Kafka-Biografie

Ende eines Mammut-Projekts

Undatiertes Porträt des Schriftstellers Franz Kafka
Undatiertes Porträt des Schriftstellers Franz Kafka © picture-alliance / dpa / CTK
Moderation: Joachim Scholl |
18 Jahre hat Reiner Stach an seiner dreibändigen Kafka-Biografie geschrieben, jetzt erscheint mit "Die frühen Jahre" der letzte Teil. Kafka wurde in einem Zeitalter großer technischer Innovationen groß und litt darunter, sagt der Biograf. Deshalb habe Kafka große Sympathien für die "Lebensreformer" gezeigt.
Stach weiß alles, was man über Kafka überhaupt wissen kann. Der dritte Band ist eigentlich der erste: "Die frühen Jahre" über Kafkas Kindheit schließen das Mammut-Projekt ab.
"Ich glaube, gute Biographien müssen einfach die Figur einbetten in die Lebenswelt, weil sonst wird es zweidimensional. Ich wollte es aber dreidimensional haben."
Es habe ihm nicht ausgereicht, herauszufinden, vor welchem Hintergrund Kafka gelebt habe.
"Ich lebe ja nicht vor einem politischen, ökonomischen oder kulturellen Hintergrund, sondern ich lebe in diesen Bezügen."
Er habe deshalb zeigen wollen, welche Rolle beispielsweise der Erste Weltkrieg für Kafkas Leben spielte. Dafür habe er auch die Lektüre der damaligen Tageszeitungen hinzugezogen, um Ereignisse von Tag zu Tag nachzuvollziehen.
"Wir sprechen vom Zeitalter der Nervosität"
"Was mich außerordentlich verblüfft hat, das sind die technologischen Innovationen, die Kafka als Jugendlicher bereits erlebt hat. Man spricht da immer von der guten alten Zeit, damit meint man immer die Zeit vor dem Ersten Weltkrieg, die angeblich so stabil war und so ruhig war und überschaubar."
Das sei gar nicht wahr. Kafka habe als Jugendlicher die ersten Autos erlebt, die ersten Kinos, die Grammofone und Flugzeuge, die ihn besonders begeistert hätten.
"Also, eine ganze Fülle von Innovationen, die auch in den Alltag der Leute direkt eingegriffen haben."
Kafka habe auch die ersten Telefonleitungen in den Wohnungen erlebt. "Wir sprechen vom Zeitalter der Nervosität", sagte der Biograf. Kafka habe darunter nicht nur gelitten, sondern das reflektiert und darauf reagiert. Die große Gegenbewegung "Lebensreform" habe damals auf Verlangsamung und Abkehr von der Technik plädiert und sei Kafka sehr "hochsympathisch" gewesen.
"Mir war das neu eigentlich, erstens, dass er da Teil einer Massenbewegung schon war, einer Alternativbewegung."
Kafka-Biograf Reiner Stach zu Besuch im Studio von Deutschlandradio Kultur.
Kafka-Biograf Reiner Stach zu Besuch im Studio von Deutschlandradio Kultur.© Deutschlandradio - Andreas Buron
Auch Online-Poker trug zum Lebensunterhalt bei
Die Arbeit an diesem Mammutprojekt über 18 Jahre habe ihn vor viele lebenspraktische Probleme gestellt, sagte Stach. "Man muss sich finanzieren über lange Jahre, man muss die Begeisterung im Verlag aufrecht erhalten und man muss viele Freunde, Helfer haben", sagte der Biograf. Neben zahlreichen Unterstützungen habe er zwei Jahre lang Online-Poker gespielt, um Geld zu verdienen.
"Poker ist kein Glücksspiel, wie die meisten Leute denken, aber man kann nicht so viel damit verdienen, dass es wirklich substantiell wird."
Reiner Stach: Kafka. Die frühen Jahre
S.Fischer Verlag, 608 Seiten
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