Sofia Gubaidulina
„Introitus“, Konzert für Klavier und Kammerorchester
Olga Rayeva
„Spring Concert – Oasis“ für Klavier, Akkordeon, Harfe, Schlagzeug und Streicher (Uraufführung)
ca. 20.50 Konzertpause
Christine Anderson im Gespräch mit Karine Gilanyan, Hanna Keller und Sven Daigger
Sven Daigger
„Böen – in vier Phasen“ für zwei Solo-Violinen, Klavier und Streicher (Uraufführung)
Arvo Pärt
„Tabula rasa“. Doppelkonzert für zwei Violinen, Streicher und präpariertes Klavier
Kammerorchester Eroica Berlin Neue Musik
Das Programm "Tribut" zeigt die Auseinandersetzung der jungen Musiker gegenüber der älteren Avantgarde-Generation. © Unsplash / Yan Krukau
Musikalischer Tribut
Zwei Komponisten der älteren Generation, Sofia Gubaidulina und Arvo Pärt, stehen zwei Vertretern der jüngeren Generation gegenüber: Olga Rayeva und Sven Daigger. Der Konzerttitel "Tribut" steht für den kritischen Dialog mit den musikalischen Vorbildern.
Das Kammerorchester "Eroica Berlin" exisitert seit 2015. Der Name spielt auf Beethovens 3. Sinfonie, auf die Eroica, an und verweist augenzwinkernd auf die eigene, "heroische" Courage, ein Orchester zu gründen.
Sofia Gubaidulina
Die Komponistin wurde 1931 in eine tatarisch-russische Familie hineingeboren und studierte Musik in Moskau. Dort nahm sie auch Privatstunden bei dem Wiener Komponisten Philipp Herschkowitz, einem Schüler von Anton Webern, der damals in Moskau lebte. Dieser bestärkte sie darin, ihren ganz persönlichen Weg zu suchen.
So arbeitete Gubaidulina 1969 bis 1970 in einem Studio für experimentelle elektronische Musik, wurde Mitglied der Improvisationsgruppe „Astreja“ und ließ sich 1970 russisch-orthodox taufen. All dies führte dazu, dass ihre Musik in der Sowjetunion verboten wurde. Seit 1992 lebt die Komponistin im deutschen Exil.
„Introitus“
Das Konzert für Klavier und Kammerorchester entstand 1978. Der Titel „Introitus“ bezieht sich auf den traditionellen Einzugsgesang während der Prozession zu Beginn einer Messe.
Zu Gubaidulinas Kompositionstechnik gehört es, dass sie relativ einfach gebaute Zellen und Motive nimmt und davon unzählige Variationen bildet und diese in großer Zahl zu mosaikartigen Gebilden anordnet. Dabei gibt es viele Abschnitte, die das strenge Metrum verlassen. Dadurch ergibt sich ein Eindruck von ganz spontanem musikantischen Spiel, fast von Improvisation.
Olga Rayeva
Die russische Komponistin Olga Rayeva wurde in Moskau geboren und studierte Komposition bei Edison Denissow, der wie einst Gubaidulina Privat-Student bei Herschkowitz war. Rayeva lebt zur Zeit in Berlin und arbeitet eng mit dem russischen postmodernen Schriftsteller Vladimir Sorokin zusammen, der als oppositioneller Dichter und Dramatiker zu den schärfsten Kritiker der gegenwärtigen Politik Russlands gehört.
Ihr einsätziges Konzert für Klavier und Kammerorchester „Spring Concert Oasis“, also „Frühlingskonzert – Oase“ erschafft mit seinen Jazz-Anklängen und tonalen Annäherungen eine Idylle, die punktuell gestört und eingetrübt wird, sich aber nicht verdrängen lässt.
Sven Daigger: Instrumentaler Dialog mit Pärt
Sven Daigger wurde vom Kammerorchesters Eroica Berlin beauftragt. In diesem Konzertmitschnitt erleben Sie die Uraufführung seines Werkes "Böen – in vier Phasen", das sich unmittelbar auf Avo Pärts Doppelkonzert “Tabula rasa“ für zwei Violinen, Streichorchester und präpariertes Klavier aus dem Jahr 1977 bezieht. Daigger wählte als Ausgangspunkt seiner neuen Komposition die von Pärt verwendete spezielle Instrumentalbesetzung.
Pärt und die musikalische Reduktion
Arvo Pärt hatte damals als Komponist bereits einen langen Weg hinter sich, seine serielle und seine Collage-Technik-Phase waren vorbei. Nach einer Schaffenspause hatte er 1976 zu einer neuen Sprache gefunden, die er als "Tintinnabuli-Stil" bezeichnet.
"Tintinnabuli" bedeutet Glöckchen und bezeichnet das stete Wiederkehren bestimmter Dreiklänge. Das gleich im Anschluss zu hörende Doppelkonzert „Tabula rasa“ fällt also in die Frühzeit dieses neuen Stils von Arvo Pärt.
Aufzeichnung vom 03.12.2022 im Theater im Delphi, Berlin
Karine Gilanyan, Klavier
Jona Schibilsky, Violine
Johannes Rosenberg, Violine
Roman Yusipey, Akkordeon
Liz Fréon, Harfe
Riccardo Caruso, Schlagzeug
Kammerorchester Eroica Berlin
Leitung: Jakob Lehmann