Sören Linke, Trompete
Mevan Younes, Buzuq
Maher Mahmoud, Ud
Florian Grube, Oboe
Athil Hamdan, Violoncello
Kammersymphonie Berlin
Leitung: Jürgen Bruns
Berlin trifft Syrien
Neue Musik aus Syrien, England und Japan stand auf dem Programm des ersten Konzerts der Reihe "Berlin trifft...". Die Kammersymphonie Berlin mit ihrem Leiter Jürgen Bruns hatte dafür hervorragende Solisten gewinnen können.
Syriens Musikkultur lebt, auch wenn das Land selbst am Boden liegt. Nicht wenige bedeutende Künstlerinnen und Künstler - Interpreten wie auch Kreative - haben sich in ihren Zufluchtsorten eine neue, bisweilen fragile Existenz aufgebaut. Nicht zuletzt in Berlin leben einige von ihnen - darauf baute die Kammersymphonie Berlin mit ihrem Leiter Jürgen Bruns bei ihrem ersten Projekt der Reihe "Berlin trifft...".
Assyrisches Ud-Konzert
Aus Kopenhagen war der Ud-Virtuose Maher Mahmoud gekommen, um zwei Sätze des Konzerts für Ud und Streichorchester des Klassikers der syrischen Musik Nouri Iskandar aufzuführen. Das scheinbar leichteste Werk des Abends (vom Eindruck des Notenbildes her) erwies sich als das anspruchsvollste. Denn Iskandar, der Pionier der assyrischen Musikkultur, verwendet in seinem vielstimmigen Werk Maqamat, also die Melodie-Modi der nahöstlichen Kultur, die zum Teil aus Vierteltonschritten bestehen. Sich in diese Klangwelt einzuhören, braucht einige Zeit. Den Mitgliedern der Kammersymphonie Berlin ist das hervorragend und zügig gelungen - der Solist rief schon in der zweiten Probe begeistert: "Das klingt wie arabische Musik!" Nun, assyrische Musik, also die Musik der christlichen Syrer, deren Gottesdienstsprache Aramäisch ist, ist strenggenommen keine arabische Musik und verwendet andere Vierteltonschritte als die städtische (arabische) Musik in Damaskus zum Beispiel.
Vielfältiger Kosmos
Die Musikwelt Syriens war bis zum Beginn des Bürgerkrieges ein faszinierend vielfältiger Kosmos. Geprägt wurde sie von den beinahe unzähligen verschiedenen religiösen, sprachlichen und kulturellen Gruppen. Viele dieser Gruppen sind nicht sunnitisch-muslimisch und nicht arabisch. Und dennoch ist die Musik immer ein Verständigungsmittel gewesen. Und auch ein Bindeglied zur westlichen Musikkultur. Der Buzuq-Virtuose Mevan Younes zum Beispiel hat auf seiner Langhalslaute an der Musikhochschule die Lautensuiten von Johann Sebastian Bach zu spielen gelernt. Als der große Bach, den auch in Syrien alle Musiker gleich welcher Herkunft verehren, komponierte, gab es in gewisser Weise auch in der europäischen Musikkultur sehr viel mehr Töne als nach der Einführung der gleichschwebend temperierten Stimmung.
Wehmut und Erinnerung
Der Cellist Athil Hamdan, einst Dekan der Musikhochschule in Damaskus, jetzt freischaffender Musiker in Berlin, hatte beim Komponisten Schaalan Alhamwy ein kleines Werk für Cello und Streicher in Auftrag gegeben. Es sollte ein Stück im Stile der europäischen Romantik sein, wie Athil Hamdan freimütig bekannte. Der in Belgien lebende Musiker Alhamwy hat mit "Reminiscenza" ein Werk geschaffen, das mit seinem wehmütigen Unterton und seiner schwelgerischen Melodik durchaus ein Abbild dessen bietet, was die Syrerinnen und Syrer erleben, wenn sie sich im Exil an ihre Heimat erinnern.
Feuergott und Hausberg
Einer der bedeutendsten syrischen Gegenwartskomponisten, Zaid Jabri, war auch im Programm "Berlin trifft Syrien" vertreten. Sein Stück "Gerra & Qasioun" für Oboe und Streicher bezieht sich auf den assyrischen Feuergott Gerra und den Damaszener Hausberg Qasioun. Als es einmal einen Bombenangriff auf den Berg gegeben habe, beschreibt der Komponist seine Motivation für das Werk, habe sich das Bild umgekehrt: Sonst gingen die Damaszener auf den Berg, um von dort aus auf die erleuchtete Stadt zu blicken. Nun konnte man aus der wegen Stromausfalls dunklen Stadt den brennenden Berg sehen.
Ein leichtes liedartiges Stück mit drei Sätzen hat der Londoner Komponist Peter Fribbins für Trompete und Streicher geschrieben. Hier singt das Soloinstrument nostalgische Kantilenen, die fast nahöstliche Qualitäten haben. Der japanische Komponist Kensaku Shimizu schuf für die Kammersymphonie Berlin eigens ein Werk über die Dramatik des alten Noh-Theaters. Auch diese beiden Werke erklangen in diesem Programm der Kammersymphonie Berlin.
Wo die Worte enden...
Mevan Younes stellte am Ende des Programms sein eigenes Werk vor - "Dengvedana" ist den überlebenden Frauen und Kindern des Krieges in Syrien gewidmet. Das Stück für Buzuq und Streicher hat die Menschen im Kammermusiksaal der Philharmonie Berlin zutiefst bewegt. Es war ein Beispiel für den Moment, wenn "die Musik dort anfängt, wo die Worte enden" (Goethe).
Kammermusiksaal der Philharmonie Berlin
Aufzeichnung vom 21. Januar 2019
Aufzeichnung vom 21. Januar 2019
Berlin trifft Syrien
Johann Sebastian Bach
Ouverture aus Orchestersuite Nr. 1 C-Dur BWV 1066
Ouverture aus Orchestersuite Nr. 1 C-Dur BWV 1066
Zaid Jabri
"Gerra & Qasioun" für Oboe und elf Streichinstrumente
"Gerra & Qasioun" für Oboe und elf Streichinstrumente
Peter Fribbins
"Soliloquies" für Trompete und Streicher (Uraufführung)
"Soliloquies" für Trompete und Streicher (Uraufführung)
Nouri Iskandar
Konzert für Ud und Orchester
Konzert für Ud und Orchester
Schaalan Alhamwy
"Reminiscenza" für Violoncello und Orchester (Uraufführung)
"Reminiscenza" für Violoncello und Orchester (Uraufführung)
Kensaku Shimizu
"Kyakurai" für Streicher (Uraufführung)
"Kyakurai" für Streicher (Uraufführung)
Muhammad Abd al-Karim
"Tango alwafa" (Bearbeitung für Buzuq und Streicher)
"Tango alwafa" (Bearbeitung für Buzuq und Streicher)
Johann Sebastian Bach
Bourrée I und II aus Orchestersuite Nr. 1 C-Dur BWV 1066
Bourrée I und II aus Orchestersuite Nr. 1 C-Dur BWV 1066
Mevan Younes
"Dengvedana" für Buzuq und Streicher
"Dengvedana" für Buzuq und Streicher