Kampeter: Null-Zins-Strategie der USA ist "Konfetti-Politik"

Steffen Kampeter im Gespräch mit Birgit Kolkmann |
Die derzeitige Null-Zins-Politik der USA bereitet dem haushaltspolitischen Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Steffen Kampeter, "sehr viel Sorge". Zugleich warnte er davor, die deutsche Bevölkerung durch widersprüchliches Verhalten in der Konjunkturkrise zu verunsichern. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) tue gut daran standhaft zu bleiben und sich nicht zu vorschnellen Konjunkturmaßnahmen drängen zu lassen.
Birgit Kolkmann: Jetzt überrascht es niemanden mehr. Die Wirtschaft steckt in einer ihrer schwersten Krisen. Seit der Wiedervereinigung war der ifo-Geschäftsklimaindex nicht mehr so weit unten so wie jetzt, und viele Firmen beurteilen ihre Geschäftsaussichten so düster wie zurzeit der Ölkrise in den 70err-Jahren. Um ein zweites Konjunkturpaket wird die Bundesregierung nicht herumkommen, aber offen ist, mit welchen Hilfen und wann der Markt gestützt werden soll.

Was schon klar ist, das alles geht nur auf Pump, die Rechnung kommt später bei den Bürgern an. Zu Gast im Deutschlandradio war gestern Steffen Kampeter, der haushaltspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Ich fragte ihn, welche Geschenke die Bundesregierung zum Fest vorbereitet und wann das zweite Konjunkturpaket geschnürt sein wird.

Steffen Kampeter: Es gibt eine politische Bewegung auf ein zweites Konjunkturpaket. Mir geht die Sache ein bisschen schnell. Als haushaltspolitischer Sprecher glaube ich, dass man das Geld, was man in die Hand genommen hat, erst mal schauen muss, ob und wie es wirkt. Der politische Handlungsdruck, der erzeugt wird, könnte eventuell dazu führen, dass wir lediglich eine Handlungsillusion betreiben, Geld ausgeben ohne Wirkung. Das gilt es zu vermeiden. Aber objektiv, es droht ein zweites Konjunkturpaket.

Kolkmann: Das Konzert der Maßnahmen, die nun gerade erforderlich sein sollen, ist ja ziemlich dissonant. Reden alle durcheinander, auch in der Regierung?

Kampeter: Die Regierung handelt klug und redet schlecht, und zwar gar nicht so sehr, dass die Dinge dort politisch schlecht begründet sind. Die Unterschiedlichkeit der Signale verunsichert die Menschen eher. Und wenn die hören, da gibt es neues Konjunkturprogramm, dann warten die ab. Wenn die hören, vielleicht gibt es noch einen Konsumgutschein, dann warten die ab.

Und wir müssten eigentlich alles daran tun, die bereits beschlossenen klugen, richtigen Maßnahmen zu begründen und Zuversicht zu verbreiten, anstatt bevor sie in Kraft sind, darüber öffentlich zu philosophieren und damit auch im Übrigen wachstumsdämpfend zu wirken, was wir dann noch alles tun wollen.

Kolkmann: Sie sagen, die Bundesregierung tut das Richtige. Aber da gibt es ja innerhalb der Bundesregierung eine Partei, nämlich die CSU, gehört zum Unionsblock, die doch kräftig andere Dinge möchte, als die Bundeskanzlerin zum Beispiel vertritt, Steuererleichterungen zum Beispiel.

Kampeter: Dass es unterschiedliche Auffassungen innerhalb einer Koalition und im Übrigen auch zwischen Schwesterparteien gibt, das haben wir in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, nicht nur in der Finanzkrise erlebt. Richtig ist, dass man das allerdings, was man gemeinsam beschließt, auch gemeinsam nach außen vertritt. Union, und das bedeutet CDU und CSU, werden sich im Frühjahr für die nächste Legislaturperiode in der Haushalts- und Finanz- und Steuerpolitik einigen, und für mich ist wichtig, dass das, was wir da auch verkaufen wollen, dass das glaubwürdig ist und dass wir nicht das Blaue vom Himmel herunterversprechen. Aktuell sehe ich keine Möglichkeiten, zusätzlich Steuern zu senken.

Kolkmann: Sie wollen ja auch Wahlen gewinnen im nächsten Jahr, und da können Sie im Augenblick angesichts der wirtschaftlichen Rahmendaten ja schon ganz schön unter Druck geraten, auch unter Druck, doch weitere Geschenke auszupacken?

Kampeter: Das Wichtigste in dieser Situation ist, dass man den politisch Handelnden Vertrauen schenkt. Vertrauen kann man nicht kaufen. Und ich glaube auch, dass die Bevölkerung so klug ist, dass sie begreift, dass diejenigen, die die größten Geschenke versprechen, nicht diejenigen sind, die das meiste Vertrauen verdienen. Deswegen unterstütze ich die Politik der Bundeskanzlerin, die Schritt für Schritt versucht, das verlorengegangen Vertrauen wiederaufzubauen, nicht nur staatlicherseits, sondern auch mit nichtstaatlichen Akteuren wie den Tarifvertragsparteien.

Und ich empfehle weder der Bundeskanzlerin noch meiner Partei, das Blaue vom Himmel herunterzuversprechen. Das werden die Wählerinnen und Wähler nicht mit mehr Zustimmung honorieren. In Österreich beispielsweise hat eine Große Koalition kurz vor der Wahl Milliarden Steuergeschenke verteilt, gewählt worden sind die populistischen Parteien.

Kolkmann: Irgendwann müssen diese Geschenke ja auch bezahlt werden. Steht am Ende dieser ganzen Kette dann eben nicht eine Steuererleichterung, sondern eine Steuererhöhung?

Kampeter: Wenn mehr getan wird, als das, was nötig ist, wenn Maß und Mitte bei der Staatsverschuldung jetzt verloren geht, dann bedeutet das für die nächste Generation Inflation und Steuererhöhung.

Kolkmann: Auch nicht erst für die nächste Generation, sondern vielleicht schon viel früher?

Kampeter: Die nächste politische Generation der nächsten oder übernächsten Legislaturperiode wird sich die Frage stellen, wie sie die Zinsen aufbringt für die jetzt aufgenommene Staatsverschuldung. Sie wird sich die Frage stellen, wie sie die Zinsen aufbringt, wenn die Zinsen wieder steigen, also höhere Zinslasten vorhanden sind. Und das wird man nicht herbeizaubern können, deswegen warne ich, die Grenzen der Staatsverschuldung jetzt nicht, auch so den europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakt zu beachten, der sagt, wenn mehr Schulden aufgenommen würden, dann auch ein Schuldenabbauplan.

Der Schuldenabbauplan für die nächste Legislaturperiode, das ist eine Sache, die muss die Bundesregierung noch liefern, ansonsten glauben uns die Menschen auch nicht, dass die Schulden abgebaut werden. Und sie werden nicht das tun, was wir von ihnen erwarten, nämlich konsumieren und investieren.

Kolkmann: Was halten Sie von der amerikanischen Null-Zinspolitik? In Japan ist sie ja ein bisschen ins Auge gegangen.

Kampeter: Mir macht die amerikanische Politik sehr viel Sorge. Ursache dieser größten weltwirtschaftlichen Verwerfung, Finanz- und Wirtschaftskrise, war billiges Geld und Schulden. Die Amerikaner bekämpfen jetzt mit der Null-Zinspolitik die geplatzten Illusionen mit dem Aufblasen einer neuen Illusionsblase mit viel billigem Geld. Das ist in Konfetti-Politik. Und insbesondere, wenn dann die Zinsen von der Zentralbank wieder angehoben wird, könnte es zu erheblichen Verwerfungen kommen.

Ich bin sehr, sehr skeptisch, dass das ein maßvolles Reagieren ist. Und wir müssen eins deutlich machen. Der Staat hat kleinere wirtschaftliche Krisen auf dieser Welt nicht verhindern können. Warum soll er es jetzt plötzlich, wenn die große Krise da ist, mit Milliarden, Hunderten Milliarden können? Das ist eine Staatsillusion, der wir da anhängen, die erschreckt mich mehr, als dass sie mir Vertrauen gibt.

Kolkmann: Der Ruf nach dem Staat ist ja weltweit im Augenblick groß, sogar in den USA wird ja darauf reagiert. Gleichzeitig in Europa steht die Bundeskanzlerin nicht gerade am Pranger, aber doch sehr in die Kritik, sie mache nicht genug, nicht genug Steuersenkungen, nicht genug Verstaatlichung, anders als in Frankreich und Großbritannien zum Beispiel. Bremst Angela Merkel?

Kampeter: Ich finde die englische und die französische Kritik eine Auszeichnung für die Bundeskanzlerin. Sie orientiert sich eben nicht an dem Aktionismus, den wir aus dem Élysée verspüren, jeden Tag einen neuen Vorschlag zu machen, der auch nicht der, außer der Popularität des Amtsinhabers, der französischen Bevölkerung auch nicht nutzt. Und sie orientiert sich auch nicht an der Tonnenideologie, wie wir sie in "Downing Street No. 10" haben.

Die Engländer geben im nächsten Jahr acht Prozent ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit allein nur für Schulden aus. Das ist eine unsolide Politik. Und sie wird brutal von den Briten bezahlt werden durch Steuererhöhungen. Und deswegen finde ich es unangemessen, dass beispielsweise die Briten erwarten, dass wir sie nun raushauen, nachdem sie sehr auf die Finanzdienstleistung gesetzt haben, sehr Deutschland unter Druck gesetzt haben, ihnen auf dem Weg zu folgen. Es ist eine Auszeichnung für die Bundeskanzlerin, wenn sie nicht dem britischen und nicht dem französischen Weg folgt.

Kolkmann: Steffen Kampeter, Sprecher der CDU/CSU-Haushaltsgruppe im Bundestag. Schönen Dank für den Besuch im Studio.

Kampeter: Danke.