Kahlschlag in Rumänien

Wenn Holz zu Gold wird

Illegal gerodeter Wald in Rumänien.
Illegal gerodeter Wald in Rumänien. © AFP / Daniel Mihailescu
Von Ralf Borchard |
Der Rohstoff Holz boomt weltweit - und von dieser Ressource hat das arme Rumänien reiche Vorräte: Über weite Flächen erstreckt sich dort einer der letzten Urwälder Europa. Doch jetzt droht den rumänischen Wäldern der Kahlschlag.
Auf der Fahrt durch Siebenbürgen begegnet man dem Thema Holzschlag überall. Zum Beispiel auf einem Parkplatz an einer Landstraße in der Nähe von Hermannstadt. Zwei Männer setzen die Kettensäge an zahlreichen Baumstämmen an, die gerade von einem Lkw abgeladen wurden. Wo das Holz herkommt und wo es hin soll, wollen die Männer lieber nicht sagen.
Wenig später ein Waldweg am Fuß der Fogerascher Berge. Am Wegrand steht ein Kleinbus, randvoll mit Holz, die Tür des Laderaums steht offen, der Transporter ist völlig überladen. Fahrer und Beifahrer sind ausgestiegen, ihr Fahrzeug hat eine Panne. Wir sprechen sie an, woher sie das Holz haben. Es sei Brennholz, gerade mit Genehmigung des Försters aus dem Wald geholt, sagen sie. Auf die Frage, ob sie einen Lieferschein haben, ob das Holz legal geschlagen ist, werden sie wortkarg – mehr ist aus den beiden dann nicht mehr herauszuholen. Der Umweltaktivist Hans Hedrich, mit dem wir an diesem Tag unterwegs sind, sagt kurz darauf:
"Ich bin mir da ziemlich sicher, dass es eine illegale Fuhre war. Das sieht hier sehr nach einer spontanen Aktion aus, jemand lädt das Holz ein und verkauft das dann als Feuerholz im Dorf. Und das bringt auch schönes Geld. Denn Feuerholz ist in Rumänien auch schon ziemlich teuer."
Schätzungsweise eineinhalb Tonnen Holz waren in dem Kleinbus, Verkaufswert mindestens umgerechnet 150 Euro. Ein kleiner Fall vermutlich illegalen Holzschlags – der aber symptomatisch ist, auch für das Abholzen im großen Stil.
"Die Dorfbewohner, die mit Holz heizen, die regeln das leider oft so, dass sie mit dem Förster das absprechen. Und der Förster erlaubt ihnen dann, einfach irgendwo Holz zu schlagen, wo der Förster weiß, dass man das nicht sofort merkt. Und mit Sicherheit bekommt auch der Förster was und auch die Vorgesetzten des Försters. Und auch wenn es scheinbar kleine Mengen sind, die so illegal geschlagen werden, es summiert sich aber auf jeden Fall, denn noch heizen sehr, sehr viele Leute mit Holz landesweit. Und es ist auch ein Beginn der größeren Korruption. Denn es gibt dann auch die großen Firmen, die sich wirklich Lkw-weise Holz liefern lassen, das dann teilweise auch nachgewiesenermaßen illegal geschlagen wird."
Hans Hedrich ist Vorstand des Vereins "Neuer Weg", einer von zahlreichen Bürgerinitiativen, die gegen den illegalen Holzschlag in Rumänien vorzugehen versuchen. Wenn es um Holzschlag im großen Stil geht, fällt auch bei ihm sofort der Name Schweighofer.
"Viele Lieferanten, die ersteigern ein Stück Wald, dürfen dann aber in der Regel illegaler Weise mehr schlagen als sie ersteigert haben. So, und da kriegt wieder der Förster was und sein Vorgesetzter und so weiter. Insgesamt hat dann dieser Lieferant, für Schweighofer zum Beispiel, mehr Holz als er legal nachweisen kann mit Papieren. Und trotzdem gelangt das Holz sehr oft zu solchen Endabnehmern."

Versteckte Kamera enttarnte illegalen Holzverkauf

Die österreichische Firma "Holzindustrie Schweighofer" ist seit 2002 in Rumänien aktiv, anfangs massiv gefördert von der damaligen Regierung unter Premier Adrian Nastase. Nastase wurde wegen Korruption in anderem Zusammenhang zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt. Schweighofer, ein Familienunternehmen mit 400-jähriger Tradition, stieg in Rumänien schnell zum Marktführer in der Verarbeitung von Nadelholz auf.
2015 filmten US-amerikanische Aktivisten, die sich als Holzlieferanten ausgaben, mit versteckter Kamera zwei Schweighofer-Manager im Sägewerk Sebes. Kernaussage: Schweighofer hat kein Problem, auch Holz aus zweifelhaften Quellen anzukaufen. Kurz darauf begannen staatliche Ermittlungen gegen Schweighofer, rumänische Medien berichteten breit, tausende Menschen demonstrierten in Bukarest und anderen Städten gegen illegalen Holzabbau. Zu Recht, sagt Hans Hedrich:
"Ich selber war bei Recherchen mit dabei. Wir haben ganz klare Fälle, wo das Forstamt eingesteht, ja, an der und der Stelle, die wir abgefilmt haben, wurde illegal geschlägert. Der, der da illegal geschlägert hat, hat es uns in Mikrofon gesagt, wir haben das Holz an Schweighofer und Kronospan verkauft. Punkt. So einfach ist es."
Kronospan ist eine zweite österreichische Holzfirma, die in Rumänien aktiv ist.
Was sagt die Firma Schweighofer selbst? Vor dem Werk Sebes, dem größten von sechs Schweighofer-Standorten in Rumänien, wartet ein voll beladener Lkw auf die Einfahrt. Die Schweighofer-Zentrale in Wien hat bereitwillig eine Besichtigung im Werk Sebes organisiert, aus Bukarest ist der Rumänien-Chef des Konzerns, Dan Banacu, zum Interview gekommen. Er legt zum Auftakt einen Stapel Dokumente auf den Tisch:
"Was ich Ihnen hier zeige, ist das Formular, mit dem wir jeden Lieferanten verpflichten, über die Herkunft jeder Fracht an unser Sägewerk Auskunft zu geben. Wir überprüfen systematisch jede einzelne Lieferung jedes Zulieferers."
"Wir achten insbesondere darauf, dass das Holz nicht aus einem Nationalpark oder einem anderen geschützten Gebiet kommt. Wir verfolgen eine Null-Toleranz-Politik, was die Herkunft aus Nationalparks oder anderen geschützten Waldgebieten betrifft."
Der Schweighofer-Manager beteuert, dass die Firma zu keinem Zeitpunkt illegal geschlagenes Holz angenommen habe. Zuständig für den Einkauf im Werk Sebes ist Sorin Buculei. Kennt er die Lieferanten alle persönlich, kann er wirklich die Hand für sie ins Feuer legen? Garantieren, dass sie in ihren Lieferungen nicht etwa legales mit illegalem Holz vermischen?
"Ich kenne nicht jeden, aber unsere Jungs draußen vor Ort, die Direkteinkäufer, sie kennen alles und jeden, sie kennen alle Zulieferer."
"Wir unterschreiben die Verträge vierteljährlich neu. Und vor der Unterschrift muss jeder Zulieferer alle Dokumente vorlegen: von den Nachweisen zur Herkunft ihres Holzes über die Genehmigungen zum Umfang der erlaubten Holzernte bis zu Verpflichtungserklärungen zum korrekten Transport – alle Papiere, die ihre Sorgfaltspflicht dokumentieren."
Beim Rundgang über das Werksgelände wird klar, welche Mengen an Holz Schweighofer verarbeitet. 2016 waren es nach Firmenangaben in allen Werken in Rumänien zusammen 2,6 Millionen Festmeter. Angeliefert von Lastwagen und Güterzügen, nicht nur aus Rumänien, sondern auch aus Polen, Russland und der Ukraine, werden die Baumstämme nach dem Abladen sortiert und von Gabelstaplern zu ganzen Bergen von Baumstämmen aufgetürmt.
Entlang automatisierter Förderbänder wird das Holz geschält und zersägt, laut rumpelnd wandern die Stämme – später Platten, Stangen, Holzreste – über das Werksgelände, zunächst im Freien, dann durch die Sägehalle.
Dan Banacu versucht beim Rundgang durch das Werk, die Leistungen Schweighofers in Rumänien in den Vordergrund zu rücken.
"Denken Sie daran: im Jahr 2002, als Schweighofer hier anfing, gab es überhaupt keine hochentwickelte Holzindustrie dieser Art in Rumänien. Inzwischen hat das Unternehmen hier knapp 3000 Beschäftigte. Und wenn man bedenkt, dass jeder unserer Arbeitsplätze außerhalb noch einmal mindestens vier weitere Arbeitsplätze schafft, dann sorgt Schweighofer für das Einkommen von mehr als 14.000 Menschen in Rumänien, es entstehen ja weitere Jobs in der Holzernte, durch den Holztransport, im Bereich Technik, Service, Gastronomie in den angrenzenden Städten, überall."

Holzindustrie bringt jede Menge Jobs

Die Mitarbeiter im Werk sind tatsächlich froh um ihren Job. Platzmeister Daniel Kronicek sagt, fast jeder hier habe Aufstiegschancen.
"Ja, es ist okay. Man kann steigen. Es sind sehr viele Leute, die als Hilfskräfte angefangen haben und gewachsen sind. Ich war als Kalkulant eingestellt, und dann war ich Schichtleiter in der Sägehalle. Und jetzt Platzmeister."
Zurück am Werkstor in Sebes, wo der nächste Lkw auf Einlass wartet. Im Kontrollraum wird ein Schweighofer-Mitarbeiter merklich nervös, als er das ARD-Mikrofon sieht, er kennt die ganzen Vorwürfe gegen seine Firma, zeigt auf Listen mit unzähligen Daten, die er handschriftlich zu jeder Holzlieferung ausfüllen und parallel in den Computer eingeben muss.
Alles an dieser Lieferung sei gesetzeskonform, sagt der Kontrolleur und setzt seinen Stempel auf den Lieferschein des wartenden Lkw-Fahrers.
Natürlich führe die Unmenge an Daten, die hier verwaltet würden, auch manchmal zu Fehlern, meint Manager Dan Banacu. Doch seit es ein staatlich verwaltetes GPS-Kontrollsystem gebe, sei ohnehin jeder Holztransport exakt nachvollziehbar, ergänzt Sorin Buculei.
"Dieses System zur Nachverfolgung der Holzlieferungen ist wirklich etwas neues. Das gibt es seit 2014. Seitdem hat jeder Lieferant für jede Lieferung einen Code. Diesem Code muss er alle Lieferdaten zuordnen, einschließlich des Transportvolumens. Über GPS-Koordinaten wird auch der Verladeort eindeutig bestimmt. Wenn also ein Lkw bei uns ankommt, prüfen unsere Leute zuerst den zugehörigen Code. Damit können sie im Computer alle Informationen wie Ladevolumen und Verladedatum sehen und überprüfen, ob alles der tatsächlichen Ladung entspricht."
Und was sagt Buculei zu dem Enthüllungsvideo der amerikanischen Environmental Investigation Agency, das nach wie vor im Internet zu sehen ist, in dem auch er persönlich den als Holzverkäufern getarnten Umweltaktivisten sagt: größere Mengen als ursprünglich geplant – kaufen wir, kein Problem?
"Sie haben etwas bestimmtes gefragt und haben meine Antworten dann anders in das Video hineingeschnitten. Sie haben Fragen und Antworten vertauscht."
Das bestreiten die Autoren des Videos. Was bleibt, nach dieser Werksbesichtigung, ist der Eindruck: Schweighofer hat die Kontrollen deutlich verstärkt, versucht das auch mit offensiver Öffentlichkeitsarbeit nach außen zu zeigen. Doch die Hinweise, dass der Konzern auch illegal geschlagenes Holz verarbeitet hat oder noch verarbeitet – ob wissentlich oder unwissentlich – bleiben zahlreich.
Wie steht die rumänische Regierung dazu? Nachfrage in Bukarest, bei Erika Stanciu, bis Ende 2016 als Staatssekretärin im rumänischen Umweltministerium für die Forstverwaltung zuständig.
"Es gibt diese Redensart in Rumänien: der Rumäne ist der Bruder, die Rumänin ist die Schwester des Waldes. Wahrscheinlich war es so für lange Zeit. Aber die letzten Jahrzehnte haben gezeigt, dass wir verlernt haben, den Wald zu respektieren. Auf der anderen Seite sind die öffentliche Proteste, ist die Tatsache, das die Leute gegen illegales Abholzen auf die Straße gehen ein Zeichen, dass wir uns wieder ändern, und realisieren, dass der Wald für uns wichtig ist. Das heißt, ich bin hoffungsvoll."
Erika Stanciu kommt nicht aus dem alteingesessenen Regierungsapparat, sie war früher selbst in Umweltschutz-Organisationen wie dem World Wildlife Fund WWF aktiv. Für knapp ein Jahr war sie Teil der Übergangsregierung unter dem früheren EU-Kommissar Dacian Ciolos, einer Expertenregierung, die an vielen Fronten versucht hat, den Kampf gegen die Korruption voranzutreiben. Wer ist Schuld an illegaler Abholzung in Rumänien?
"Ich sehe die Schuld bei den Firmen, die das Holz ernten, stärker als bei den Firmen, die das Holz verarbeiten. Dabei geht es um Korruption – ja, das ist ein Hauptthema. Dann geht es um die äußerst komplizierte Gesetzeslage, die Gesetze sind extrem schwer umzusetzen. Das nutzen die Firmen, die illegal Holz schlagen, natürlich aus, sie kennen jede Lücke, jeden Trick."
Doch es hat sich etwas getan im Kampf gegen illegalen Holzschlag, betont Stanciu. Ein Zeichen: in diesem Winter wurde in Rumänien erstmals Feuerholz knapp. Der Markt für Feuerholz – das ist traditionell der Schwarzmarkt. Die Lager sind offenbar leer. Es muss also etwas passiert sein, das den Nachschub aus illegalen Quellen bremst. Die stärkeren Kontrollen greifen, sagt sie.
"Ich will keineswegs sagen, dass das illegale Abholzen ganz verschwunden ist. Aber es ist offensichtlich, dass wir jetzt auf einem guten Weg sind."
Mehr Kontrolleure seien vor Ort, das GPS-Trackingsystem sei ein wesentlicher Fortschritt, nun müssten die Bemühungen weitergehen. Doch dafür kann die Übergangs-Staatssekretärin nicht mehr selbst sorgen. Die Parlamentswahl im Dezember hat erneut die sozialdemokratische PSD gewonnen – die aus den früheren Kommunisten hervorgegangen und seit langem selbst mit massiven Korruptionsvorwürfen konfrontiert ist.

Holzfäller-Clans und illegale Banden

Ion Munteanu kennt die Wälder seit 40 Jahren, er ist Chefinspektor für das Gebiet um Hermannstadt und vier weitere Landkreise. Bei der Fahrt im Jeep in die Berge sagt er erst mal:
"Die Gesetze werden von Leuten gemacht, die gar nicht wissen, wie es vor Ort aussieht."
Dann deutet der Inspektor nach links oben.
"Hier sehen Sie, diese Schneisen dort werden genutzt, um Holz zu stehlen. Tagsüber suchen sie sich einen guten Baum aus, nachts wird er gefällt und durch die Schneise ins Tal gezogen, so läuft das. Aber in dieser Gegend hier sind es nur Einzelpersonen, meistens Roma, die sich ihr Holz aus dem Wald holen, weil sie arm sind und Brennholz brauchen. Aber in anderen Regionen, etwa in der Maramures, operieren Holzfäller-Clans, illegale Banden. Hier hat uns Gott zum Glück vor diesen Leuten bewahrt."
Ion Munteanu will uns vor allem eins zeigen: wie vorbildlich seine Behörde hier wieder aufforstet.
"Egal ob legal oder illegal abgeholzt wurde – es wird wieder aufgeforstet. Wir kümmern uns darum, dass hier neue Bäume wachsen."
Wien, vierter Bezirk, ein herrschaftliches Stadtpalais. Ganz oben: die Firmenzentrale von Holzindustrie Schweighofer. Georg Erlacher ist einer der Geschäftsführer. Wie sieht seine Bilanz der letzten Jahre aus? Hat Schweighofer illegales Holz angekauft?
"Schweighofer hat sich immer bemüht, sich an alle Gesetze zu halten, alle Regeln und Normen einzuhalten. Das ist in der Vergangenheit so gewesen, das wird auch in Zukunft so sein."
Kein Schuldeingeständnis also, doch immerhin sagt Erlacher: Wir haben Fehler gemacht, auch wenn er das primär auf die früher zu defensive Öffentlichkeitsarbeit und zu defensive Kontrollen bezieht.
"Jedes Unternehmen entwickelt sich permanent weiter, so auch die Holzindustrie Schweighofer und auch wir haben dazugelernt und wir haben unsere Prozesse weiterentwickelt, wir haben unsere Kontrollsysteme weiter verdichtet und wir haben unsere Mitarbeiter sensibilisiert und weiter geschult, also Dinge getan, die einfach helfen, noch engmaschigere Netze zu ziehen und auf diese Art und Weise unsere Holzprozesse in jedem Detail nachvollziehbar zu machen."
Wie hatte der Einkaufschef für das Werk Sebes, Sorin Buculei, das Hauptproblem formuliert?
"Ich denke, die Mentalität der Leute muss sich ändern. Es ist immer noch sehr schwierig, den Waldbesitzern zu erklären, dass sie in ihrem eigenen Wald nicht so viel und so oft Holz fällen dürfen, wie sie wollen. Das ist das Hauptproblem."
Und Hans Hedrich, der Umweltaktivist vom Verein "Neuer Weg", bilanziert, deutlich skeptischer:
"Es wird etwas weniger illegal geschlägert. Das ist ein relativer Erfolg. Aber insgesamt ist der Druck nach wie vor enorm."
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