Kakao aus Bolivien

Wenn Bauern sich fair und bio vereinen

Der Bauer Victor Jimenez Torres baut in Bolivien (Region Alto Beni) Bio-Kakao an
Der Bauer Victor Jimenez Torres baut Bio-Kakao an © Deutschlandradio / Martina Weber
Von Martina Weber |
Fairen Handel mit Bio-Schokolade betreiben die Bauern der Produzentengenossenschaft El Ceibo seit den 80er-Jahren. Inzwischen produzieren sie 70 Prozent des Kakaos in Bolivien. Bio und Fairtrade zahlen sich aus.
Der Feldboden ist dicht bewachsenen, über den Victor Jimenez Torres stapft. Zedern-, Zitronen- und Orangenbäume sowie unzählige Bananenpflanzen sind zu sehen. Dazwischen Kakaobäume mit den ersten gelben bis orangefarbenen Kakaofrüchten. Hier im Nordwesten Boliviens, im subtropischen Tiefland in der Region Alto Beni, ist der Arbeitsplatz des 53-jährigen Campesino. Der Bauer bewirtschaftet zusammen mit seiner Familie eine insgesamt zwölf Hektar große Parzelle. Auf knapp der Hälfte baut er Kakao nach ökologischen und sozialen Richtlinien an.
Die Organisation, von der Victor Jimenez Torres spricht, ist El Ceibo – benannt nach einem Urwaldbaum. Victor ist Vertragspartner von El Ceibo. Das bedeutet, er darf keine toxischen Schädlingsbekämpfungsmittel auf dem Feld nutzen, sondern nur Muskelkraft und Machete.
Victor: "Der europäische Markt verlangt nach Bio-Produkten. Und so ist die ökologische Anbauweise eben."
Doch die körperlichen Anstrengungen bei drückenden 30 Grad nimmt der 1,60 Meter große Mann mit dem freundlichen und rundlichen Gesicht gern auf sich. Er ist stolz bei El Ceibo zu arbeiten und Kakao anzubauen – so wie seine Eltern. Jene Generation, die El Ceibo gegründet hat und das Leben einiger Campesino-Familien dauerhaft verbesserte.
"Die Kinder aus dem Dorf können bei El Ceibo arbeiten, die Ehefrauen und die Bauern selbst. Das ist ein großer Vorteil. Es gibt Ausbildungskurse, Stipendien, Darlehen. Mein Sohn arbeitet auch dort – in der Kreditbank."
Drei Jahre ohne Einsatz von Chemie
Nicht weit von Victors Parzelle – auf der anderen Seite des Flusses Bení - liegt die 800-Seelen-Ortschaft Sapecho. Hier ist die Zentrale von El Ceibo. Die Genossenschaft hat mittlerweile 1.400 Vertragspartner – alle sorgfältig mit Name und Anbaufläche in den Ordnern von Jesus Quispe Gutiérrez aufgelistet.
"Die Arbeitsweise, die wir verfolgen, bezeichnen Ausländer als Bio-Agroforstsystem – also mehrere Nutzungsformen auf derselben Fläche. Für uns ist es ein System, das im Gleichgewicht zwischen dem Respekt gegenüber der Natur steht – und dem sozialen Respekt gegenüber den Arbeitern - und soll es auch ein Einkommen erzielen. Das heißt in der Praxis, dass wir keine Monokulturen anbauen. Wenn wir also Kakao züchten heißt das, dass zuerst Reis, dann Bananen und dann Kakao mit anderen Baumfrüchten gesät wird."
Jesus Quispe Gutiérrez ist oberster Technikdirektor bei El Ceibo und verantwortlich für die Zertifizierungen. Wenn Bauern für El Ceibo Kakao anbauen wollen, sorgt er für das Know-how und die Kontrollen. Bis ein Feld für den Bio-Anbau bereit ist, müssen drei Jahre ohne chemischen Einsatz vergehen. Jährlich interne und externe Kontrollen sichern die versprochene Qualität.
"Wir bedienen zwei Zertifikate: eines ist für die ökologische Anbauweise und das andere zertifiziert uns für den fairen Handel. Und wir liefern nur ins Ausland, wenn die Vertragspartner beide Standards einhalten - fairer Handel und Bio-Zertifikat."
Bio und Fairtrade bringen den Bauern bares Geld. Denn die internationalen Handelspartner zahlen Zuschläge – zum Beispiel das deutsche Unternehmen GEPA – größter Importeur von fair gehandelten Lebensmitteln in Europa. Dadurch erhalten die Bauern von El Ceibo für ihre Kakaobohnen einen zehn Prozent höheren Verkaufspreis als üblich. Und der ist stabil, auch wenn der Weltmarktpreis schwankt. Pro geerntete Tonne Kakao bietet El Ceibo ihren Bauern einen festen Preis von 3600 US-Dollar – deutlich über dem derzeitigen Weltmarktpreis. Außerdem bietet die Genossenschaft noch andere Vorteile. Sie zahlt ihren Mitgliedern einen jährlichen Gesundheitszuschuss von umgerechnet 35 Euro, ein Geburtstagsgeld und eine 60-prozentige Beteiligung am Gesamtgewinn. Alles Errungenschaften, die hart erkämpft wurden.
In den 60er-Jahren zogen arbeitslose Minenarbeiter aus dem Altiplano, der Hochebene Südamerikas, und Campesino-Familien aus dem Süd-Westen in den Norden – in die Region Alto Beni. Sie erwarben Land und bauten sich eine Existenz als Kleinbauern auf. Viele setzten auf Kakao - aufgrund der klimatischen Bedingungen im tropischen Regenwald.
"Zu jener Zeit wurde sehr viel Kakao produziert und so kauften die Händler den Kakao teilweise unter den Herstellungskosten ein. Hinzu kommt, dass die Händler auch erst sehr viel später bezahlten, nach zwei oder drei Monaten. Das führte zum Produktionsrückstand vieler Bauern. Also vereinigten sich einige führende Kakaobauern und gründeten ihre eigene Organisation. So entstand El Ceibo."
Erzählt Felipe Sandoval - Generaldirektor von El Ceibo und somit auch zuständig für die erste Schokoladenfabrik. Sie liegt 220 Kilometer südwestlich von der Zentrale in El Alto.
Auf den Straßen dröhnen die Minibusse. In der Fabrik hingegen rattert leise die Röstungsanlage. Es riecht süßlich.
Bio bedeutet auch, Verluste einstecken
Mit Jeansjacke und einem gelben Pullover führt Felipe Sandoval durch die Flure. Bis vor kurzem war er selbst Kakaobauer. Seit zwei Jahren leitet er die Organisation, die einst ein Pionier war: Als einer der ersten hat El Ceibo in den 80er Jahren Bio-Kakaopulver exportiert. Der ökologische Anbau und die fairen Arbeitsbedingungen stießen im Ausland auf Interesse – El Ceibo besetzte diese Marktnische und überstand so die ersten Jahre, konnte in Maschinen investieren, die Produktion steigern, das Angebot ausweiten. Seit 2008 sind auch Fertigprodukte wie Schokoriegel aus den getreideähnlichen Samen Quinoa und Amarant im Verkauf. Mit ihren demokratischen Strukturen gilt die Organisation in Bolivien längst als Vorbild. Generaldirektor Sandoval will daran festhalten.
"Wir sind hier, um die Arbeit, bzw. den Traum, den unsere Väter hatten, fortzuführen. Sie waren ja diejenigen, die die Organisation gegründet haben, mit dem Ziel unter einem Dach Kakao zu produzieren, zu verfeinern und zu kommerzialisieren."
Zurück in der schwülen Mittagshitze in Alto Bení. Bauer Victor Jimenez bleibt vor einem Baum stehen und zeigt besorgt auf eine weiße Kakaobohne. Seit zwei Jahren kämpft er gegen die Krankheit "Monilia" – ein Schimmelbefall der schnell außer Kontrolle geraten kann. Bio bedeutet eben auch Verluste einzustecken und natürliche Produktionsgrenzen zu akzeptieren. Die Kakaosaison beschränkt sich in Bolivien auf die Monate zwischen April und Oktober, so gewinnen die Bauern den Großteil ihrer Einnahmen aus anderen landwirtschaftlichen Erzeugnissen: Zitrusfrüchte und Bananen werfen ganzjährig Gewinne ab.
"Der Kakao ist zurzeit kein großer Gewinnbringer, vielmehr Verlust wegen der Krankheit. Normalerweise ernte ich 40 Zentner Kakao auf dieser der Fläche. Jetzt sind es nur noch 15 Zentner. Es ist einfach harte Arbeit. Immerhin verkaufen wir die Bananen. Diese retten uns. Genauso wie die Orangen, Zitronen. All das rettet uns."
Im vergangenen Jahr brachte ihm die Kakaoernte nur 2.000 US-Dollar ein. Im Vergleich zu dem Gewinn mit Bananen und Orangen sei dies wenig, wie er meint. Immer wieder wischt sich Victor Jimenez den Schweiß von der Stirn. Seine ungeschliffene Machete legt er nieder und setzt sich in den Schatten einer Bananenpflanze. Auch wenn die Kakaobohnen allein nicht zum Leben reichen, will er sie weiter anbauen. Nicht der maximale Gewinn zählt, auch die Arbeitsplätze.
"Um die Fabrik, die Industrie am Laufen zu halten. So oder so müssen wir es tun. Wenn wir keinen Kakao mehr produzieren, geht die Fabrik unter."
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