Kampf dem Übergewicht
Zukunftsforscher aufgepasst: Ein New Yorker Gericht hat entschieden, dass Fast-Food-Ketten mit mehr als 15 Filialen im Stadtgebiet von Manhattan per Gesetz verpflichtet werden, detaillierte Angaben über verdeckte Fette sowie den Kaloriengehalt ihrer Speisen gut sichtbar auf der Menükarte auszudrucken - nicht auf der Rückseite der Rechnung oder unter der Verpackung versteckt.
Selbst Fachleute, ganz zu schweigen von der Mehrzahl der Konsumenten, haben keine Ahnung, welche Kalorienbomben sich hinter Bezeichnungen wie Pizza oder Hamburger verstecken. Hier ein paar Beispiele: Chili con carne mit Crème fraîche: 2400 Kalorien, Doppel Cheese-Burger mit Bacon: 1900 Kalorien, Mousse au Chocolat mit Sahne: 1400 Kalorien, Pizza mit Salami und Käse: 1100 Kalorien. Die für Kinder und Senioren empfohlene Kalorienmenge pro Tag wäre mit einer einzigen solchen Mahlzeit gedeckt.
Die Mega-Metropole am Hudson-River war immer schon ein Trendsetter, und fast alles, was in den USA Mode wurde, hat sich zwei, drei Jahre später in Europa durchgesetzt: Vom Handy zum Walkman, vom Jogging zum Rauchverbot und von der Homo-Ehe bis zur Nulltoleranz - der Einfachheit halber übernahm man die englischen Wörter gleich mit.
Auch Fast-Food war eine amerikanische Erfindung, und es ist kein Zufall, dass dort, wo der Siegeszug des Hamburgers begann, heute das Sterbeglöckchen für ihn geläutet wird. Dass Angehörige der Unterschichten, Afro-Amerikaner und Einwanderer aus Lateinamerika, sich überwiegend von Fast-Food ernähren, ist bekannt. Jeder zweite New Yorker konsumiert mindestens eine Mahlzeit pro Tag in Imbissstuben oder Schnell-Restaurants, und das US-Marinekorps tut sich ebenso schwer wie die Polizei bei dem Versuch, gesunden Nachwuchs zu rekrutieren und übergewichtige Soldaten und Polizisten auf Normalmaß zu trimmen.
Dass der Ruf laut wird, den "Volksverfettern" das Handwerk zu legen, überrascht nicht, und man muss kein Prophet sein, um vorauszusagen, dass die exakte Etikettierung von Lebensmitteln, wie sie in Supermärkten längst Vorschrift ist, auch in Fast-Food-Ketten zur Norm werden und sich auch in Europa durchsetzen wird.
Bis dahin aber ist es noch ein weiter Weg, und schon jetzt bringt die mächtige Nahrungsmittelindustrie - von Amerikas Farmern bis zum Gaststättengewerbe - Journalisten und Lobbyisten in Stellung, um das Reformvorhaben zu Fall zu bringen mit dummdreisten Fragen wie: Wo bleibt die Freiheit des Konsumenten, wenn an jedem Whiskyglas an der Bar ein Kalorienetikett klebt? Gilt das auch für jeden Kartoffelchip? Ist es sicher, dass der Hinweis auf Fette und Kalorien die Essgewohnheiten verändert? Was ist mit Analphabeten, die die Informationen nicht lesen können?
Seit Jahren versucht der einflussreiche Stadtrat Joel Rivera, Vorsitzender des New Yorker Gesundheitsausschusses, die Reform zu verwässern, indem er es Besitzern und Betreibern von Schnellrestaurants anheim stellen will, ob sie den Kaloriengehalt auf der Speisekarte vermerken, in einer Broschüre, einem Beipackzettel oder auf einer Rolle Klopapier. Und er fragt scheinheilig, ob das Gesetzesvorhaben nicht die Fast-Food-Ketten benachteiligt, die Tausende Mitarbeiter beschäftigten und transparenter seien als Würstchenbuden oder Drei-Sterne-Restaurants.
Und warum nimmt der Gesetzgeber nicht Schul- und Werkskantinen, Universitätsmensen und Cafeterias öffentlicher Behörden aufs Korn, deren Bedeutung für die Volksgesundheit weitaus wichtiger sei? Solche Fragen sind berechtigt, doch das Pro und Contra des Meinungsstreits erinnert fatal an die Verzögerungstaktik der Tabakindustrie im Streit ums Rauchverbot, dessen Eintreten mit immer neuen Argumenten aufgeschoben wurde bis zum Geht-nicht-mehr.
Der Kampf gegen das zur Volksseuche gewordene Übergewicht bringt ähnliche Auswüchse hervor, und er hat schon jetzt von den USA auf Deutschland übergegriffen - man denke nur an Überlegungen der Krankenkassen, Leistungen zu kürzen und übergewichtige Menschen die Folgen ihrer Fehlernährung selbst tragen zu lassen. Der dabei mitschwingende Sadismus ist unüberhörbar, aber Warnungen vor einem totalitären Überwachungsstaat sind trotzdem fehl am Platz.
Die Etikettierung suchterzeugender, krankmachender Speisen ist ein Schritt in die richtige Richtung, und dass es kritischen Konsumenten gelingt, ihre Belange gegen das Fast-Food-Kartell durchzusetzen, zeigt allen Unkenrufen zum Trotz, dass und wie Amerikas Demokratie funktioniert.
Hans Christoph Buch, 1944 in Wetzlar geboren, wuchs in Wiesbaden und Marseille auf und las im Jahr seines Abiturs (1963) bereits vor der Gruppe 47. Mit 22 Jahren veröffentlichte er seine Geschichtensammlung "Unerhörte Begebenheiten". Ende der 60er Jahre verschaffte er sich Gehör als Herausgeber theoretischer Schriften. Auch mit seinen Essays versuchte er, politisches und ästhetisches Engagement miteinander zu versöhnen. 1984 erschien sein Romandebüt: "Die Hochzeit von Port au Prince". Weitere Veröffentlichungen: "In Kafkas Schloß", "Wie Karl May Adolf Hitler traf", "Blut im Schuh", "Tanzende Schatten" und zuletzt "Tod in Habana".
Die Mega-Metropole am Hudson-River war immer schon ein Trendsetter, und fast alles, was in den USA Mode wurde, hat sich zwei, drei Jahre später in Europa durchgesetzt: Vom Handy zum Walkman, vom Jogging zum Rauchverbot und von der Homo-Ehe bis zur Nulltoleranz - der Einfachheit halber übernahm man die englischen Wörter gleich mit.
Auch Fast-Food war eine amerikanische Erfindung, und es ist kein Zufall, dass dort, wo der Siegeszug des Hamburgers begann, heute das Sterbeglöckchen für ihn geläutet wird. Dass Angehörige der Unterschichten, Afro-Amerikaner und Einwanderer aus Lateinamerika, sich überwiegend von Fast-Food ernähren, ist bekannt. Jeder zweite New Yorker konsumiert mindestens eine Mahlzeit pro Tag in Imbissstuben oder Schnell-Restaurants, und das US-Marinekorps tut sich ebenso schwer wie die Polizei bei dem Versuch, gesunden Nachwuchs zu rekrutieren und übergewichtige Soldaten und Polizisten auf Normalmaß zu trimmen.
Dass der Ruf laut wird, den "Volksverfettern" das Handwerk zu legen, überrascht nicht, und man muss kein Prophet sein, um vorauszusagen, dass die exakte Etikettierung von Lebensmitteln, wie sie in Supermärkten längst Vorschrift ist, auch in Fast-Food-Ketten zur Norm werden und sich auch in Europa durchsetzen wird.
Bis dahin aber ist es noch ein weiter Weg, und schon jetzt bringt die mächtige Nahrungsmittelindustrie - von Amerikas Farmern bis zum Gaststättengewerbe - Journalisten und Lobbyisten in Stellung, um das Reformvorhaben zu Fall zu bringen mit dummdreisten Fragen wie: Wo bleibt die Freiheit des Konsumenten, wenn an jedem Whiskyglas an der Bar ein Kalorienetikett klebt? Gilt das auch für jeden Kartoffelchip? Ist es sicher, dass der Hinweis auf Fette und Kalorien die Essgewohnheiten verändert? Was ist mit Analphabeten, die die Informationen nicht lesen können?
Seit Jahren versucht der einflussreiche Stadtrat Joel Rivera, Vorsitzender des New Yorker Gesundheitsausschusses, die Reform zu verwässern, indem er es Besitzern und Betreibern von Schnellrestaurants anheim stellen will, ob sie den Kaloriengehalt auf der Speisekarte vermerken, in einer Broschüre, einem Beipackzettel oder auf einer Rolle Klopapier. Und er fragt scheinheilig, ob das Gesetzesvorhaben nicht die Fast-Food-Ketten benachteiligt, die Tausende Mitarbeiter beschäftigten und transparenter seien als Würstchenbuden oder Drei-Sterne-Restaurants.
Und warum nimmt der Gesetzgeber nicht Schul- und Werkskantinen, Universitätsmensen und Cafeterias öffentlicher Behörden aufs Korn, deren Bedeutung für die Volksgesundheit weitaus wichtiger sei? Solche Fragen sind berechtigt, doch das Pro und Contra des Meinungsstreits erinnert fatal an die Verzögerungstaktik der Tabakindustrie im Streit ums Rauchverbot, dessen Eintreten mit immer neuen Argumenten aufgeschoben wurde bis zum Geht-nicht-mehr.
Der Kampf gegen das zur Volksseuche gewordene Übergewicht bringt ähnliche Auswüchse hervor, und er hat schon jetzt von den USA auf Deutschland übergegriffen - man denke nur an Überlegungen der Krankenkassen, Leistungen zu kürzen und übergewichtige Menschen die Folgen ihrer Fehlernährung selbst tragen zu lassen. Der dabei mitschwingende Sadismus ist unüberhörbar, aber Warnungen vor einem totalitären Überwachungsstaat sind trotzdem fehl am Platz.
Die Etikettierung suchterzeugender, krankmachender Speisen ist ein Schritt in die richtige Richtung, und dass es kritischen Konsumenten gelingt, ihre Belange gegen das Fast-Food-Kartell durchzusetzen, zeigt allen Unkenrufen zum Trotz, dass und wie Amerikas Demokratie funktioniert.
Hans Christoph Buch, 1944 in Wetzlar geboren, wuchs in Wiesbaden und Marseille auf und las im Jahr seines Abiturs (1963) bereits vor der Gruppe 47. Mit 22 Jahren veröffentlichte er seine Geschichtensammlung "Unerhörte Begebenheiten". Ende der 60er Jahre verschaffte er sich Gehör als Herausgeber theoretischer Schriften. Auch mit seinen Essays versuchte er, politisches und ästhetisches Engagement miteinander zu versöhnen. 1984 erschien sein Romandebüt: "Die Hochzeit von Port au Prince". Weitere Veröffentlichungen: "In Kafkas Schloß", "Wie Karl May Adolf Hitler traf", "Blut im Schuh", "Tanzende Schatten" und zuletzt "Tod in Habana".