Eine Frau mit Prinzipien und viel Empathie
Die Tschechin Milena Jesenská war die erste Übersetzerin von Franz Kafkas Werken in eine Fremdsprache. Sie zweifelte die stalinistischen Schauprozesse an und wurde aus der Kommunistischen Partei ausgeschlossen. Vor 75 Jahren starb sie im KZ Ravensbrück.
"Sie ist ein lebendiges Feuer, wie ich es noch nie gesehen habe. Dabei äußerst zart, mutig, klug und alles wirft sie in das Opfer hinein oder hat es, wenn man will, durch das Opfer erworben."
So beschrieb Franz Kafka seine tschechische Freundin Milena Jesenská. Als seine Liebesbriefe an sie 1952 in New York erschienen, wurde die Adressatin über Nacht berühmt. Aber nicht einmal ihr Nachname war in der ersten Buchausgabe erwähnt. Es sollte noch Jahre dauern, bis auch ihre Biografie bekannt wurde.
"Milena Jesenská war eine begnadete Journalistin mit einer großen Empathie. Ich würde sagen, sie ist so ein weiblicher Egon Erwin Kisch", sagt Alena Wagnerová, ihre Biografin.
1919 Franz Kafka kennengelernt
Milena Jesenská war eine außergewöhnliche Frau, elegant, mondän, emanzipiert und eigenwillig. Sie wurde am 10. August 1896 in Prag geboren. Ihr Vater war Professor für Zahnmedizin an der Karls-Universität, ihre Mutter starb früh. Sie begann ein Medizinstudium, ging aber lieber ins Prager Literatencafé Arco, wo Schriftsteller wie Max Brod, Franz Werfel und Johannes Urzidil verkehrten. Hier traf sie ihre erste große Liebe: den Bankangestellten Ernst Polak. Der Vater war empört, als er von dem Verhältnis mit einem Juden erfuhr. Nach einer Abtreibung ließ er seine Tochter mit Gewalt in ein Sanatorium schaffen. Milena durfte Ernst Polak heiraten, musste aber mit ihm nach Wien ziehen.
"Als ich nach Wien kam, war ich ein kleines Mädel, konnte kein Wort deutsch und hatte keinen Heller. Polak ließ mich in der fremden Stadt auf dem Bahnhof alleine – und ging zu seiner Geliebten."
Es war eine Zeit der Not, geprägt vom Ersten Weltkrieg und dem Zusammenbruch des Kaiserreiches. Milena lernte, sich zu behaupten, und schrieb für Prager Zeitungen Feuilletons über das Leben in Wien. 1919 lernte sie Franz Kafka kennen, sie wurde seine erste Übersetzerin in eine Fremdsprache, ins Tschechische. Beide führten eine Liebesbeziehung nur in Briefen. Ihre Briefe an ihn gingen verloren.
Es war eine Zeit der Not, geprägt vom Ersten Weltkrieg und dem Zusammenbruch des Kaiserreiches. Milena lernte, sich zu behaupten, und schrieb für Prager Zeitungen Feuilletons über das Leben in Wien. 1919 lernte sie Franz Kafka kennen, sie wurde seine erste Übersetzerin in eine Fremdsprache, ins Tschechische. Beide führten eine Liebesbeziehung nur in Briefen. Ihre Briefe an ihn gingen verloren.
Ausschluss aus der Kommunistischen Partei
1925 kehrte sie nach Prag zurück, nun als anerkannte Journalistin. Sie schrieb über Mode, Lebensstil, Architektur, lernte den Bauhaus-Architekten Jaromír Krejcar kennen und bekam von ihm eine Tochter. 1931 trat sie der Kommunistischen Partei bei, konnte sich der Parteiraison aber nicht unterwerfen. Weil sie die Rechtmäßigkeit der stalinistischen Schauprozesse in Moskau anzweifelte, wurde sie ausgeschlossen.
"Im Café Metro sitzen lauter Stalinisten. Bis jetzt sprach ich mit ihnen und sie mit mir – jetzt haben sie aufgehört, mich zu grüßen."
Seit Mitte der 1930er-Jahre strömten Verfolgte des Nazi-Regimes aus Deutschland nach Prag. Milena schrieb politische Reportagen über die Situation der Flüchtlinge, die Verfolgung der Juden, die Sudetenkrise.
"Über Prag liegt eine schreckliche Depression, die Menschen beginnen, müde zu sein von den Ratschlägen, von der Stumpfheit... Der deutsche Sender schreit schreckliche Dinge heraus..."
1994 zur "Gerechten unter den Völkern" ernannt
Als die Wehrmacht 1938 das Sudetengebiet, 1939 die restliche Tschechoslowakei besetzte, half Milena Jesenská Verfolgten bei der Flucht vor den Nazi-Deutschen.
"Und da erinnern sich viele an sie, an eine unheimlich ruhige, tapfere Frau, die alles gemanagt hat, die Menschen getröstet hat, gleichzeitig mit großem Organisationstalent die Fluchtwege mit anderen immer wieder geortet hat."
Im November 1939 wurde Milena von der Gestapo verhaftet und in Dresden vor Gericht gestellt. Im Prozess musste sie wegen Mangels an Beweisen freigesprochen werden. Anschließend wurde sie in das Konzentrationslager Ravensbrück überführt. Nach dem Krieg berichteten Überlebende wie Milenas Freundin Margarete Buber-Neumann, dass sie den mitgefangenen Frauen Kraft durch ihren Lebensmut und ihre Anteilnahme gab. Sie musste die Kartei der Geschlechtskranken verwalten, fälschte Daten und rettete so unter Lebensgefahr mehreren Frauen das Leben.
Milena Jesenská starb am 17. Mai 1944 an den Folgen einer schweren Nierenerkrankung. Sie wurde 47 Jahre alt.
Die Gedenkstätte Yad Vashem ernannte Milena Jesenská 1994 zur "Gerechten unter den Völkern".