Fegen für die Forschung
Jedes Jahr gelangen in deutschen Städten Unmengen an Mikroplastik über die Straßenabflüsse in unsere Flüsse und Seen. Ein Großteil ist Reifenabrieb, den Forscher von der TU Berlin mit einem neu entwickelten Regenwasserfilter jetzt aufhalten wollen.
Die Clayallee in Berlin ist eine der befahrensten Straßen der Stadt. Zehntausende Fahrzeuge rollen hier täglich über den Asphalt. Sie hinterlassen Reifenabrieb. Winzige Gummipartikel und Polymeranteile von Autoreifen, die Daniel Venghaus, Ingenieur von der TU Berlin, erforschen will.
"Uns geht es darum, tatsächlich zu verstehen, wie die Partikel auf der Straße und die wir später im Straßenwasserablauf finden, wie die aussehen, d.h. wie groß sie sind, wie schwer sie sind und wo viel und wo wenig dieser Partikel liegen insbesondere im innerstädtischen Bereich."
Am Fahrbahnrand öffnet Harald Sommer von der Ingenieurgesellschaft Sieker mit einem Metallhaken einen Gully. In dem dunklen Straßenabfluss hängt ein Laubfang, der vor allem Blätter und andere grobe Feststoffe zurück halten kann. Reifenabrieb nicht.
"Wenn Regen fällt, wird auch der Dreck, der an der Straßenoberfläche ist, abtransportiert. Vom Straßenrand in den Straßeneinlauf rein. Wird dann über den Kanal direkt ins Gewässer eingeleitet."
Dort überdauern die winzigen Gummipartikel und Polymeranteile Jahrzehnte, wenn nicht sogar Jahrhunderte.
Bis zu 110.000 Tonnen Reifenabrieb pro Jahr
Harald Sommer verschließt den Gully wieder. Wie viel Reifenabrieb über diese Straßenabflüsse in die Gewässer eingespült wird, weiß keiner genau. Deutschlandweite Schätzungen gehen von 110.000 Tonnen pro Jahr aus.
"Das sind allerdings Zahlen, die uns jetzt, wenn es darum geht, Maßnahmen zu entwickeln, nicht wirklich weiterhelfen. Wir wissen ja nicht, wo liegen diese 110 000 Tonnen und wie sind sie verteilt."
Deshalb wollen Daniel Venghaus und sein Team die Hotspots finden. An der Clayallee kehren sie auf einer gelb markierten Versuchsstrecke von zwanzig Metern Straßendreck zusammen. Mit kurzen Stößen schieben sie den 80 Zentimeter breiten Besen über die Fahrbahn.
"Wir kehren an verschiedenen Stellen in Berlin, die wir als Hotspots erstmal identifiziert haben oder für Hotspots halten. Ne Ampel, ein Kreisel fegen wir. Wir fegen eine Steigung, ne Bushaltestelle. Wir haben auch schon auf dem Flughafen Schönefeld gefegt."
Neuer Regenwasserfilter
Der Dreck kommt ins Labor und wird dort in seine Bestandteile zerlegt. Nur so können die Forscher herausfinden, wo der meiste Reifenabrieb liegt und wo sich der Einsatz eines neuen Regenwasserfilters lohnt. Den haben sie zusammen mit Industriepartnern in den letzten Jahren entwickelt und testen ihn bereits in ausgewählten Straßenabflüssen der Clayallee.
Daniel Venghaus öffnet einen Gully, in dem der neue Filter eingehängt ist. Am Teststand in der TU Berlin hat er bis zu 90 Prozent Mikroplastik zurückgehalten. Im Straßenabfluss muss er seine Leistungsfähigkeit noch unter Beweis stellen.
"Im Gesamtmaßnahmenkatalog ist so ein Filter aber nur eine Möglichkeit, den Reifenabrieb ins Gewässer zu reduzieren oder zu verhindern. Weitere Maßnahmen sind präventiv. Man kann durch eine bestimmte Verkehrsführung die Belastungen reduzieren auf den Reifen selber und dadurch verhindern, dass Reifenabrieb überhaupt entsteht an gewissen Hotspots. Und wir erwarten auch, dass wir mit der Straßenreinigung die Straßenverschmutzung, in der dann auch der Reifenabrieb enthalten ist, aufnehmen, bevor er vom Regenwasser abgespült wird."
Die Kehrmaschinen nehmen nicht alles auf
Zusammen mit der Berliner Stadtreinigung wollen die Forscher deshalb auch die Reinigungsleistung der Kehrmaschinen untersuchen. Dafür steht an der gelb-markierten Versuchsstrecke der Clayallee eine Maschine zum Kehrtest bereit.
Mit einer Leistung von 50 Haushaltsstaubsaugern nimmt sie den Straßendreck innerhalb von wenigen Sekunden auf. Doch es bleibt einiges zurück, betont Harald Sommer.
"Da bleibt neben der Spur noch einiges liegen, was aufgewirbelt wird. Wir werden das gleich in drei Kisten packen zur Probenahme, was nachher an der TU Berlin untersucht wird und auch die Mengen erfasst werden."
Damit 2020, am Ende des Forschungsprojektes, ein Maßnahmenkatalog steht, mit dem Städte und Gemeinden ihre Mengen an Reifenabrieb selbst bestimmen und reduzieren können.