Kalifornien

Der Fluch ewigen Sonnenscheins

Ein Schild mit der Aufschrift "Pray for Rain" (Bete für Regen)
Ein abgestorbener Eichenbaum im Mondlicht in der Salton Sea © picture alliance / dpa
Von Nicole Markwald und Wolfgang Stuflesser |
Kalifornien leidet zurzeit unter einer Jahrhundertdürre. Das sorgt für drastische Einbußen in der Landwirtschaft, Waldbrände zerstören Wohnhäuser und auch die Trinkwasserversorgung ist in Gefahr. Ein Besuch bei Kaliforniern, die versuchen, sich selbst und anderen zu helfen.
Fresno, Kalifornien, im Südwesten der USA. Mark Borba fährt über seine Farm. Sie ist riesig, viereinhalb tausend Hektar beackert er. Seit 42 Jahren baut die Borba-Familie hier mitten im San Joaquin Valley zwischen Sacramento im Norden und Los Angeles im Süden unter anderem Tomaten, Knoblauch, Salat und Melonen an. Sein besonderer Stolz sind die Mandelbäume. 80 Prozent aller Mandeln der Welt kommen aus Kalifornien.
"Wir haben allein 120 Hektar mit Mandelbäumen"
Ein Schild, das auf wiederverwendetes Wasser hinweist.
Mit wiederverwendeten Wasser gegen die Dürre in Kalifornien© Deutschlandradio/Wolfgang Stuflesser
Erzählt Borba. Entlang der Bäume ist ein Rohrsystem verlegt, eine Tröpfchenbewässerungsanlage – ohne die würden die teuren Bäume ganz schnell eingehen. Borba muss Wasser ranschaffen – für die Mandelbäume, den Knoblauch, den Salat: Er zeigt auf saftig grüne Salatköpfe, doch der Boden ist nur rund um die Köpfe feucht, zwischen den Reihen ziehen sich tiefe, trockene Risse:
"Hier am Rand meines Grundstücks haben wir Brunnen gebohrt. Und dann bekommen wir noch Wasser aus dem Reservoir, das uns im vergangenen Jahr zur Verfügung gestellt wurde. Alles für den Salat."
Wie fast alle kalifornischen Farmer steht Borba vor einem Dilemma: sie haben riesige Mengen guten Ackerlands, aber nicht genug Wasser. Die Reservoirs sind auf rekordverdächtig niedrigem Stand. 188 Liter Regen pro Quadratmeter fielen in Kalifornien voriges Jahr - so wenig wie nie zuvor. Und das Jahr 2014 ist drauf und dran, diesen Rekord noch zu unterbieten. Zum Vergleich: In Deutschland sind es rund 750 Liter pro Quadratmeter im Jahr - fast das Vierfache. Ungefähr so viel braucht auch Mark Borba für seine Bewässerung. Hat er aber nicht. Wie andere Farmer hat auch er sich in diesem Jahr entschlossen, einen Teil seines Besitzes nicht zu bepflanzen – aus Wassermangel.
"Die Trockenheit macht uns allen zu schaffen. Einige Farmer beschränken sich in diesem Jahr auf Dauerkulturen wie Mandel- oder Pistazienbäume."
Obama war schon da
Die Landwirtschaft ist in Kalifornien ein Milliardengeschäft, jährlich werden mit rund 230 verschiedenen Obst- und Gemüsesorten umgerechnet 36 Milliarden Euro Umsatz gemacht. Liegen Felder brach, werden auch weniger Landarbeiter gebraucht:
"Buenos dias."

Bei der Fahrt über seine Farm grüßt Mark Borba eine Gruppe Arbeiter, die mit einer Hacke aufwendig eine Reihe Salatpflanzen bearbeiten und ausdünnen, wo sie zu dicht stehen. Borba hat rund 60 Festangestellte, saisonal schwillt die Zahl seiner Beschäftigten auf mehrere Hundert an. Sie kommen aus dem Süden – auch aus Mexiko - und kurbeln die hiesige Wirtschaft an. Borba zeigt auf eine kleine Stadt, deren Häuser am Horizont zu sehen sind:
Korrespondention Nicole Markwald im Gespräch mit einem Landwirt in Kalifornien.
Korrespondention Nicole Markwald im Gespräch mit einem Landwirt in Kalifornien.© Deutschlandradio/Wolfgang Stuflesser
"In der kleinen Stadt Huron da drüben wohnen mal 2000, mal 12000 Menschen, das hängt davon ab, ob Erntezeit ist oder nicht. Und Motels, Tankstellen oder Sandwichläden trifft es wirtschaftlich schwer, wenn die Farmarbeiter wegbleiben."
Selbst Präsident Obama hat die Region schon besucht und finanzielle Hilfe angekündigt, umgerechnet rund 140 Millionen Euro. Die Regierung in Washington beobachtet Kalifornien genau - mehr als die Hälfte der gesamten amerikanischen Obst- und Gemüseproduktion kommt von hier. Hat Kalifornien ein Dürreproblem, dann treffen die Auswirkungen über kurz oder lang das ganze Land.
Ortswechsel: Pleasanton, ein gute Autostunde von San Francisco. Seit ein paar Wochen hat Pleasanton eine eigne Hotline zum Thema Wassersparen: Unermüdlich erklären die Mitarbeiter der Versorgungsbetriebe den Bürgerinnen und Bürgern des beschaulichen Städtchens die neue Regelung: Alle Haushalte und Geschäfte müssen 25 Prozent weniger Wasser verbrauchen. Gemessen wird im Vergleich zur Vorjahresrechnung, erklärt Rita Di Candia, die von der Stadt eingesetzte Managerin fürs Wassersparen:
"Das ist das erste Mal in der Geschichte von Pleasanton, dass so etwas passiert. Wir können absehen, dass wir dieses Jahr nur 75 Prozent des Wassers haben, das normalerweise hier im Tal über den Sommer verbraucht wird. Je nachdem, wie heiß der Sommer wird, könnte sich die Lage sogar noch verschärfen!"
It never rains in California: Die Liedzeile, dass es hier nie regnet, könnte inzwischen schon den Wetterbericht im Radio ersetzen. Schön für Touristen, weniger schön für alle, die hier wohnen. Und leider sind die Kalifornier keine Meister im Wassersparen.
Der grüne Rasen als Statussymbol
Das Geräusch der zeitgesteuerten Rasensprenger ist typisch für Kalifornien, und der grüne Rasen vorm Haus bürgerliches Statussymbol, auch und gerade in Gegenden, die fast schon wüstenhaft trocken sind. Während der durchschnittliche Deutsche um die 120 Liter Wasser am Tag verbraucht, sind es in Kalifornien mehr als 450 Liter pro Kopf und Tag. Das erklärt drastische Schritte wie nun in Pleasanton, die vor allem Gartenbesitzer treffen:
"Die größte Änderung draußen ist, dass der Rasensprenger oder Bewässerungsanlagen für Sträucher nur noch zweimal die Woche laufen dürfen. Und auch Gehwege und Terrassen darf man nicht mehr mit Wasser saubersprühen."
Sonst drohen Geldbußen: Wer sein Sparziel zum ersten Mal überschreitet, zahlt pauschal 50 Dollar, umgerechnet rund 37 Euro. Dazu einen Aufschlag pro Wassermenge - das kann für eine doppelt so hohe Wasserrechnung sorgen. Wer dann seinen Verbrauch nicht runterschraubt, muss beim zweiten oder dritten Verstoß noch mal deutlich mehr zahlen. Immerhin geht die Stadt selbst beim Sparen mit gutem Beispiel voran:
"Wir haben den Wasserverbrauch in den Parks runtergefahren. Wir vermeiden natürlich Schäden an den Wurzeln, aber die Rasenflächen sind jetzt schon richtig braun - und damit haben wir im Vergleich zum Vorjahr mehr als 70 Prozent Wasser gespart."
Das Problem: Wer ohnehin schon sorgsam mit Wasser umgegangen ist, muss nun auf niedrigem Niveau noch einmal sparen - während sich Wasserverschwender im Vergleich nur ein bisschen am Riemen reißen müssen, um die Sparvorgabe zu erfüllen. Roter Buchweizen, schwarzer Salbei: Kathryn McClelland, stolze Bürgerin von Pleasanton, liebt ihren Vorgarten. Sie hat vor allem solche Arten gepflanzt, die in Kalifornien heimisch und an das Klima gewöhnt sind, und deshalb mit wenig Wasser auskommen. Sie und ihr Mann verbrauchen ohnehin nur 240 Liter am Tag. In Deutschland wäre das nichts Besonderes - aber in Kalifornien ist es die absolute Ausnahme. Und dann kam die Sparvorgabe der Stadt.
"Als wir von der Vorschrift erfahren haben, hatte ich keine Ahnung, wie wir noch mehr sparen sollen. Wir haben schon eine effiziente Waschmaschine, wir duschen nur kurz - ich benutze sogar eine Haarspülung, die ich nicht auswaschen muss."
Doch genau für Leute wie sie ist auch die Hotline von Pleasanton da - die Angestellten der Stadt konnten Kathryn beruhigen, dass in ihrem Ausnahmefall keine Strafen drohen, auch wenn sie nicht die vollen 25 Prozent schafft. Gleiches gilt für Unternehmen - das wassergekühlte Rechenzentrum muss auch nicht damit rechnen, dass seine Server nun durchglühen, weil noch ein paar Prozent gespartes Wasser fehlen.
Der Sparzwang wirkt
Vielleicht liegt es an diesen Ausnahmen, einfach nach dem Gebot des gesunden Menschenverstands: Dafür, dass US-Amerikaner sich in der Regel vom Staat ungern etwas vorschreiben lassen, sind die Bürger von Pleasanton erstaunlich gelassen. Selbst unter den Kunden des örtlichen Pflanzenmarkts gibt's fast nur Verständnis für den Sparzwang.
"Er habe normalerweise einen Gemüsegarten, erzählt Bruce. Dieses Jahr nicht. Das halbiere seinen Wasserverbrauch. Dafür müsse er halt das Gemüse kaufen - das koste mehr und sei nicht so gut."
Aber das müsse halt sein, sagt er. Und der Sparzwang wirkt: Im Durchschnitt haben die Einwohner von Pleasanton ihren Verbrauch sogar um 27 Prozent reduziert. Doch damit stehen sie in Kalifornien fast alleine da: Dabei hat der Gouverneur des Staates, Jerry Brown, schon im Januar einen Dürre-Notstand ausgerufen. Kalifornien brauche Wasser, sagte er da - und die erste Quelle dafür sei, es nicht zu verschwenden. Mit Blick auf die Konsumgesellschaft USA, in der normalerweise ein Mehrverbrauch immer gewünscht ist, weil er ja die Wirtschaft ankurbelt, nannte Brown die Dürre auch einen Weckruf: Sie zeige, dass man eben nicht alles im Laden kaufen könne.
Der Gouverneur forderte die Kalifornier auf, ihren Wasserverbrauch um 20 Prozent zu verringern. Doch nun, ein halbes Jahr später, sind die tatsächlichen Zahlen ernüchternd: Der Gesamtverbrauch des bevölkerungsreichsten US-Bundesstaats ist nicht zurückgegangen, sondern sogar ein Prozent gestiegen. Nun greift die Staatsregierung in Sacramento zu härteren Mitteln: Seit dem 1. August dürfen alle kalifornischen Hausbesitzer ihre Grünflächen nicht mehr so stark gießen, dass überschüssiges Wasser ungenutzt abläuft. Verboten ist auch, wie in Pleasanton schon länger, das Abspritzen von Gehwegen und Einfahrten mit dem Gartenschlauch - und die in den Gärten beliebten kleinen Springbrunnen müssen trocken bleiben, wenn sie keine Umwälzpumpen haben. Als Bußgeld drohen 500 Dollar - umgerechnet rund 370 Euro.
Sie habe ihren Rasen geliebt wie wohl nur wenige andere, bekennt Lisa Cahill. Doch dann habe sie rausgefunden, wie viel Wasser er verbraucht und gesagt: Wir müssen da was machen.
Lisa ist Trainerin im Kurs "Rainwater Harvesting", wörtlich übersetzt: Regenwasser Ernten. Vor ihr sitzen 25 Teilnehmer, die einen ähnlichen Gedankenprozess durchlaufen, wie Lisa ihn schon hinter sich hat: Wir sind in Los Angeles, berühmt für seine üppigen, tropisch anmutenden Gärten um die typischen Einfamilienhäuser. Doch LA liegt auf der Höhe von Nordafrika, und die Schönheit hat ihren Preis: 70 bis 80 Prozent der Wasserrechnung, erklärt Lisa, wandern direkt ins Bewässern des Gartens.
Abgehalten wird das Seminar im nach ökologischen Maßstäben gebauten Vereinsheim der "TreePeople", einer gemeinnützigen Organisation, deren Mitglieder nach eigenen Angaben in Los Angeles schon zwei Millionen Bäume gepflanzt haben. Ihren Sitz haben die TreePoeple in den Hügeln von Beverly Hills, nur ein paar Kilometer vom berühmten weißen Hollywood-Schriftzug. In einer Gegend, die sonst geprägt ist von Glamour und Konsum, predigen die TreePeople Verzicht - und die Wertschätzung der Natur.
Jeder Tropfen zählt, dieser Satz fällt mehrmals bei Lisa Cahill, er ist so etwas wie das erste Gebot. Und so verbringen die Teilnehmer ihren Samstagvormittag damit, von Bodentypen und Fließgeschwindigkeiten des Regenwassers zu lernen, sie zeichnen Grundstückspläne mit Gefällen, Wasserwegen und Abflüssen, und dürfen zum krönenden Abschluss in den hauseigenen Übungsgarten.
Die steigende Wasserrechnung ist nicht das Hauptproblem
Teilnehmer Robin Ringett erzählt, er habe eine Weile gebraucht, um die Notwendigkeit des Wassersparens einzusehen. In letzter Zeit gab es viele Medienberichte, dass Los Angeles in der Dürre deutlich über seine Verhältnisse lebt und teures Wasser aus weit entfernten Gebirgsregionen importieren muss. Robin sieht ein größeres Problem als nur seine ständig steigende Wasserrechnung.
"In der Geschichte gab es hier im Südwesten der USA alle möglichen Kulturen, die ausgestorben sind, zum Beispiel Indianerstämme nach 50 Jahren Dürre. Kein Wasser, kein Leben."
Wer will, kann nach dem Kurs noch eine große schwarze Regentonne kaufen, das sei so etwas wie die Einstiegsdroge ins Wassersparen, erklärt Trainerin Lisa.
Das Wasseramt ersetzt 75 Dollar pro Tonne
Viele fragten nach dem Kauf: Und was mache ich jetzt? Auch darauf gibt der Kurs eine Antwort: Erst einmal gibt's Geld von der Stadt dazu: von den 85 Dollar pro Tonne ersetzt das Wasseramt von Los Angeles 75 Dollar. Und noch eine Prämie winkt: Die Stadt zahlt ihren Bürgern bares Geld, wenn sie ein Stück Rasen in etwas umwandeln, das besser in die Landschaft passt. Trainerin Lisa hat zum Beispiel ein Beet mit hübschen Sukkulenten gepflanzt, wie sie in Kalifornien eigentlich heimisch sind. Und Teilnehmerin Linda hat für ihren Garten eine einfache Regel gefunden:
"Wir gießen nichts, was wir nicht essen können. Und wenn ich eine Pflanze einsetze und sie nach dem ersten Bewässern nicht angeht, dann hat sie wohl nicht hergehört, und ich suche mir was anderes."
Über heimische Gewächse gibt es sogar ein eigenes Seminar, ebenso wie übers Bäume-Pflanzen und, für die ganz Begeisterten, den Outreach-Workshop, um neue Mitglieder für die TreePeople zu gewinnen. Die Kurse alle zwei Monate seien gut besucht, erzählt Lisa.
"Die Dürre helfe sogar, sagt sie halb im Scherz: Es sei jetzt einfach viel schwieriger, das Problem zu ignorieren als noch vor ein paar Jahren."
Doch noch immer sind zum Beispiel Regentonnen eine absolute Ausnahme im Stadtbild. Und werfen bei den Nachbarn womöglich Fragen auf. Am Ende lädt Lisa alle Teilnehmer ein, solche Fragen in Zukunft so gut es geht selbst zu beantworten. Nicht jeder in LA müsse den Workshop mitmachen – um Lust zum Wassersparen zu bekommen, helfe ja oft schon ein Gespräch über den Gartenzaun hinweg.
Die Wassersparer von Pleasanton
Die TreePeople in Los Angeles, die Wassersparer von Pleasanton: Solche Anstrengungen gehen in die richtige Richtung, aber sie werden Kaliforniens Dürreproblem nicht lösen. Experten rechnen damit, dass die Dürre mehrere Jahre anhalten könnte, mehr noch: Eine Analyse von Baumringen hat ergeben, dass im 20. Jahrhundert mehr Regen gefallen ist als in den 1200 Jahren davor. Die Dürre könnte also für Kalifornien nicht die Ausnahme, sondern die Regel sein.
Auf lange Sicht wird Kalifornien also nicht nur den Verbrauch, sondern auch die Verteilung der vorhandenen Wassermengen streng regulieren müssen. Auf seiner Farm bei Fresno bewässert Mark Borba weiter seine Mandelbäume und Salatköpfe. Er glaubt, dass die Zeit reif ist für neue Regulierungen, die genug Wasser ins San Joaquin Valley schaffen. Viele Farmer kritisieren außerdem Umweltgesetze, die verhindern, dass mehr Wasser aus dem Wasserreichen Norden Kaliforniens in den Süden gepumpt wird. Und Experten halten Verbesserungen an der Infrastruktur für überfällig, Kalifornien brauche mehr Auffangmöglichkeiten für Regenwasser.
Oder, wie es Mark Borba formuliert: Die Dürre betreffe nicht nur ein paar Farmer, sondern jeden.