Kaminer & Die Antikörpers: "Bleib zu Hause, Mama!"

Zwischen Wagner und Modern Talking

08:47 Minuten
Wladimir Kaminer stützt sich mit einer Hand an eine Säule.
Wladimir Kaminer hat die Themen und die Sprache nach einem Jahr Pandemie in Musik vertont. © picture alliance / Frank May
Wladimir Kaminer im Gespräch mit Vivian Perkovic |
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Der Autor Wladimir Kaminer und Yuriy Gurzhy von der Band Rotfront haben sich für ein musikalisches Pandemie-Tagebuch zusammengetan. Augenzwinkernd verarbeiten sie alles, was in einem Jahr Pandemie gesellschaftlich hochgekocht ist.
Die Coronapandemie hat uns viele neue Wörter beschert. "Eine neue deutsche Sprache umgarnt mich auf einmal", sagt dazu Wladimir Kaminer: Die "Bundesnotbremse" etwa sei ein wunderbares Wort. Mit einem musikalischen Tagebuch habe der in Berlin lebende Autor das Leben in der Pandemie erforschen wollen.

Vorliebe für schlechte Gedichte

All diese pandemischen Wortschöpfungen begeistern Kaminer so sehr, dass er diese neue deutsche Sprache zu reimen begonnen hat: "Ich hatte schon immer eine Vorliebe für gut gemachte schlechte Gedichte, die richtig schlecht sind. Dann sind sie richtig gut", sagt Kaminer.
Mit seinem Freund Yuriy Gurzhy, der mit seiner Band Rotfront plötzlich nicht mehr auftreten konnte, habe er beschlossen die Texte als Rap, als Techno oder als Ballade zu vertonen.
"So haben wir alles zwischen Wagner und Modern Talking für diese wunderbare Reise durch ein pandemisches Jahr verwendet", erzählt Kaminer.

Ein Fundus für jeden Schriftsteller

Inhaltlich greift Kaminer auch die Verschwörungserzählungen und das Misstrauen gegenüber medialer Berichterstattung auf. In dem Song "Laut Medienberichten" singt er von Delfinen die laut Medienberichten durch die Kanäle Venedigs geschwommen sein sollen. In Russland habe sich angeblich der einbalsamierte Lenin in seinem Sarg bewegt. "Ich habe darüber geschrieben", sagt Kaminer und singt:
"Und im Lenin-Mausoleum hat der Lenin sich bewegt / er ist kurz aufgestanden und hat sich wieder hingelegt."
Er selber habe im vergangenen Jahr sehr gelitten, denn normalerweise sei er ständig unterwegs. Doch die Zeit sei auch sehr produktiv gewesen: Zeitzeuge eines solchen Ereignisses zu sein, bei dem sich die Welt mit einer solchen Geschwindigkeit verändert - das sei ein Fundus für jeden Schriftsteller.
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