptsache rein."
Die Türkei sei das Aufmarschgebiet für alle Gruppen.
"Ob von unserer Seite, oder von ISIS-Seite oder von Assads Seite. Oder Iran und Russland, die sind alle in der Türkei. Wenn die Grenze geschlossen werden würde, dann hätten wir weiter keine Chance, gegen Assad zu kämpfen."
Hassan schlägt sich mit Gelegenheitsarbeiten durch. Zum Freitagsgebet geht der zweifache Vater in unterschiedliche Moscheen des Ruhrgebiets. Er rekrutiere keine Kämpfer, der Weg nach Syrien sei ohnehin bekannt:
"Wir haben so viele Leute, das reicht für Krieg gegen drei komplette Länder."
Deutschland ist Hassan Heimat, er fühle sich nicht als Besucher oder Ausländer. Wenngleich die Unterschiede zu Syrien groß seien.
"Zum Beispiel wird in unserem Land das Gesetz nicht so ernst genommen wie hier, wo das Gesetz 100 Prozent ernst genommen wird. Bei uns hat keiner Respekt vor der Polizei, weil sie mit Geld alles macht, was sie wollen, auch wenn sie schuldig sind."
Weil Deutschland Leute aus Syrien ohne Prüfung aufnahm, befänden sich inzwischen unter den Flüchtlingen sowohl Rebellen, als auch IS-Kämpfer und ebenso Assad- Leute. Die Gefahr steigt, dass der Konflikt auch in Deutschland ausgetragen wird. Vor kurzem haben deutsche Behörden seinen Pass einbehalten, Hassan ist sicher, ihn zurückzubekommen, denn er sei keine Gefahr für Deutschland. Er ist kein IS-Rückkehrer, doch offen bleibt, wie die deutsche Justiz seine Teilnahme an dem Syrienkrieg bewertet.
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