In einem Kriegsfall müssen wir aus der Sicht der Konflikt- und Friedensforschung schon immer zwei Schritte vorausdenken. Das heißt: Wie kommen wir jetzt in einen kalten Frieden, wo Waffen erst einmal schweigen und wo sich dann neue Fenster auftun?
Kalter Frieden in Europa
10:47 Minuten

Wie wäre Frieden in der Ukraine und in Europa möglich? Dieses Szenario sollten wir jetzt vorausschauend entwickeln, meint der Konfliktforscher Andreas Zick. Denn mit militärischer Logik allein sei kein Frieden zu erreichen.
Im Bemühen um ein Ende des russischen Kriegs gegen die Ukraine, brauche es neben der Sicherheitslogik mit gemeinsamer Abschreckung auch eine Friedenslogik, die auf Diplomatie und Zivilgesellschaft setze, sagt der Sozialpsychologe und Konfliktforscher Andreas Zick von der Universität Bielefeld.
Sicherheitsdenken allein reicht nicht
Die Politik habe im Hinblick auf internationale Krisen und Terrorgefahr seit Jahren stark auf Sicherheit gesetzt. Doch das entbinde uns, gerade angesichts des Ukrainekriegs, nicht von der Aufgabe, auch ganz andere Wege mitzudenken.
Geopolitische, ökonomische und ökologische Konflikte greifen gegenwärtig eng ineinander, erklärt Zick, "deswegen brauchen wir sehr viel Sachverstand, um auf der einen Seite, Waffen zum Schweigen zu bringen, und auf der anderen Seite ein Modell zu entwickeln, wo die Akteure, die im Krieg sind, ein Angebot bekommen."
Eine neue europäische Friedensordnung
Dabei stellten sich nicht nur für Russland und die Ukraine, sondern für die gesamte zukünftige Friedensordnung Europas, drängende Fragen, betont Zick: Böten maximal gesicherte Grenzen den angemessenen Schutz gegen den Aggressor Russland? Könnte eine europäische Friedensidee für Stabilität sorgen, obwohl die Staatengemeinschaft durch nationale Interessen gespalten ist? Wie soll Europa künftig mit der nuklearen Bedrohung umgehen?
Aus der Forschung sei bekannt, dass Frieden auf eine starke Zivilgesellschaft angewiesen sei. Daher sollten zivilgesellschaftliche Kräfte, sowohl in der Ukraine als auch in Russland, jetzt unterstützt werden, so Zick. Zumal die russische Gesellschaft in den letzten Jahren extrem militarisiert worden sei und der Besuch von UN-Genralsekretär Guterres in Moskau und Kiew gerade vor Augen geführt habe, dass internationale Institutionen wie die Vereinten Nationen nicht mehr über ausreichend Autorität verfügten, um die Lage zu befrieden.
Mit Blick auf den Besuch des indischen Premierministers Modi in Berlin
rät der Konfliktforscher, Deutschland sollte künftig auch bei der wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit anderen Staaten noch stärker seine diplomatischen Ziele ins Spiel bringen: "Warum knüpfen wir nicht zukünftig Verträge mit Ländern wie Indien an unsere Bedingungen für einen Frieden?"
(fka)