Kampf gegen Populismus

Stärkt den Staat!

Polizisten am Hauptbahnhof am Silvesterabend.
Polizisten am Kölner Hauptbahnhof am Silvesterabend: Wer auf den Ausbau der Sicherheitskräfte verzichtet, spielt Populisten in die Hände, meint Alan Posener. © imago stock&people
Von Alan Posener |
Mehr Polizisten, mehr Überwachungskameras, mehr Kontrolle im Internet: Alan Posener verteidigt den starken Staat. Denn wer seine Bürger nicht ausreichend schütze, stärke damit Populisten.
Donald Trump hat Mike Pompeo zum Direktor des CIA ernannt. Einen Mann, der das Folterverbot für falsch hält. Der die Todesstrafe für Edward Snowden fordert. Der unbeschränkt Daten sammeln will.
Seit Jahren warnen Kritiker vor der Ausdehnung des Überwachungsstaats, nicht nur in den USA. Neben der Kontrolle des Internets durch die amerikanische NSA, die britische GCHQ und natürlich auch durch den BND, geht es etwa um Telefondaten und Überwachungskameras, um den permanenten Ausnahmezustand in Frankreich.
Apologeten dieser Maßnahmen, zu denen ich gehöre, verweisen auf den Terror, der sie auslöste. Es handelt sich ja schließlich um demokratisch gewählte und parlamentarisch kontrollierte Regierungen, anders als etwa in Russland oder China heute, der DDR oder gar Nazideutschland früher.

Verzicht auf Videoüberwachung wäre falsche Antwort

Nun hat aber Donald Trump den Regierungsapparat der USA in der Hand. In Frankreich könnte Marine Le Pen Präsidentin werden. In Deutschland drängen Rechtspopulisten in die Parlamente. In anderen europäischen Ländern sitzen sie schon in der Regierung. Muss ich da nicht meine Position überdenken?
Klar. Man muss immer wieder seine Überzeugungen auf den Prüfstand stellen. Das habe ich getan. Und bin zum dem Ergebnis gekommen: Auf Internetkontrolle, Vorratsdatenspeicherung, Videoüberwachung, den Ausbau der Sicherheitskräfte und ihrer Vollmachten zu verzichten, wäre genau die falsche Antwort auf die populistische Herausforderung.

Mit jedem Anschlag erhalten Populisten mehr Zulauf

Nehmen wir Anis Amri. Der Mann, der zwölf Besucher eines Berliner Weihnachtsmarkts tötete und über 50 verletzte, war den Behörden als Krimineller und Gefährder bekannt, reiste dennoch mit 14 verschiedenen Identitäten frei durch Europa, konnte sich bewaffnen, einen LKW kapern und auf einen Platz steuern, der trotz Warnungen vor Anschlägen genau dieser Art nicht geschützt war.
In der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung heißt es, der Staat sei dazu da, die Rechte der Bürger zu schützen, darunter "life, liberty and the pursuit of happiness". Leben, Freiheit und die Suche nach dem Glück. In der Reihenfolge, logisch.
Wenn der Staat dabei versagt, heißt es in der Unabhängigkeitserklärung weiter, erlischt die Gehorsamspflicht des Bürgers. Und wir sehen ja, wie mit jedem Erfolg der Terroristen die Autorität des demokratischen Staates erodiert und die Populisten mehr Zulauf erhalten.

Law and order ist eine linke Forderung

Noch gar nicht gesprochen haben wir über das straffreie Abfackeln von Autos durch links- und Rechtsextremisten hier in Berlin. Über nie aufgeklärte Autoeinbrüche, Fahrraddiebstähle, Sachbeschädigungen und dergleichen. Davon, gewiss, geht die Welt nicht unter. Daran aber zerbröselt das Vertrauen in den Rechtstaat.
Law and order ist eine linke Forderung, weil es die kleinen Leute sind, die am meisten leiden, wenn der Staat schwach ist.
Ein subversiver Gedanke noch sei mir – als einem Angestellten eines privaten Medienhauses – erlaubt: In Polen hat die rechtskatholische Regierung zuerst die staatlichen Medien auf Linie gebracht.
Würden in Deutschland Populisten an die Macht kommen, wäre die Beeinflussung der öffentlich-rechtlichen Medienhäuser eine erste Priorität. Denn Rundfunk und Fernsehen sind gefährlicher als Überwachungskameras und Horchposten. Sollte man deshalb heute darauf verzichten?
Alan Posener, 1949 in London geboren, aufgewachsen in London, Kuala Lumpur und Berlin, studierte Germanistik und Anglistik an der FU Berlin und der Ruhr-Universität Bochum. Zunächst war er Lehrer, dann Übersetzer und freier Autor, heute Journalist und Kommentator unter anderem der "Welt"-Gruppe. 2007 nannte er auf Welt Online den damaligen "Bild"-Chef Kai Diekmann "scheinheilig". Posener hat zahlreiche Bücher geschrieben, u.a. "Imperium der Zukunft. Warum Europa Weltmacht werden muss" (Pantheon 2007), "Benedikts Kreuzzug: Der Angriff des Vatikans auf die moderne Gesellschaft" (Ullstein 2009) und die Biographie "John F. Kennedy" (Rowohlt 2013).
Der Publizist Alan Posener
Der Publizist Alan Posener© Deutschlandradio - Bettina Straub
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