Von "High Hopes" bis "The Change"
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Im US-Wahlkampf spielt die Begleitmusik eine wichtige Rolle. Pop und Politik sind eng verknüpft. Aber einige Musiker wehren sich, wenn ihre Lieder für Wahlkampfauftritte genutzt werden. Die Geschichte der Kampagnen-Songs reicht weit zurück.
Pop und Politik sind zuweilen enger miteinander verknüpft, als man zunächst vermuten mag. Aber Pop stiftet bekanntlich Identität und Identifikation – kein Wunder also, dass Musik gerade bei Wahlkämpfen eine nicht zu unterschätzende Rolle spielt. Insbesondere in den USA, wo am 3. November ein neuer Präsident gewählt wird, und sich die Kandidaten bewährt via Klassik oder Pop akustische Verstärkung holen. Was durchaus nicht jedem Musiker schmeichelt.
Keith Richards war nicht sonderlich amüsiert, als Donald Trump nach einer Rede auf dem Parteitag der Republikaner im Juli 2016 den Song "You Can’t Always Get What You Want" spielen ließ. Der Gitarrist der Rolling Stones distanzierte sich umgehend via Twitter – womit Trump noch glimpflich davonkam. Anno 1989 hatte Richards ein Messer gezückt, als der milliardenschwere Immobilienhai bei einem Stones-Konzert aufgetaucht war.
Die Geschichte des Kampagnen-Songs reicht bis ins 19. Jahrhundert zurück. Anfangs waren es Volkslieder wie "John Brown’s Body" oder speziell verfasste Hymnen wie "Lincoln and Liberty", die den Kandidaten ins Weiße Haus verhelfen sollten. Eines echten Gassenhauers bediente sich erstmals Franklin D. Roosevelt anno 1932: "Happy Days Are Here Again" war genau die richtige Botschaft an alle, die die Große Depression schleunigst vergessen wollten. Und Frank Sinatra ließ es sich nicht nehmen, 1960 für seinen Kumpel John F. Kennedy den Wahlkampfhelfer zu geben: "High Hopes" heißt der Song, der den ersten amerikanischen Pop-Präsidenten ins Oval Office katapultierte.
Einige Musiker spielen mit
Seit den Achtzigerjahren wird vornehmlich gerockt, wenn US-Präsidentschaftskandidaten das Podium betreten, gemäß den treffenden Worten des deutschen Autors Eckhart Nickel: "Diese Angst, dass alles so bleiben soll, wie es ist – das ist Rock." Ob "Start Me Up" von den Stones oder Neil Youngs "Rockin’ in the Free World" – so gut wie immer atmen die Kampagnensongs der Kandidaten breitbeinigen Konservatismus, das vollmundige Versprechen der zupackenden Hand.
Manche Musiker spielen da gerne mit, träumen sogar davon, dass demnächst Brachial-Kollegen aus der Hardrock-Abteilung zur Wahl antreten. Der republikanernahe Kid Rock sagt dazu: "Ich wünschte, Ted Nugent würde sich um das Amt bewerben, denn das wäre richtig unterhaltsam. Es würde für interessanteste Debatten sorgen."
Aber nicht alle Musiker zeigen Verständnis, wenn ihr Sound für politische PR-Zwecke genutzt wird. Bruce Springsteen war einer der ersten, der sich wehrte, als Ronald Reagan 1984 seinen Song "Born in the USA" zur Wahl-Hymne instrumentalisieren wollte. Und Dave Grohl von den Foo Fighters hat seinen Unmut gegenüber Trump so zusammengefasst: "Ich finde es zum Kotzen, dass jemand, der behauptet, für das amerikanische Volk zu sprechen, so wenig Respekt vor Kreativität und Urheberrecht hat."
Demokraten setzen auf "The Change"
Die demokratischen Herausforderer Joe Biden und Kamala Harris setzen im aktuellen Wahlkampf-Endspurt auf die H-&-M-, pardon, R-&-B-Ballade "The Change". Würde die Wahl per Youtube-Klicks entschieden, wären immerhin schon gut 120.000 Stimmen zusammen. Während Amtsinhaber Donald Trump in Sachen Pop – von Adele über Leonard Cohen bis zu den Village People – mittlerweile so oft ausgebremst worden ist, dass er sich bei seinen Rallyes lieber auf die bombastische Arie "Nessun Dorma" verlässt.
Der vor fast hundert Jahren verstorbene Opernkomponist Giacomo Puccini kann ihm keine einstweilige Verfügung mehr androhen. Aber sollte Trump tatsächlich ein zweites Mal ins Weiße Haus einziehen, dürfte ziemlich klar sein, welcher Song dann erklingt: Bachman-Turner Overdrives "You Ain’t Seen Nothin’ Yet". Auf Deutsch heißt das: Ihr werdet euch noch wundern.