Kammermusikfestival "intonations"

Epochen-Mix

Das Ehepaar Barenboim-Bashkirova lächelt nebeneinander stehend bei einer Festveranstaltung in Konzertkleidung in die Kamera.
Daniel Barenboim und Elena Bashkirova sind seit 1988 verheiratet und haben zwei Söhne. © Imago / Seeliger
Moderation: Volker Michael · 03.04.2022
Das Festival "intonations" wurde im Jüdischen Museum von Leiterin und Pianistin Elena Bashkirova mit Freunden eröffnet. Sie spielten Werke verfolgter Komponisten und Franz Schubert, so auch die Fantasie zu vier Händen mit ihrem Mann Daniel Barenboim.
Die Festivalkonzerte von "intonations" bieten exquisite Programme, in denen die Musikepochen kreativ aufeinanderstoßen. Gespielt jeweils von hervorragenden Künstlerinnen und Künstlern. Sie alle kommen auf Einladung der künstlerischen Leiterin Elena Bashkirova. Die Pianistin hat das Festival vor elf Jahren als Ableger ihres Internationalen Kammermusikfestivals in Jerusalem in der Bundeshauptstadt gegründet.
Die letzten zwei Jahre konnte es nicht öffentlich stattfinden, und nun gibt es wieder eine angespannte Situation wegen des russischen Überfalls auf die Ukraine. Gerade Musikerinnen und Musiker sahen sich in letzter Zeit motiviert, dazu Stellung zu beziehen. Elena Bashkirova hat das Programm nicht geändert, und das ganz bewusst, weil sie meint, dass Musikerinnen und Musiker am besten helfen, wenn sie Konzerte spielen und dabei Hilfsgelder sammeln. 

Die Freude am Tanz

Das Programm startet mit den "Fünf Stücken für Streichquartett" von Erwin Schulhoff. Der in Prag geborene Komponist war einige Jahre nach dem 1. Weltkrieg in Deutschland tätig und kehrte 1924 nach Prag zurück. Hier galt er als Modernist, in der Folge wandte er sich dem Kommunismus zu. Sogar der Ideologie des Sozialistischen Realismus gegenüber zeigte er sich offen. Aus Überzeugung beantragte und erhielt er die sowjetische Staatsbürgerschaft. Diese schützte ihn solange, wie der Hitler-Stalin-Pakt hielt. Doch 1941 wurde er in einem bayerischen Lager interniert, wo er kurz darauf an Tuberkulose starb.
Die Geigerin Mihaela Martin hat mit drei Kollegen die "Fünf Stücke für Streichquartett" von Erwin Schulhoff einstudiert. Sie stammen noch aus früheren Jahren und wurden 1924 mit großem Erfolg uraufgeführt. Da war der Komponist gerade von Dresden nach Prag zurückgekehrt. Mihaela Martin entdeckte in ihr eine große Lebensfreude, Stilsicherheit und einen Spaß am Tanzen, den der Komponist wohl in seiner Zeit in Berlin nach dem 1. Weltkrieg intensiv ausgelebt hat.

 Der Tragik mit Musik entkommen

Gideon Klein gehört zur Gruppe der so genannten Theresienstädter Komponisten. Er wurde 1919 in einer mährischen Kleinstadt geboren und kam schon als 12 Jahre altes Kind zum Studieren nach Prag. 1941 wurde er nach Theresienstadt gebracht und wenige Tage vor der Befreiung in einem Nebenlager von Auschwitz ermordet. Er wurde gerade 25 Jahre alt und galt als einer der talentiertesten tschechischen Komponisten. Kurz vor seiner Deportation aus Theresienstadt konnte er dort noch sein Streichtrio fertigstellen und wohl auch aufführen. Im Vorzeige-KZ duldeten die Deutschen ein verhältnismäßig reiches Kulturleben.
Das Trio scheint die Lebensbedingungen des Künstlers kaum widerzuspiegeln, am ehesten im langsamen Mittelsatz, in den Variationen eines mährischen Volksliedes verarbeitet sind. Mihaela Martin entdeckte in diesem starken Trio einen Willen, der Kultur des Todes und die Maschinerie des Mordens zu trotzen.

Später Schubert

Franz Schubert komponierte seine f-moll-Fantasie zu vier Händen am Ende seines kurzen Lebens. Diese Stück kam recht spontan ins Programm, weil die Sängerin Dorothe Röschmann erkrankt war. So sprang ihr Mann Daniel Barenboim mit der Fantasie D 940 ein. Es sei ein Werk voller brüchiger Schönheit, so Elena Bashkirova, es sei Musik des Abschieds, die auch von einer unmöglichen Liebe erzählt. Entstanden war das Werk für seine letzte Klavierschülerin, eine junge Gräfin.

Frohe Stimmung für den Abschluss

Optimismus will Elena Bashkirova mit den Programmen Ihres Kammermusikfestivals "intonations" verbreiten. Dafür sorgt auf jeden Fall das Forellenquintett von Franz Schubert am Schluss des Konzerts. Für einen Hobby-Cellisten und K-&-K-Beamten komponierte Franz Schubert auf dem Höhepunkt seiner Schaffenskraft ein Quintett für Klavier, Streichtrio und Kontrabass.
Als Grundlage für die Stimmung des Stücks, insbesondere aber für den vierten Satz, wählte Schubert auf Wunsch des Auftraggebers seine eigene Liedmelodie „Die Forelle“. Der Fisch gab dem ganzen Quintett seinen Namen und vor allem eine Art glänzender Schönheit. Elena Bashkirova hat es ganz bewusst an den Schluss des Eröffnungskonzerts gestellt, um die Menschen mit einem frohen Gefühl zu entlassen.
Kammermusikfestival "intonations"
Aufzeichnung vom Vormittag im Glashof des Jüdischen Museums Berlin

Erwin Schulhoff
Fünf Stücke für Streichquartett

Mihaela Martin, Violine
Conrad Muck, Violine
Michael Barenboim, Viola
Frans Helmerson, Violoncello

Gideon Klein
Streichtrio (1944)

Mihaela Martin, Violine
Adrien La Marca, Viola
Andrei Ioniţą, Violoncello

Franz Schubert
Fantasie f-Moll für Klavier zu vier Händen D 940

Elena Bashkirova, Daniel Barenboim, Klavier

Franz Schubert
Quintett A-Dur D 667 "Forellenquintett"

Elena Bashkirova, Klavier
Michael Barenboim, Violine
Yulia Deyneka, Viola
Andrei Ioniţą, Violoncello
Nabil Shehata, Kontrabass

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