Kampf gegen den polnischen Rechtspopulismus

Die Macht ist weiblich!

Vor dem Parlament in Warschau demonstrieren Frauen gegen eine Verschärfung des Abtreibungsrechts.
Proteste in Warschau gegen die Verschärfung des Abtreibungsgesetzes © afp / Wojtek Radwanski
Von Beata Bielecka · 07.03.2017
Frauenrechte zählen zu den ersten Errungenschaften, auf die es populistische Politiker abgesehen haben. Doch die Frauen halten dagegen: In Polen sind vor allem sie es, die die regierenden Rechtskonservativen an manchem Vorhaben hindern.
Ich erinnere mich noch gut, an eine Geschichte, die mich vor drei Jahren sehr schockiert hat. Es ging um ein Neugeborenes, bei dessen Anblick sogar die Ärzte Angst hatten, es den Eltern zu zeigen. Es hatte einen Wasserkopf, ein Teil des Schädels fehlte, statt einer Nase hatte es ein Loch. Kurze Zeit später starb es.
Professor Bogdan Chazan, Chef einer Klinik in Warschau, hat die Abtreibung verhindert – und ist bis heute überzeugt, dass er richtig gehandelt hat. Denn das Leben müsse man um jeden Preis schützen. Dieser Professor ist – nachdem die Partei "Recht und Gerechtigkeit" (PiS) an die Macht kam – zu einer Art Heiligen aufgestiegen. Das rief bei sehr vielen Frauen Empörung und Angst hervor.
Heute wissen wir, dass diese Angst berechtigt war. Die Regierungspartei PiS hat diesen Professor gerade damit beauftragt, neue Standards für die Betreuung von schwangeren Frauen zu schaffen – auch nach der Geburt.

Weibliche Solidarität gegen sexuellen Paternalismus

Die jüngste Entscheidung der Regierung hat nun das Fass zum Überlaufen gebracht: Sie hat verboten, dass die "Pille danach" rezeptfrei verkauft wird. Diese Tablette sei in Wahrheit eine Abtreibungspille – obwohl sie überall sonst als Verhütungsmittel anerkannt wird.
Da hat es uns gereicht! Ein spontaner, landesweiter Aufruf im Internet hat genügt, um eine gigantische Demonstration gegen diese Anti-Frauen-Politik zu organisieren – für den morgigen internationalen Frauentag. Frauen aus weltweit 40 Ländern haben sich angeschlossen, als Geste der Solidarität mit uns Polinnen. Das lässt mich hoffen.
Kein anderes Thema hat die Frauen in Polen so vereint wie dieses! Egal, ob wir 30 oder 50 Jahre alt sind, an Gott glauben oder nicht, ein abgeschlossenes Studium haben oder nur die Berufsschule besuchten, ob wir in der Hauptstadt leben oder auf dem Lande – wir haben begonnen, mit einer Stimme zu sprechen, denn es geht um uns, um unseren Körper, darum, dass wir die Konsequenzen dessen tragen, was die Politiker sich ausdenken – und diese sind Männer. Wir werden noch nicht mal gefragt.
Das war so, als PiS die Abtreibung verbieten wollte, als sie Frauen dazu zwingen wollte, Kinder auszutragen nach einer Vergewaltigung oder auch wenn sie schwerstbehindert waren. Sie hat uns auch nicht gefragt, als sie die staatliche Finanzierung der In-vitro-Befruchtung abschaffte – womit sie vielen Paaren die einzige Chance nahm, ein Kind zu bekommen.
Sie schafft die Sexualaufklärung an den Schulen ab! Und gleichzeitig hat die PiS bis heute nichts unternommen, um Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt zu bekämpfen. Das alles in einem Land, das von einer Frau regiert wird. Unserer Premierministerin.
Nein! Wir Frauen haben einen Verstand und ein Gewissen – wir wollen selbst über unser Leben bestimmen!

Hexentanz für Selbstbestimmung

Diese Frauen-Bewegung erinnert mich an die 80er Jahre, als die unabhängige Gewerkschaft Solidarnosc den Kommunismus zu Fall brachte. Endlich gilt der Begriff "Solidarität" wieder etwas in unserem Land! Wir Frauen, die wir sonst weder politisch noch sozial einer Meinung sind, sind uns hier einig.
Deshalb gehen wir Frauen morgen in Warschau auf die Straße und organisieren zum Beispiel eine "Mauer der Wut", direkt vor der Parteizentrale der PiS! Wir werden vor einer der wichtigen Warschauer Kirchen den "Bischöfen zuwinken", in der "Freedom Disco" tanzen – und uns als Hexen verkleiden. In Anlehnung an die "schwarzen Märsche" vom letzten Herbst, deren Teilnehmerinnen die PiS als Hexen verteufelt hat.
Damals haben Tausende von demonstrierenden Frauen erreicht, was keinem Politiker vorher und nachher gelungen ist: Sie stoppten die PiS-Regierung und verhinderten schärfere Vorschriften gegen den Schwangerschaftsabbruch.
Das Motto morgen ist deshalb auch: Polen ist weiblich!

Beata Bielecka ist Redakteurin der "Gazeta Slubicka", der kommunalen Zeitung der Stadt Slubice. Sie arbeitete zuvor 20 Jahre lang als Redakteurin bei "Gazeta Lubuska", der größten regionalen Tageszeitung Polens an der deutsch-polnischen Grenze. 1996 hat sie gemeinsam mit Dietrich Schröder (Märkische Oderzeitung) den "Wächter-Preis der deutschen Tagespresse" verliehen bekommen, für eine Artikelreihe über Regelverstöße bei der Grenzpolizei. 2014 war Bielecka für den deutsch-polnischen Journalistenpreis nominiert.

Beata Bielecka, Redakteurin der "Gazeta Slubicka"
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