Kampf gegen aufgeblasene Geldmärkte
Schon vor zehn Jahren hat der US-Ökonom Paul Krugman mit seinem Buch "Die große Rezession" vor einer Wirtschaftskrise gewarnt und Deflation als das schlimmere wirtschaftliche Übel angesehen. Die Thesen des Nobelpreisträgers für Wirtschaft haben immer noch Bestand, das Buch wurde aber im Zuge der aktuellen Krise um drei Kapitel erweitert.
Das vorliegende Buch ist eine erweiterte Wiederauflage. Fast möchte man sagen: Wie die Krise, der es gilt. Schon 1999 hatte Paul Krugman, der unterdessen mit dem Nobelpreis für Ökonomie dekoriert worden ist, sein "Return of the Depression Economics" auf Deutsch unter dem Titel "Die große Rezession" vorgelegt.
Das war also vor der Krise von 2001, und es war damals Krugmans Verdienst, auf anschauliche Weise und auch für Nichtökonomen verständlich dargelegt zu haben, dass nicht Inflation, sondern Deflation das größte volkswirtschaftliche Übel ist.
Er tat das mit Beispielen aus Lateinamerika, Japan, Thailand. Sein Buch handelte von den Spekulationsattacken auf schwache Währungen, von der Mühe Japans, aus einer zehnjährigen Depression zu kommen, und von Alan Greenspans Geldpolitik.
Anders als viele Ökonomen, die ihre Prognosen ständig neu anpassen müssen, kann sich Krugman mit seiner Diagnose zehn Jahre später noch immer sehen lassen. Das Buch ist jetzt um drei Kapitel zur Krise von 2008 erweitert und hat einen neuen Titel.
Vielleicht hätte der Verlag das auch noch deutlicher erkennbar machen sollen: Man möchte ja gerade bei einem Buch über Spekulationskrisen nicht zwei mal zur Kasse gebeten werden.
Für Krugman hängen die Krisen von 2001 und die jetzige zusammen. Denn die Internet- und Aktienblase von 2001, so Krugmann, ging vergleichsweise schnell vorüber, weil sie durch jene Immobilienblase ersetzt wurde, die dann 2008 platzte.
Die Hauptursache solcher Krisen erkennt Krugman einerseits im "Schattenbankensystem", also im Wachstum von Finanzakteuren, die Funktionen von Banken übernommen haben, ohne derselben Kontrolle wie Banken ausgesetzt zu sein: Hedge-Fonds, Investitionshäuser, die immer neue Finanzprodukte erfanden (beispielsweise Anleihen, deren Zins ständig durch Auktionen neu festgelegt wird, oder Geldmarktpapiere, die durch Aktien gedeckt waren) und dergleichen.
Die Nachteile eines solchen Systems sind doppelt: es operiert wenig kontrolliert und im Krisenfall kann es, anders als ordentliche Banken, nicht auf die Zentralbank als Unterstützung zurückgreifen.
Zum anderen kritisiert Krugman die geldpolitischen Einstellungen, die das wichtigste Ziel einer Zentralbank in der Inflationsbekämpfung sehen. Warum ist für ihn Rezession schlimmer als Inflation? Weil man an einem Strick nur ziehen, nicht schieben kann. Der Strick ist die Geldpolitik.
Wenn Zentralbanken Inflation bekämpfen wollen, verteuern sie das Geld; das geht. Wenn sie aber eine Konsumschwäche beobachten und Geld in die Wirtschaft pumpen wollen, dann kann es passieren, dass selbst zu einem Zinssatz von Null keine Bank von ihr Geld leihen will.
Weshalb? Weil es keine Unternehmer gibt, die sich von kreditfinanzierten Investitionen einen Profit erwarten. Unter welchen Umständen gibt es keine solchen Unternehmer? Wenn die private Nachfrage fehlt. Also muss die staatliche Nachfrage einspringen. Aber wenn der Staat überschuldet ist? Wenn die Demographie eine Bevölkerung ausweist, die alt ist und also ohnehin nicht konsumfreudig, dafür aber als Rentenlast aufs Budget wirkt?
Es ist schwer zu sagen, ob Krugman, der wie alle Ökonomen äußerst selbstbewusst auftritt, mit seinem Plädoyer für eine "vollständige befristete Verstaatlichung eines beträchtlichen Teil des Finanzsystems" Recht hat. Aber es handelt sich bei seinen scharfen und polemischen Beiträgen zur ökonomischen Lage zweifelsfrei um eine der anregendsten Argumentationen eines wirtschaftswissenschaftlichen Innenseiters.
Besprochen von Jürgen Kaube
Paul Krugman: Die neue Weltwirtschaftskrise
Campus Verlag, Frankfurt am Main 2009
248 Seiten, 24,90 EUR
Das war also vor der Krise von 2001, und es war damals Krugmans Verdienst, auf anschauliche Weise und auch für Nichtökonomen verständlich dargelegt zu haben, dass nicht Inflation, sondern Deflation das größte volkswirtschaftliche Übel ist.
Er tat das mit Beispielen aus Lateinamerika, Japan, Thailand. Sein Buch handelte von den Spekulationsattacken auf schwache Währungen, von der Mühe Japans, aus einer zehnjährigen Depression zu kommen, und von Alan Greenspans Geldpolitik.
Anders als viele Ökonomen, die ihre Prognosen ständig neu anpassen müssen, kann sich Krugman mit seiner Diagnose zehn Jahre später noch immer sehen lassen. Das Buch ist jetzt um drei Kapitel zur Krise von 2008 erweitert und hat einen neuen Titel.
Vielleicht hätte der Verlag das auch noch deutlicher erkennbar machen sollen: Man möchte ja gerade bei einem Buch über Spekulationskrisen nicht zwei mal zur Kasse gebeten werden.
Für Krugman hängen die Krisen von 2001 und die jetzige zusammen. Denn die Internet- und Aktienblase von 2001, so Krugmann, ging vergleichsweise schnell vorüber, weil sie durch jene Immobilienblase ersetzt wurde, die dann 2008 platzte.
Die Hauptursache solcher Krisen erkennt Krugman einerseits im "Schattenbankensystem", also im Wachstum von Finanzakteuren, die Funktionen von Banken übernommen haben, ohne derselben Kontrolle wie Banken ausgesetzt zu sein: Hedge-Fonds, Investitionshäuser, die immer neue Finanzprodukte erfanden (beispielsweise Anleihen, deren Zins ständig durch Auktionen neu festgelegt wird, oder Geldmarktpapiere, die durch Aktien gedeckt waren) und dergleichen.
Die Nachteile eines solchen Systems sind doppelt: es operiert wenig kontrolliert und im Krisenfall kann es, anders als ordentliche Banken, nicht auf die Zentralbank als Unterstützung zurückgreifen.
Zum anderen kritisiert Krugman die geldpolitischen Einstellungen, die das wichtigste Ziel einer Zentralbank in der Inflationsbekämpfung sehen. Warum ist für ihn Rezession schlimmer als Inflation? Weil man an einem Strick nur ziehen, nicht schieben kann. Der Strick ist die Geldpolitik.
Wenn Zentralbanken Inflation bekämpfen wollen, verteuern sie das Geld; das geht. Wenn sie aber eine Konsumschwäche beobachten und Geld in die Wirtschaft pumpen wollen, dann kann es passieren, dass selbst zu einem Zinssatz von Null keine Bank von ihr Geld leihen will.
Weshalb? Weil es keine Unternehmer gibt, die sich von kreditfinanzierten Investitionen einen Profit erwarten. Unter welchen Umständen gibt es keine solchen Unternehmer? Wenn die private Nachfrage fehlt. Also muss die staatliche Nachfrage einspringen. Aber wenn der Staat überschuldet ist? Wenn die Demographie eine Bevölkerung ausweist, die alt ist und also ohnehin nicht konsumfreudig, dafür aber als Rentenlast aufs Budget wirkt?
Es ist schwer zu sagen, ob Krugman, der wie alle Ökonomen äußerst selbstbewusst auftritt, mit seinem Plädoyer für eine "vollständige befristete Verstaatlichung eines beträchtlichen Teil des Finanzsystems" Recht hat. Aber es handelt sich bei seinen scharfen und polemischen Beiträgen zur ökonomischen Lage zweifelsfrei um eine der anregendsten Argumentationen eines wirtschaftswissenschaftlichen Innenseiters.
Besprochen von Jürgen Kaube
Paul Krugman: Die neue Weltwirtschaftskrise
Campus Verlag, Frankfurt am Main 2009
248 Seiten, 24,90 EUR