Kalter Blick auf Kranke und Schwache
Unter dem Titel "Tödliche Medizin" zeigt das Deutsche Hygiene-Museum in Dresden eine Ausstellung des Holocaust Memorial Museum in Washington, die einen Bogen von den Euthanasie-Verbrechen bis zum Holocaust spannt. Museumsdirektor Klaus Vogel lobt die mitunter sehr emotionale Inszenierung der amerikanischen Ausstellungs-Kuratoren.
Nur wenige Monate nach der Machtergreifung erließen die Nationalsozialisten 1933 das Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses. Mit diesem Gesetz begann die systematische Verfolgung bestimmter Bevölkerungsgruppen, die als minderwertig oder fremdrassig erachtet wurden: psychisch Kranke, Behinderte aber auch so genannte Asoziale wie Prostituierte, Obdachlose und schließlich Roma, Sinti und Juden. Bis 1945 wurden 400.00 Menschen Opfer von Zwangssterilisationen, 200.000 wurden im Rahmen des so genannten Euthanasie-Programms ermordet. Der Rassenwahn gipfelte in der Ermordung von sechs Millionen Juden.
Das Deutsche Hygienemuseum in Dresden zeigt ab heute bis zum Juni "Tödliche Medizin", eine Ausstellung des Holocaust Memorial Museum in Washington, die einen Bogen von den Euthanasie-Verbrechen bis zum Holocaust spannt.
"In den letzten 70 Jahren hat sich unser Volk um 50 Prozent vermehrt, während die Zahl der Erbkranken im gleichen Zeitraum um 450 Prozent gestiegen ist! Wenn diese Entwicklung so weiterliefe, würde schon in fünfzig Jahren ein Erbkranker auf vier Gesunde kommen! Ein endloser Zug des Grauens würde in die Nation hinein marschieren …"
Der Propagandafilm über rassenhygienische Sterilisationen von 1937 zeigt Patienten in Pflege und Heilanstalten, und stellt die krampf-verzerrten Gesichter von Spastikern einer Militärparade kraftstrotzender junger Soldaten gegenüber. Die unverblümte Sprache führt direkt in die Gedankenwelt der nationalsozialistischen Rassenideologie, die darauf zielte, den deutschen Volkskörper von angeblich minderwertigen Menschen zu reinigen.
Die Ausstellung "Tödliche Medizin" im Dresdener Hygienemuseum zeigt eine Vielzahl solcher historischen Filme und Fotos, die diesen kalten Blick auf Kranke und Schwache spüren lassen.
"Es geht der Ausstellung darum zu zeigen, wo es diese moralischen Schwellen gab, diese moralischen Barrieren, die nach und nach oder auch simultan gefallen sind, man war bereit Menschen auszugrenzen, dann war bereit Menschen an der Fortpflanzung zu hindern, und irgendwann war man dann bereit sie einfach zu vergasen, und ... wo dann auch dem Holocaust der Weg bereitet wurde."
Sagt Antje Uhlig, Kuratorin der Ausstellung. Schon Ende des 19. Jahrhunderts entwickelten Wissenschaftler die Vision einer besseren Gesellschaft durch Eugenik. Als minderwertig klassifizierte Menschen sollten an der Fortpflanzung abgehalten werden. Die eugenische Bewegung fand Anhänger weltweit und quer durch alle politischen Lager. Doch erst die Nationalsozialisten setzten die Ideen der Rassenhygiene mit aller Konsequenz um: mit Zwangssterilisationen, Ausgrenzung und schließlich mit der Ermordung. Die Programme wurden von Wissenschaftlern ausgearbeitet, umgesetzt und mühevoll dokumentiert. Historische Menschenkarteien, Landkarten und Statistiken in der Ausstellung erfordern vom Besucher ein wenig Konzentration, sind aber bei näherer Betrachtung umso erschreckender:
"Das sind die Hartheim-Statistiken. Hier haben sich tatsächlich Wissenschaftler hingesetzt und haben Berechnungen angestellt, über die Zahl der Ermordeten die Zahl der Desinfizierten, wie man sie hier nannte, und auch die Einsparungen an Lebensmitteln die man daraus gewonnen hat aus diesem Programm, und da springt einen schon die Perversion an. Also wenn man sich überlegt, wie jemand da so gewissenhaft mit Buntstift ausgemalt hat, wie viel er gespart hat, weil er Menschen umgebracht hat, wenn man es jetzt mal so krass formuliert, dann ist es schon fast nicht mehr fassbar."
Mit Beginn des Krieges begannen die Euthanasie-Maßnahmen. Zunächst wurden Säuglinge und Kleinkinder ermordet, dann auch erwachsene Patienten in Pflegeheimen. Die dabei erprobten Vergasungen wurden schließlich bei der systematischen Vernichtung der Juden in den Konzentrationslagern eingesetzt. Aber wie stellt man das Grauen dar? Museumsdirektor Klaus Vogel lobt die mitunter sehr emotionale Inszenierung der amerikanischen Ausstellungs-Kuratoren.
"Wirklich auch sehr anrührige Inszenierungen wie hier hinten in dem gefliessten Raum. Wo auf diesen kalten nackten Fliesen Schwarz-Weiß Bilder von Kindern zu sehen, mit denen Versuche gemacht wurden. Da ist ja ansonsten nicht viel da. Da ist nur diese sanfte Beleuchtung auf diese Bilder. Und bei aller Ausgesetztheit haben diese Kinder, mit denen schreckliches getan wurde, eigentlich ihre große menschliche Würde auch und das ist ein Verdienst dieser Inszenierung auch."
Was ist der Wert eines Menschen? Wie gehen wir mit Kranken und Behinderten um? Wieviel Ethik braucht die Medizin? Die Ausstellung wirft Fragen auf und führt damit direkt zu aktuellen gesellschaftlichen Debatten.
Service:
Die Ausstellung "Tödliche Medizin - Rassenwahn im Nationalsozialismus" ist bis zum 24. Juni 2007 im Deutschen Hygiene-Museum in Dresden zu sehen.
Das Deutsche Hygienemuseum in Dresden zeigt ab heute bis zum Juni "Tödliche Medizin", eine Ausstellung des Holocaust Memorial Museum in Washington, die einen Bogen von den Euthanasie-Verbrechen bis zum Holocaust spannt.
"In den letzten 70 Jahren hat sich unser Volk um 50 Prozent vermehrt, während die Zahl der Erbkranken im gleichen Zeitraum um 450 Prozent gestiegen ist! Wenn diese Entwicklung so weiterliefe, würde schon in fünfzig Jahren ein Erbkranker auf vier Gesunde kommen! Ein endloser Zug des Grauens würde in die Nation hinein marschieren …"
Der Propagandafilm über rassenhygienische Sterilisationen von 1937 zeigt Patienten in Pflege und Heilanstalten, und stellt die krampf-verzerrten Gesichter von Spastikern einer Militärparade kraftstrotzender junger Soldaten gegenüber. Die unverblümte Sprache führt direkt in die Gedankenwelt der nationalsozialistischen Rassenideologie, die darauf zielte, den deutschen Volkskörper von angeblich minderwertigen Menschen zu reinigen.
Die Ausstellung "Tödliche Medizin" im Dresdener Hygienemuseum zeigt eine Vielzahl solcher historischen Filme und Fotos, die diesen kalten Blick auf Kranke und Schwache spüren lassen.
"Es geht der Ausstellung darum zu zeigen, wo es diese moralischen Schwellen gab, diese moralischen Barrieren, die nach und nach oder auch simultan gefallen sind, man war bereit Menschen auszugrenzen, dann war bereit Menschen an der Fortpflanzung zu hindern, und irgendwann war man dann bereit sie einfach zu vergasen, und ... wo dann auch dem Holocaust der Weg bereitet wurde."
Sagt Antje Uhlig, Kuratorin der Ausstellung. Schon Ende des 19. Jahrhunderts entwickelten Wissenschaftler die Vision einer besseren Gesellschaft durch Eugenik. Als minderwertig klassifizierte Menschen sollten an der Fortpflanzung abgehalten werden. Die eugenische Bewegung fand Anhänger weltweit und quer durch alle politischen Lager. Doch erst die Nationalsozialisten setzten die Ideen der Rassenhygiene mit aller Konsequenz um: mit Zwangssterilisationen, Ausgrenzung und schließlich mit der Ermordung. Die Programme wurden von Wissenschaftlern ausgearbeitet, umgesetzt und mühevoll dokumentiert. Historische Menschenkarteien, Landkarten und Statistiken in der Ausstellung erfordern vom Besucher ein wenig Konzentration, sind aber bei näherer Betrachtung umso erschreckender:
"Das sind die Hartheim-Statistiken. Hier haben sich tatsächlich Wissenschaftler hingesetzt und haben Berechnungen angestellt, über die Zahl der Ermordeten die Zahl der Desinfizierten, wie man sie hier nannte, und auch die Einsparungen an Lebensmitteln die man daraus gewonnen hat aus diesem Programm, und da springt einen schon die Perversion an. Also wenn man sich überlegt, wie jemand da so gewissenhaft mit Buntstift ausgemalt hat, wie viel er gespart hat, weil er Menschen umgebracht hat, wenn man es jetzt mal so krass formuliert, dann ist es schon fast nicht mehr fassbar."
Mit Beginn des Krieges begannen die Euthanasie-Maßnahmen. Zunächst wurden Säuglinge und Kleinkinder ermordet, dann auch erwachsene Patienten in Pflegeheimen. Die dabei erprobten Vergasungen wurden schließlich bei der systematischen Vernichtung der Juden in den Konzentrationslagern eingesetzt. Aber wie stellt man das Grauen dar? Museumsdirektor Klaus Vogel lobt die mitunter sehr emotionale Inszenierung der amerikanischen Ausstellungs-Kuratoren.
"Wirklich auch sehr anrührige Inszenierungen wie hier hinten in dem gefliessten Raum. Wo auf diesen kalten nackten Fliesen Schwarz-Weiß Bilder von Kindern zu sehen, mit denen Versuche gemacht wurden. Da ist ja ansonsten nicht viel da. Da ist nur diese sanfte Beleuchtung auf diese Bilder. Und bei aller Ausgesetztheit haben diese Kinder, mit denen schreckliches getan wurde, eigentlich ihre große menschliche Würde auch und das ist ein Verdienst dieser Inszenierung auch."
Was ist der Wert eines Menschen? Wie gehen wir mit Kranken und Behinderten um? Wieviel Ethik braucht die Medizin? Die Ausstellung wirft Fragen auf und führt damit direkt zu aktuellen gesellschaftlichen Debatten.
Service:
Die Ausstellung "Tödliche Medizin - Rassenwahn im Nationalsozialismus" ist bis zum 24. Juni 2007 im Deutschen Hygiene-Museum in Dresden zu sehen.